Cosi fan tutte?
Minderjährige als Rechtsverletzer im Urheberrecht beim Filesharing
Minderjährige treten immer öfter als Rechtsverletzer im Bereich des Urheberrechts in Erscheinung. Das "kostenlose" Herunterladen von Musikstücken, Filmen oder Software ist gerade für Jugendliche verführerisch und hat ein gewisses "Suchtpotential". Gerade bei der Haftung für illegales Filesharing handelt es sich inzwischen um ein Massenphänomen, bei dem sich immer mehr die Haltung eines "So machen's alle" durchsetzt. Vielfach sorgen die Betreiber solcher Plattformen auch aufgrund falscher Werbeaussagen - durchaus bewusst – für eine Sorglosigkeit, die sich als trügerisch erweisen kann.
Das Problem betrifft sowohl die Jugendlichen selbst als auch ihre Erziehungsberechtigten, da oft versucht wird, diese in die Haftung einbeziehen. Das Verhältnis zwischen Urheberrecht und Minderjährigenschutz gehört jedoch zu den ungeklärtesten Bereichen des deutschen Zivilrechts. Einige Problemsituationen werden nachfolgend ohne Anspruch auf Vollständigkeit skizziert.
I. Eine Skizze der Gefahrensituation
Das Reizthema Filesharing
Filesharing hat sich zu einer Art Volkssport entwickelt, der für die Teilnehmer zunehmend gefährlich wird. Ungeachtet der Möglichkeit legalen Filesharings, die gern vernachlässigt wird, handelt es sich oftmals um Kopiernetzwerke, die den Zweck haben, Daten zum Austausch zur Verfügung zu stellen, ohne dass seitens der Rechteinhaber eine Autorisierung erfolgt ist.
Die Tücke des Filesharings liegt technisch gesehen – und sehr vereinfacht ausgedrückt – darin, dass inzwischen Upload und Download im Zusammenhang in Peer-to-Peer-Netzwerken nicht mehr getrennt werden kann, weil jemand, der eine Datei herunter lädt, diese gleichzeitig auch anderen zum Download anbietet.
Seit geraumer Zeit kommen derartige Netzwerke völlig ohne zentralen Server aus. Es liegt auf der Hand, dass auch die Gefahr besteht, sich Spyware, Trojaner, Viren und anderen Datenmüll einzufangen, was von Nutzern oftmals etwas naiv unterschätzt wird.
Die verbundenen Rechner sind im Netzwerk jeweils Server und Client zugleich. Diese Netzwerke dienen im Kern der digitalen Vervielfältigung von Dateien, abhängig von Angebot und Nachfrage. Die jeweiligen illegalen Vertriebsplattformen werden dabei oftmals nur vermittelnd tätig, da sie meist nur Hyperlinks auf externe Angebote zum Abruf bereithalten. Das Filesharing stellt derzeit die maßgebliche Vertriebsmethode der Digitalpiraterie dar (Open Season).
Die betreffende P2P-Software ist im Netz sehr leicht kostenlos erhältlich und zwar völlig legal, da die Programme selbst nicht rechtswidrig sind, sondern erst deren Einsatz zum Erwerb illegalen Datenmaterials zahlreicher Formate. Heruntergeladen und nach und nach auf CD-ROM/DVD heruntergebrannt wird fast jeder "Datenschrott", ohne dass die Mengen jeweils wirklich gesichtet werden können. Der "Profisauger" ist 365 Tage im Jahr im Einsatz.
Die Aktionen der Musik-, Film- und Softwareindustrie, die ihre Umsätze und sogar ihre Existenz in Gefahr sehen, werden immer schärfer. Schon wer über einschlägige Clientsoftware berichtet, setzt sich rechtlichen Risiken aus, mag diese auch durchaus in rechtmäßiger Form verwendet werden können. Gleichzeitig schießen immer neue Filesharingplattformen wie Pilze in das Netz. Inzwischen werden Verstöße immer öfter verfolgt. Die Aktionen erfolgen inzwischen weltweit (Spanien geht massiv gegen Tauschbörsen vor).
