Corona: Vorsorge weiblich, Sterben männlich
Seite 3: Zunächst zwei Drittel der registrierten Covid-19-Toten männlich
- Corona: Vorsorge weiblich, Sterben männlich
- Schwere Impfkomplikationen vor allem bei Frauen
- Zunächst zwei Drittel der registrierten Covid-19-Toten männlich
- Auf die Partnerinnen kommt es an
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Auch die Pharmazeutische Zeitung befasste sich mit der höheren Männersterblichkeit aufgrund von Covid-19-Erkrankungen. Laut RKI waren in Deutschland bis Juli 2020 zwei Drittel der Verstorbenen männlich. Dieses Verhältnis hat sich inzwischen geändert, wie bereits erwähnt, weil inzwischen sehr viele sehr alte Menschen offiziell als in Verbindung mit Covid-19 verstorben gelten, unter den hochbetagten mehrheitlich Frauen. In dem Artikel wird dieses Phänomen erklärt:
Eine Vermutung ist, dass das Immunsystem beim vermeintlich schwächeren Geschlecht bis zu den Wechseljahren aktiver und stärker ist. Aus Sicht der Evolution ergibt das Sinn, sollen doch Frauen das ungeborene und neugeborene Leben schützen.
Der berüchtigte "Männerschnupfen" ist keine reine Wehleidigkeit
Das zweite X-Chromosom macht den kleinen, aber feinen - und im Falle von Covid-19 im wahrsten Sinne des Wortes existenziellen - Unterschied:
Wenn es um genetische Unterschiede bei Männern und Frauen geht, ist in der Regel von den X- und Y-Chromosomen die Rede. Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer ein X- und ein Y-Chromosom. Viele Gene, die das Immunsystem regulieren, liegen ausschließlich auf dem X-Chromosom. Der alte Glaube, dass das zweite X-Chromosom bei Frauen komplett inaktiv ist, ist mittlerweile widerlegt. Heute weiß man, dass Immunzellen bei Frauen Gene auf beiden X-Chromosomen ablesen können. Dadurch steht ihnen ein vielfältigeres Spektrum an Abwehrmechanismen zur Verfügung, was die effektivere Reaktion des weiblichen Immunsystems erklären könnte. Zudem kann bei Frauen der Ausfall von einem Gen auf einem der beiden X-Chromosomen kompensiert werden, indem die Information vom anderen herangezogen wird.
Bei dem deutlich kleineren Y-Chromosom des Mannes ist vor allem die Sex determining Region of Y-Gen (SRY), also die das Geschlecht bestimmende Region, relevant. Sie ist unter anderem für die verstärkte Produktion von Testosteron verantwortlich. Frauen verfügen über weniger Testosteron, dafür über mehr Estrogen. Die männlichen und weiblichen Geschlechtshormone wirken sich unterschiedlich auf das Abwehrsystem aus. Estrogen stimuliert die Immunantwort und regt die Vermehrung von spezifischen Abwehrzellen an. Dieser Effekt ist allerdings abhängig von der Konzentration von Estrogen im Körper und unterliegt zyklusbedingten Schwankungen. Testosteron wirkt supprimierend auf das Immunsystem.
Das bedeutet unter anderem, dass der berühmt-berüchtigte "Männerschnupfen" keine reine Wehleidigkeit ist, sondern Männer tatsächlich stärker leiden. Die genetische Wirkung lässt indes im Alter nach, was in Hinsicht auf die Evolution logisch erscheint und die hohe weibliche Todesrate bei den über 80jährigen erklärt. Sie haben diesen biologischen Schutz schlicht nicht mehr. In dem Text wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass Frauen stärker auf Impfungen reagieren - und häufiger zu Autoimmunerkrankungen neigen als Männer. Die möglicherweise durch den AstraZeneca-Impfstoff Vaxzevria ausgelöste Thrombozytopenie ist eine Autoimmunkrankheit. Da stellt sich die Frage, ob die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse bei der Entwicklung der Impfstoffe berücksichtigt wurden.