Die "Ertappten" dürften aber nichts anderes als eine Spitze des Eisberges darstellen. Da Aktionen dieser Art zu entsprechenden Reaktionen führen, versucht die Filesharingszene, Abwehrtechniken in Form von Tarntechnologie zu entwickeln, um die Kommunikation zu anonymisieren, ohne dass darauf näher eingegangen werden muss. Das "Spiel" von Aktion und Reaktion wird jedenfalls noch eine Weile verschärft weitergehen, da es mit den Mitteln des Urheberrechts derzeit nicht möglich ist, einen angemessenen Interessenausgleich beim Reizhema Filesharing zu erzielen, der zu einer Legalisierung des illegalen Vertriebs von Dateien über das Filesharing führt (s. Brinkel, Filesharing, 2006, S.391 ff).
Die Digitalindustrie setzt primär auf Abschreckung, nachdem die Probleme jahrelang ohne jede Phantasie brach gelegen haben. Ob Digital-Rights-Management-Systeme eine konstruktive Lösung darstellen werden, ist derzeit noch weitgehend offen. Die "Lösung" besteht derzeit in der Ausweitung der straf- wie zivilrechtlichen Ahndung der Endnutzer, und - soweit überhaupt faßbar - der Plattformbetreiber (eingehend Brinkel, Filesharing, 2006, S. 83 ff; Wenzel, Musiktauschbörsen im Internet, 2005, S.28 ff). Diese sind jedoch schwer zu fassen.
Dabei ist nicht völlig auszuschließen, dass die Digitalindustrie das unkontrollierte Wachstum illegaler Vertriebsplattformen eindämmen will, um das Geschäft der legalen Anbieter für die Zukunft zu sichern oder dieses Terrain wenigstens offen zu halten. Das Risikopotential entfaltet durchaus eine abschreckende Wirkung, wie an der Reaktion Betroffener zu verzeichnen ist, deren Effektivität jedoch derzeit in der Breitenwirkung kaum realistisch einzuschätzen ist.
2. Ein "magischer" Anziehungspunkt für Jugendliche
Derartige – technisch wie rechtlich falsche und unbeholfene – Warnungen entsprechender Betreiber illegaler Vertriebsplattformen sagen einem Jugendlichen gar nichts oder jedenfalls nicht viel:
Wir möchten darauf hinweisen, dass die hier verlinkten Torrent-Dateien nur Meta-Informationen enthalten und diese lediglich zu Test und Studienzwecken heruntergeladen werden dürfen. Das Downloaden von Dateien ist nur dann erlaubt, wenn es sich um Share- oder Freeware handelt oder Sie im Besitz des Orignals sind. Bitte halten Sie sich an die in ihrem Land geltenden Urheberrechts- und Copyrightgesetze. Mit dem Betreten der Hauptseite über den "Eingang" Button ganz unten auf der Seite bestätigen Sie, dass Sie die Hinweise befolgen werden.
Zum einen ist es völliger Unsinn, dass solche Dateien nur "Metainformationen" enthalten, zum anderen wird der Download illegalen Materials nicht legal, wenn jemand ein "Original" – das selbst nur digitale Kopie in verkörperter oder nicht verkörperter Form sein kann – zur Verfügung hat. Und wenn, ist ein Download kaum für die Jugendlichen attraktiv.
Es liegt auf der Hand, dass derartige Angebote gerade auch Minderjährige anlocken, die ohnehin die komplexe urheberrechtliche Rechtslage nicht angemessen einschätzen können, was schon den meisten Erziehungsberechtigten nicht gelingt. Das Urheberrecht der Informationsgesellschaft ist derart komplex geworden, dass es sich keineswegs um selbst erklärende Normen handelt, die jeder Bürger versteht.
Ausgeklammert werden im folgenden Aspekte des deutschen Jugendmedienschutzes, da die betreffenden Plattformen diesen Schutz ohnehin nicht praktizieren oder akzeptieren, sich oftmals jenseits des Anwendungsbereichs dieser Normen bewegen und ihre Angebotsvermittlung, die durchaus auch massiv pornografisches oder anderes jugendgefährdende Material erfasst, sich an diese Anforderungen nicht gebunden fühlt. Das Thema Digitalpiraterie und Jugendmedienschutz ist noch wenig behandelt, zumal der Jugendmedienschutz in Deutschland rechtspolitisch ohnehin umstritten ist.
II. Eine Skizze der urheberrechtlichen Situation bei Musikdateien
Tonträgerhersteller sind Inhaber von Rechten an den von Ihnen vertriebenen Musikstücken nach § 85 UrhG, da die Urheber ihnen die Verwertungsrechte in der Regel zur ausschließlichen Nutzung übertragen haben. Grundsätzlich könnten daneben – je nach Art und Umfang der Rechteübertragung – oder eigenständig auch Komponisten, ausübende Musiker und Tonträgerhersteller als Rechteinhaber tätig werden, was so selten nicht mehr ist.
Der Austausch von Musikdateien führt – sehr vereinfacht zusammen gefasst – zu Vervielfältigungen im Sinne des § 16 UrhG, die bereits vollendet sind, wenn eine Kopie in den Arbeitsspeicher geladen wird. Durch einen Download entsteht eine von der Vorlage nicht zu unterscheidende Kopie einer Ausgangsdatei, ohne dass dies zur Löschung der Ausgangsdatei führt. Werden solche Dateien im Internet angeboten, bedarf dies nach § 19 a UrhG der Zustimmung der Rechteinhaber, primär der Musikverlage.
Zwar wird die Auffassung vertreten, dass ein reiner Download nach wie vor durch § 53 UrhG gedeckt sein kann, wenn es sich um reine Passiv-Nutzung handelt (Brinkel, a.a.O., S. 103 ff, 106). Jedoch gilt dies nicht, wenn Systeme verwendet werden, die den Nutzer technisch in die Rolle des gleichzeitigen Anbieter zwingen, wie etwa bei Bittorrent oder Kazaa, ohne dass von einer Ausschaltmöglichkeit Gebrauch gemacht wird oder werden kann. Die Rechteinhaber stellen daher auch zunehmend auf die "Angebotsebene" ab. Zu weit geht allerdings die Vorstellung, dass allein schon das Vorhandensein eines solchen Programms auf der Festplatte als Urheberrechtsverstoß einzuordnen ist. Zu weit geht auch die Auffassung, dass alle auf einer Festplatte vorhandenen Musikdateien gleichzeitig auch angeboten worden sein müssen, was einen konkreten Nachweis voraussetzt.
Ausnahmeregelungen über die Anwendung des Rechts auf Privatkopie schlagen daher weitgehend fehl, so dass eine Rechtfertigung des Verstoßes nach § 53 UrhG weitgehend auszuschließen ist, weil auch ursprünglich legal erworbene Vorlagen nicht öffentlich im Internet verbreitet werden dürfen, wie § 53 Abs.6 UrhG klarstellt, wobei die Einzelheiten nach wie vor umstritten sind (s. nur Brinkel, a.a.O., 83 ff). Dies gilt umso mehr, wenn die Ausgangskopie durch Umgehung des Kopierschutzes nach § 95 a UrhG gewonnen wurde. Steht der Verstoß gegen das Vervielfältigungsverbot sicher fest, ist es nur schwer möglich, dem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch zu entgegen, der sich auf zukünftige Unterlassung richtet.
Werden Tonaufnahmen im Netz illegal verwertet, stehen den Rechteinhabern grundsätzlich Rechte aus §§ 97, 77, 78 Nr.1, 16 und § 19 a UrhG zu, wobei sich die Vervielfältigung und Verbreitung i.S.d. § 15 UrhG auch nach §§ 106 ff UrhG als strafbar darstellen kann. Die in diesem Bereich inzwischen völlig überlasteten Staatsanwaltschaften werden seitens der Rechteinhaber oftmals durch Strafverfolgungsanträge dazu angestoßen, um Beweismaterial durch Hausdurchsuchungen zu sichern, da dies zivilrechtlich nicht möglich ist, auch was Auskunftsersuchen an Provider angeht. Diesbezüglich steht den Rechteinhabern allerdings in absehbarer Zeit ein eigener Auskunftsanspruch zur Verfügung (Marken- und Produktpiraterie in Internetmedien).
Oftmals ist es schon ein langwieriges Unterfangen, als Anwalt überhaupt zeitnah Einsicht in Ermittlungsakten zu bekommen, weil die Staatsanwaltschaften dieser Massenverfahren organisatorisch nicht mehr Herr werden. Über eine Akteneinsicht als Verletzter ist es möglich, diese Erkenntnisse auch zivilrechtlich zu verwerten, was primär zur Abschreckung durch die Versendung von Abmahnungen geschieht, die den urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch nebst Auskunftsansprüchen, Schadensersatzansprüchen und materiellrechtlichen Kostenerstattungsansprüchen hinsichtlich der angefallenen Anwaltskosten – soweit erstattungsfähig – zum Gegenstand haben.