Man(n) muss mehr auf seine Gesundheit achten
Der biologische Unterschied zwischen den Geschlechtern ist die eine Seite der Medaille, die andere das soziale Verhalten und die Lebensbedingungen. Beides wird ebenfalls als ursächlich für die angeschlagene Männergesundheit angegeben. Genannt werden objektive Bedingungen, etwa unterschiedlich risikoreiche Berufe, mehr Männer, die Auto fahren, Männer werden häufiger Opfer von gewalttätigen Angriffen, was Auswirkungen sowohl auf die physische als auch die psychische Gesundheit hat; aber auch subjektives Verhalten wie beispielsweise Unachtsamkeit im Hinblick auf die eigene Gesundheit und mangelndes Hygieneverhalten.
Das gilt generell, im Hinblick auf Corona ist aber zu beachten, dass vor allem Frauen in Pflegeberufen tätig und somit einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Bei Männern schlägt sich nieder, dass sie weniger auf ihre Gesundheit achten und erziehungsbedingt Schmerzen eher ignorieren, statt ärztlichen Rat einzuholen. Ein "echter Indianer" kennt eben keinen Schmerz, haben viele von ihnen als kleine Jungen zu hören bekommen. Eine frühe Diagnose und eine umgehende medizinische Behandlung sind aber sowohl entscheidend für den Verlauf von Vorerkrankungen als auch für den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung.
Im RKI-Bericht "Gesundheitliche Lage der Männer in Deutschland" von 2014 wird darauf hingewiesen, dass Frauengesundheit bereits seit dem Jahr 2000 Thema sei. 2001 habe es den ersten Frauengesundheits-Bericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gegeben, die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern haben das Thema 2008 aufgegriffen, gefolgt von Bayern, Berlin und Schleswig-Holstein. Erst 2010 wurde das Thema Männergesundheit aufgegriffen.
In der geschlechtsbasierten Medizinforschung wird zwischen Sex und Gender unterschieden, Sex meint das biologische Geschlecht, Gender die daraus konstruierte soziale Rolle, die beispielsweise entscheidenden Einfluss auf die Berufswahl hat. Aber eben auch auf das Selbstbild: Im Falle der Männer bedeutet dies, schon als Junge das Gefühl vermittelt zu bekommen, immer stark sein, immer funktionieren, Gefühle wie körperlichen Schmerz unterdrücken zu müssen. Die "Stiftung Männergesundheit" konstatiert dazu:
Gesundheit spielt für viele Männer eine untergeordnete Rolle. Sie missachten häufig körperliche Warnsignale, und der Gang zum Arzt wird als Eingeständnis von Schwäche gewertet. Männer nehmen Gesundheitsrisiken in Kauf, um ihrer Rolle im Beruf und Privatleben gerecht zu werden. Ernste Erkrankungen werden daher häufig erst spät, nicht selten zu spät, festgestellt.
Ausgehend von der kürzeren durchschnittlichen Lebenserwartung von Männern betrieb das RKI auf dieser Grundlage sozusagen Ursachenforschung. Dabei wird unterschieden zwischen der mittleren, der fernen sowie der gesunden Lebenserwartung. Die mittlere Lebenserwartung beschreibt die durchschnittliche Lebenserwartung; die fernere die ab einem bestimmten Alter, häufig wird dabei der Eintritt ins Rentenalter zugrunde gelegt; bei der gesunden Lebenserwartung wird der aktuelle Gesundheitszustand, etwaige chronische Erkrankungen, etc. mit einbezogen.