Die Regelung der Konflikte erfolgt meist außergerichtlich, weil die Betroffenen bei dem zutreffenden Vorwurf des Erwerbs illegaler Dateien hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs nur geringe Verteidigungsmöglichkeiten haben und zivilrechtliche Verfahren in dieser Situation wirtschaftlich weitgehend sinnlos sind. Die Strafverfahren selbst werden oftmals wegen geringer Schuld nach § 153 StPO eingestellt.
Die zivilrechtliche Seite wird meist verglichen, wobei im Einzelfall durchaus Verhandlungsspielraum besteht. Die meisten Betroffenen geben eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab, um über Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche zu verhandeln. Der mit der Abmahnung geltend gemachte Auskunftsanspruch ist in der Regel nicht Gegenstand der vorformulierten Unterlassungserklärung, die nicht zwingend in dieser vorformulierten Form abgegeben werden muss.
III. Urheberrecht und Minderjährigenschutz – ein weißer Fleck in der Rechtsordnung?
1. Strafprozessuale Aspekte
Das Problem des minderjährigen Störers im Urheberrecht ist unter zivilrechtlichen Aspekten alles andere als neu, wurde bislang jedoch nur wenig thematisiert. Bereits in den 80er-Jahren wurden Minderjährige massiv abgemahnt, nachdem Musikkassetten bei der "Bravo" oder sonstwo zum Tausch oder Kauf angeboten oder nachgefragt wurden, bei denen es sich um bewusst gestellte Fallen handelt. Genauso existieren heute Filesharingangebote im Netz, bei denen es sich um ähnliche Fallen handelt.
Am ehesten vertraut sind die Aspekte aus jugendstrafrechtlicher Sicht, da § 106 UrhG auch auf Jugendliche angewendet werden kann, die nach § 1 Jugendstrafgesetz eine Verfehlung begangen haben. Steht der Tatbestand fest, kommt es im Bereich der Schuld darauf an, ob ein vermeidbarer Verbotsirrtum nach § 17 StGB gegeben ist. Die Rechtsprechung stellt insoweit grundsätzlich hohe Anforderungen. Veröffentlichte Urteile genau zu § 106 UrhG sind in Verbindung mit Jugendlichen allerdings eher selten (s. etwa AG Kaufbeuren, NStZ 1985, 180; eingehend, Gravenreuth, Das Plagiat in strafrechtlicher Hinsicht, S. 87 f, der seinerzeit 125 Fälle untersucht hat, die damals zu keiner nennenswerten Sanktion geführt haben).
Vielfältig vertreten wird die These, dass auch ein Jugendlicher von 15 Jahren regelmäßig erkennen kann, dass es nicht rechtens ist, Kopien von Computerspielen anzufertigen und an Dritte weiterzugeben, insbesondere, wenn etwa Lehrer oder Erziehungsberechtigte zuvor gefragt wurden (Hildebrandt, Die Strafvorschriften des Urheberrechts. 2001, S. 285; Gravenreuth, a.a.O., 1986, S. 74; Ders. CR 1991, S.36). In dieser Generalität ist dies kaum zu akzeptieren, da es jeweils einer Einzelfallprüfung bedarf, welches Wissen über diese Umstände erwartet werden kann, wobei auch die Komponenten des Gruppendrucks und der Verführung durch Medienwerbung ebenso zu berücksichtigen sind wie Irrtümer über die Reichweite der Schrankenvorschrift des § 53 UrhG, der für Laien kaum mehr durchschaubar ist (grundlegend, Weber, Der strafrechtliche Schutz des Urheberrechts, 1976, S. 292 ff).
In der Praxis erfolgen Korrekturen allerdings maßgeblich über Verfahrenseinstellungen nach § 45 JGG. Der Weg der Verweisung des Antragstellers auf den Privatklageweg durch die Staatsanwaltschaften nach §§ 374, 376 StPO ist bei Jugendlichen wegen § 80 JGG verbaut.
Die Beweise werden oftmals durch Hausdurchsuchungen gewonnen. Dies gilt auch in Fällen, die sich später als Bagatellfälle herausstellen. Durchsuchungen bei jugendlichen Tätern sind grundsätzlich unzulässig, sofern es sich nicht um einen Ausnahmefall handelt, wobei die Einzelheiten umstritten sind (Hildebrandt, a.a.O., S. 373 m.w.N.). Dieses Problem stellt sich beim Filesharing nur in verminderter Schärfe. Da der Telefonaccount, über den die Daten via Internetanschluss bezogen worden sind, meist den Eltern gehört, wird zunächst auch gegen diese ermittelt, so dass diese meist auch (Mit-) Adressaten der betreffenden Durchsuchungsanordnung sind. Oftmals fallen diese am Tag der Hausdurchsuchung aus allen Wolken. Ermittlungstechnisch stellt sich erst dann heraus, dass es sich eigentlich um Verstöße durch einen Minderjährigen handelt. Die Abmahnung wird aber regelmäßig an den Accountinhaber gerichtet.
2. Minderjährige als Störer
Minderjährige können grundsätzlich Adressat eines urheberrechtlichen – oder sonstigen – verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs werden. Sie werden aber nach § 1629 BGB von den Erziehungsberechtigten vertreten, ohne selbst rechtsverbindliche Erklärungen abgeben zu können. Mangels spezieller Regelungen im Bereich des Urheberrechts gelten insoweit – wie im gewerblichen Rechtsschutz allgemein – die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts (Beispielfall: http://www.to-you.de).
Nach § 105 BGB ist nicht geschäftsfähig, wer noch nicht sieben Jahre alt geworden ist. Zwischen dem 7. und 18. Lebensjahr ist ein Mensch beschränkt geschäftsfähig. Willenserklärungen bedürfen – mit gewissen hier nicht einschlägigen Ausnahmen – der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nach § 1629 BGB bzw. dessen Genehmigung. Hierbei geht es jedoch um Vertragsabschlüsse, nicht um deliktische Haftung. Das deutsche bürgerliche Recht billigt dem Minderjährigenschutz zwar einen hohen Stellenwert zu, der jedoch im deliktischen Haftungsrecht nur fragmentarisch ausgeprägt ist. Insofern bestehen für beschränkt Geschäftsfähige kaum effektive Schutznormen gegen die Inanspruchnahme als Störer bei Unterlassungsansprüchen. Die Inanspruchnahme als minderjähriger Störer kann jedoch dazu führen, dass das Erwachsensein mit erheblicher Verschuldung begonnen werden muss, wenn bestehende Spielräume nicht genutzt werden.
Für Geschäftsunfähige und beschränkt Geschäftsfähige enthält § 828 BGB für das Deliktsrecht eine Beschränkung der Inanspruchnahme, wonach ein beschränkt Geschäftsfähiger für einen Schaden nicht verantwortlich ist, wenn er bei Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit nötige Reife hat. Diese Feststellung kann immer nur im Einzelfall getroffen werden. Diese Norm ist indessen als Ausnahmetatbestand nur auf verschuldensabhängige Normen des Deliktsrechts anwendbar, nicht aber auf Unterlassungsansprüche, da lediglich das Verschulden ausgeschaltet wird.
Die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm ist umstritten, ohne das in diesem Rahmen darauf näher eingegangen werden kann (Erman/Schiemann, BGB, 11. A., 2004, § 828, Rn.7). Die Vollstreckung aus gerichtlichen Leistungstiteln in derartigen Fällen kann in der Abgabe einer Versicherung an Eides Statt über die Vermögenslosigkeit für den Minderjährigen vertreten durch seine Eltern enden, insolvenzrechtliche Aspekte einmal ganz ausgeblendet.
Diese Norm kann jedoch hinsichtlich eines verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruches zur Anwendung kommen, der sich primär auf die entgangenen Lizenzgebühren richtet. Ob und inwieweit diese Norm zum Schutz des Minderjährigen zur Anwendung kommt, ist eine Frage des Einzelfalls, wobei es insbesondere auf das Alter, die Reife und das schulische Niveau ankommen dürfte. In der Abmahnpraxis wird diese Norm schlicht ignoriert. Gerichte prüfen sie oftmals nur bei entsprechenden, schlüssigen Vortrag.
Aus Gründen der elterlichen Sorgfaltspflicht und familienrechtlichen Gründen kommt in den einschlägigen Fällen die Abgabe einer Unterlassungserklärung des Minderjährigen, gesetzlich vertreten durch seine Erziehungsberechtigten in Betracht. Hier bestehen erhebliche Probleme, die etwa daraus resultieren, dass sich aus einer solchen Unterzeichnung erhebliche wirtschaftliche Risiken für den Jugendlichen ergeben können. Diese hängen zunächst damit zusammen, dass eine wirksame Unterlassungserklärung nach deutschem Recht – zwecks Dokumentation der Ernsthaftigkeit – nur in Verbindung mit einem Vertragsstrafenversprechen abgegeben werden darf.