Das Ergebnis: Sex - also das biologische Geschlecht - kostet die Männer vermutlich durchschnittlich ein Lebensjahr, der Rest ist auf die Lebensumstände sowie das Sozialverhalten zurückzuführen. Die Annahme, die biologischen Unterschiede seien lediglich für ein Jahr kürzere durchschnittliche Lebenserwartung verantwortlich, ist indes keine gesicherte medizinische Erkenntnis, da sie auf eine im dem Bericht erwähnte Studie zurückgeht, bei der bei einer Langzeitstudie Nonnen und Mönche beobachtet wurden.
Es wurde vorausgesetzt, dass beide eine ähnliche Lebensführung haben dürften und insofern eine vergleichbare Gruppe seien. Inwieweit das zwar puristische, dennoch relativ geschützte Leben in einem Kloster mit dem in unserer hektischen Arbeitswelt verglichen werden kann, sei mal dahingestellt.
2014, als der RKI-Bericht erstellt wurde, betrug der Unterschied in der durchschnittlichen Lebenserwartung zwischen Frauen und Männern fünf Jahre. Sehr viel stärker - und hier kommt die Feststellung von Peter Nowak, Covid-19 ist eine Klassenfrage, die auf Gesundheit allgemein übertragen werden kann zum tragen - ist der Unterschied in der Lebenserwartung aufgrund der sozialen Lage:
Die Differenz zwischen höchster und niedrigster Einkommensgruppe betrug bei den Männern 10,8 Jahre. Auch bei der ferneren Lebenserwartung ab 65 Jahren waren die Unterschiede zwischen den beiden Einkommensgruppen sichtbar (Differenz 7,4 Jahre). Ein deutlicher Unterschied zwischen höchster und niedrigster Einkommensgruppe konnte auch für die gesunde Lebenserwartung belegt werden, der mit 14,3 Jahren sogar noch stärker ausfällt.
Auch hier zeigen sich Frauen widerstandsfähiger als Männer: Soziale Benachteiligung wirkt sich nicht gleich stark auf die durchschnittliche Lebenserwartung aus. Grundsätzlich aber ist das Krebsrisiko, das Risiko für einen tödlichen Herzinfarkt, für Unfall und für Suizid bei Männern im Schnitt deutlich höher als bei den Frauen. Vorerkrankungen wie Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind häufig die Ursache für schwere Verläufe bei COVID-19 oder gar daran zu versterben.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) stellt zudem "geschlechtsspezifische Unterschiede auch bei psychischen Erkrankungen" fest:
Zwar werden starke Stressbelastungen oder Depressionen bei Männern in Deutschland seltener diagnostiziert als bei Frauen, doch rund drei Viertel aller vollendeten Suizide entfallen auf Männer. Fast jeder 50. Todesfall eines Mannes ist eine Selbsttötung. Leistungsdruck, ständige Erreichbarkeit und soziale Krisen sind häufige Ursachen dafür.
Neben den objektiven Bedingungen ist "subjektives Risikoverhalten" laut RKI maßgeblich entscheidend:
Ein Teil der Mortalitätsunterschiede zwischen Männern und Frauen kann auf gesundheitliches Risikoverhalten zurückgeführt werden. Die alkoholische Leberkrankheit infolge von Alkoholabusus, Lungenkrebs als Folge von Rauchen und HerzKreislauf-Erkrankungen als mögliche Folge eines ungesunden Lebensstils hinsichtlich Ernährung, Bewegung, Übergewicht sowie Tabakkonsum sind bei Männern relevante Todesursachen. Hinzu kommen ein größeres Risiko, durch Verkehrsunfälle zu sterben sowie die häufigere Erwerbstätigkeit von Männern und die damit einhergehenden gesundheitlichen Gefährdungen. Der bestehende Geschlechterunterschied bei den Todesursachen wird dabei, wie die Lebenserwartung, durch Verknüpfung verschiedener sozialer und verhältnisbedingter Faktoren beeinflusst.
Genannt werden auch Ursachen wie die Vernachlässigung einfachster, aber grundlegendster Hygienestandards wie beispielsweise Händewaschen.