Kein Erziehungsberechtigter ist indessen in der Lage sicherzustellen, dass ein solcher "Wiederholungsfall" nicht eintreten wird, nicht zuletzt aufgrund der "negativen Vorbildwirkung" in Klasse und Freundeskreis, von Erwachsenen, die es auch tun, ganz abgesehen. Vertragsstrafen in diesem Bereich beginnen indessen "bestenfalls" bei 2.500 Euro und können sich bei weiteren Wiederholungen deutlich steigern. Auch die Schadensersatzansprüche wegen entgangener Lizenzgebühren – je nach angewandter Berechnungsmethode – oder weiterer Schadenspositionen können erhebliche Belastungen darstellen. Bei der Verwirkung von Vertragsstrafen existieren keine speziellen Schutznormen für Minderjährige, da es sich hier um eine vertragliche Haftung handelt.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob dies vom Umfang der Vertretungsmacht der Eltern noch gedeckt ist und nicht ein Genehmigungserfordernis durch das Vormundschaftsgericht nach §§ 1643 Abs.1, 1822 Nr.12 BGB in Betracht kommt, eine Frage, die kaum einmal andiskutiert worden ist. Das Gesetz sieht für bestimmte Fälle die Einholung einer Zustimmung durch das Vormundschaftsgericht vor, so etwa im Falle des Abschlusses eines Vergleiches, auch nach § 779 BGB für den außergerichtlichen Bereich, sofern dieser einen Wert von 3.000 Euro übersteigt, was bei der Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz- und Kostenerstattungsansprüchen oftmals der Fall ist.
Bei einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung handelt es sich um einen Vertrag, der der außergerichtlichen Beilegung eines Vorwurfes dient, dessen Kern ein Unterlassungsversprechen darstellt, der aber auch Schadensersatzansprüche und weitere Kostenpositionen regeln kann. Ein solcher Vertrag setzt Annahme und Angebot voraus. Davon ist die Frage zu trennen, ob eine (modifizierte) Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr auch dann entfallen lässt, wenn diese nicht ausdrücklich durch den Gläubiger angenommen wird, was regelmäßig der Fall ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., 2006, § 12, Rn.1.116).
Ein solcher Vertrag kann – muss aber nicht – Elemente eines Vergleiches nach § 779 BGB in sich tragen, sofern es sich um ein gegenseitiges Nachgeben handelt. Dies ist etwa der Fall, wenn nach vorausgegangenen Verhandlungen Schadensersatzforderungen und solche Ausgleichsansprüche vermindert werden. Die Grenzen können fließend sein. In einem solchen Fall könnte § 1822 Nr.12 BGB unter Umständen zur Anwendung kommen, was aber eine Frage des Einzelfalles ist, da nicht jeder Unterlassungsvertrag automatisch einen Vergleich darstellt, zumal § 1822 Nr.12 BGB nicht durch Analogieschluss erweitert werden kann.
Genehmigungspflichtige Verträge, die ohne Genehmigung des Gerichts geschlossen werden, sind bis zur Erteilung der Genehmigung nach § 1828 BGB schwebend unwirksam. Der Vergleich wird mit Mitteilung der Genehmigung wirksam. Unterlassen die Eltern die Einholung einer solchen Genehmigung, kann der andere Teil sie hierzu auffordern. Wird die Genehmigung dann nicht eingeholt, können sich für die Erziehungsberechtigten Haftungsfolgen wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen aus § 311 Abs.3 S.2 BGB ergeben (Gernhuber/Coester-Waltjen, § 60, Rnrn. 52 und 67). Die §§ 1643, 1822 Nr.12 BGB entfalten insoweit kaum einen effektiven Schutz.
Auch unter dem Aspekt des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB können sich familienrechtliche Schranken ergeben, die indessen völlig offen sind, da die Rechtslage insoweit völlig ungeklärt ist. Das Terrain ist familienrechtlich noch ziemlich unübersichtlich. Eine Grenze wegen unzulässiger Rechtsausübung kann sich insbesondere hinsichtlich eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruches ergeben, wenn es sich um Massenabmahnungen handelt, die ausschließlich der Einnahmeerzielung dienen, was in "Pirateriefällen" bislang kaum eine Rolle spielte.
Unter rechtspolitischen Aspekten sind möglicherweise Restriktionen für die Praxis der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen und materiellrechtlichen Kostenerstattungsansprüchen nach Urheberrechtsverletzungen im Internet zu erwarten, soweit es um Privatpersonen geht und die Höhe der Kostenerstattungsansprüche betroffen ist. Die Bundesjustizministerin hat kürzlich insoweit vorgeschlagen, dass einfach gelagerte Fälle mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung nicht höher als mit Kosten von 50 bis 100 Euro für die Abmahnung zu ahnden sein sollen und dem Minderjährigenschutz ein entsprechender Stellenwert zuzubilligen ist. Ob dies wirklich zu einer Begrenzung führen wird, muss abgewartet werden.
Stellt es sich heraus, dass für den Minderjährigen eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben werden sollte, kommt die Möglichkeit der Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629 a Abs.1 BGB ins Spiel. Hierzu wird allerdings vertreten, dass diese Norm nur auf vertragrechtliche Verpflichtungen anwendbar ist, nicht jedoch auf Verpflichtungen, die von Gesetzes wegen entstehen, also etwa aus Delikt. Diese werden grundsätzlich als eigenverantwortlich angesehen und somit als unbeschränkbar eingestuft, weil der Minderjährigenschutz insoweit bereits im Vorfeld nach § 828 BGB gewährleistet ist (Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Aufl., 2006, § 61, Rn. 63).
Dies ist zweifelhaft, zumal hierzu kaum gerichtliche Entscheidungen ergangen sind. Zum einen soll zwar § 1629 a BGB den Minderjährigen vor rechtsgeschäftlichen Handlungen seiner Erziehungsberechtigten und deren wirtschaftlichen Folgen schützen. Zum anderen soll aber eine Überschuldung des Minderjährigen verhindert werden, die sich bei der Deliktshaftung ebenso auswirken kann wie bei einer vertraglichen Haftung, so dass die beiden Gesetzeszwecke in Widerstreit treten können (Rauscher, Familienrecht, 2001, Rn. 1063). Hier kommt es aber entscheidend darauf an, dass es sich die um vertragliche Regelung (Unterlassungs- und Verpflichtungsvertrag) der Folgen deliktischer Handlungen handelt, so dass § 1629 a BGB nach hiesiger Auffassung zur Anwendung kommen kann. Soweit erkennbar, ist hierzu noch kein veröffentlichtes Urteil ergangen.
Diese Haftungsbeschränkung auf das beim Minderjährigen an seinem 18. Geburtstag vorhandene Vermögen tritt jedoch nicht von selbst ein, sondern bedarf der Abgabe einer entsprechenden Erklärung durch die Erziehungsberechtigten gegenüber Gläubigern in einem Zivilprozess, so dass ein etwaiges Leistungsurteil unter dem Vorbehalt der beschränkten Haftung nach §§ 780 Abs.1, 786 Abs.1 ZPO ergehen muss. Wird dennoch vollstreckt, kann die Einrede im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden.
Eine diesbezügliche Haftungsbeschränkung kann zwar nach hiesiger Auffassung als Einrede nicht bereits in einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung erklärt werden, sie kann in einer Erläuterung angekündigt werden, was jedoch sorgfältig formuliert sein sollte. Die Einrede kann der ehemalige Minderjährige auch nach seinem 18. Geburtstag noch geltend machen, was zur Anwendung der Regeln über die beschränkte Erbenhaftung nach §§ 1990, 1991 BGB führt, was allerdings binnen zwei Monaten nach der Volljährigkeit erklärt werden muss, ohne dass in diesem Rahmen auf weitere Einzelheiten eingegangen werden kann.
Rechtspolitisch ist der Minderjährigenschutz bei gesetzlicher Haftung als fragmentarisch ausgestaltet, unübersichtlich und unzureichend anzusehen, so dass ein effektiver Schutz jeweils nur im Einzelfall bestehen kann, was die Rechtslage für die Betroffenen schwer einschätzbar macht. Insbesondere wird ein junger Erwachsener hier mit Regelungen konfrontiert, die er in ihrer Komplexität kaum beherrschen kann.
3. Haften Eltern für die Internetaktivitäten ihre Kinder?
Angesichts der erheblichen Probleme, die sich bei einem Vorgehen gegen beschränkt Geschäftsfähige ergeben, versuchen die Rechteinhaber zunehmend auf die Erziehungsberechtigten zuzugreifen. Dies nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt, dass sie als Accountinhaber jedenfalls grundsätzlich Mitstörer hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruches sind. Die Mitstörerhaftung gilt jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keineswegs uneingeschränkt. Die Mitwirkung an einer Störung, die auch in der Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlichen Dritten bestehen kann, setzt voraus, dass der in Anspruch Genommene die Möglichkeit hat, die betreffenden Handlungen zumutbar zu verhindern (zusf. Stadler, Die Haftung für Informationen im Internet, 2. Aufl., 2005, S. 52 f). Im Kern decken sich diese Kriterien mit den Anforderungen des § 832 Abs.1 BGB, der jedoch auf Unterlassungsansprüche wegen ihrer Verschuldensunabhängigkeit nicht abgewendet werden kann.
Betroffenen Erziehungsberechtigten steht damit der Nachweis offen, dass es ihnen nicht möglich gewesen ist, die Störungen durch den Minderjährigen zu unterbinden. Es ist letztlich nicht mehr möglich – bei einigem Realismus – Jugendliche von der Computernutzung völlig abzukoppeln, was auch pädagogisch kaum sinnvoll sein dürfte. Viele Eltern wissen gar nicht genau, was Ihre Kinder am PC treiben und gehen von einer legalen Nutzung aus. Insoweit empfiehlt es sich, Akteneinsicht in die Ermittlungsakten nehmen zu lassen, um zu klären, wie die Ermittlungsbehörden den Fall eingeschätzt haben, auch wenn dies zivilrechtlich nicht verbindlich ist. Auch hier bleibt die Möglichkeit ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht, aber mit rechtlichem Bindungswillen eine Unterlassungserklärung – ggf. angemessen modifiziert – abzugeben, um die Wiederholungsgefahr auszuschalten und sodann über die Folgeansprüche zu verhandeln.
Hinsichtlich des verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruches kann § 832 BGB entlastend eingreifen, wenn die Erziehungsberechtigten ihrer Ersatzpflicht genügt haben und der Schaden auch bei angemessener Aufsichtsführung entstanden sein würde. Auch dies ist eine Frage des Einzelfalles, die aber Verhandlungsspielraum schafft, weil es kaum Rechtsprechung in diesem Bereich mit Bezug auf Urheberrechtsverletzungen gibt.
Das OLG Hamburg ging in einem der wenigen einschlägigen Urteile zu dieser Thematik davon aus, dass Eltern nicht ohne weiteres die Verantwortung für Urheberrechtsverletzungen durch ihre Kinder tragen, sofern nicht die Eltern die von ihrem Kind begangene Urheberrechtsverletzung unterstützt oder ausgenutzt haben (OLG Hamburg, Urteil vom 18. Mai 1995 - 3 U 279/94, CR 1995, 603; NJW-Cor 96, S. 255, s. http://www.fernabsatzgesetz.de). Dies entspricht sowohl einer Anwendung der Kriterien zur Mitstörerhaftung als auch des § 832 BGB. Da in fast allen Fällen dieser Art außergerichtliche Einigungen erzielt werden, besteht auch insoweit Verhandlungsspielraum. Jedenfalls kann von einem Haftungsautomatismus für betroffene Erziehungsberechtigte in diesen Fällen keine Rede sein.
IV. Ausblick
Die relativ grobe Skizze dieser schwierigen Problematik zeigt, dass Minderjährige zwar grundsätzlich als Störer in Anspruch genommen werden können, sich jedoch unter familienrechtlichen Aspekten Schranken der Haftung ergeben können. Die Problematik scheint inzwischen in das Bundesjustizministerium vorgedrungen zu sein, ohne dass dies Folgen haben muss.
In dieser Situation besteht lediglich die Möglichkeit, das urheberrechtliche Haftungssystem nach der geltenden Rechtslage mit dem Minderjährigenschutz des Zivilrechts – wie er sich derzeit fragmentiert und unvollkommen darstellt – zu "synchronisieren", um angemessene Ergebnisse zu erzielen, die den finanziellen Ruin Jugendlicher verhindern. Es verbleiben indessen erhebliche Gefahren für Jugendliche und deren Erziehungsberechtigte. Angesichts weitgehend fehlender Rechtsprechung bestehen aber insoweit auf beiden Seiten gleichzeitig Handlungsspielräume und Risiken.
Ungelöst bleibt aber allemal das Dilemma der Haftung für illegales Filesharing und seiner Rückführung in legale Nutzungsformen, die mit den Mitteln des urheberrechtlichen Haftungssystems letztlich nicht angemessen gelöst werden können. Mit einer Ausweitung der diesbezüglichen Aktionen der Rechteinhaber sollte die "Filesharingszene" indessen rechnen.