Covid-19-Impfstoffe: Warum erhält Coronavac keine Zulassung?
Seite 2: Steigerung der Impfbereitschaft durch Zulassung eines Totimpfstoffs?
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Als ein weiteres gewichtiges Argument dafür muss angeführt werden, dass eine aktuelle repräsentative Forsa-Umfrage ergeben hat, dass mehr als Zweidrittel bis etwa die Hälfte der Nichtgeimpften sagen, dass sie sich bisher nicht haben impfen lassen, weil ihrer Meinung nach die verfügbaren Impfstoffe nicht ausreichend erprobt seien, sie Zweifel an der Sicherheit und Wirksamkeit der bisher verfügbaren Impfstoffarten (mRNA- bzw. Vektorimpfstoffe) hätten und diese ablehnen würden (S. 7 der Forsa-Umfrage).
Und die einzige abgefragte Maßnahme, die bei über der Hälfte der Befragten- nach ihren Angaben- eine Steigerung der Impfbereitschaft zur Folge hätte, wäre die Zulassung weiterer Impfstoffe, die im Gegensatz zu den bisher verfügbaren Vakzinen auf einem klassischen Wirkprinzip beruhen (z. B. Totimpfstoffe; S. 21).
Totimpfstoffe wie z. B. die Influenza-Vakzine basieren auf einer bewährten Technologie. Sie zählen zwar zu den älteren Impfstoff-Arten, sind deshalb im Allgemeinen aber nicht weniger wirksam. Der Impfschutz kann umfassender sein und auch bei Mutationen greifen, da das komplette Virus im Vakzin enthalten ist.
Von Lesern meines letzten Telepolis-Artikels habe ich eine Reihe von Mails erhalten, die diese Einschätzung unterstützen und von denen ich hier ein Beispiel anführen möchte. Ein Leser schreibt:
Ich gehöre zu denjenigen, die weder einen mRNA noch einen Vektorvirenimpfstoff haben wollten. Hätte es einen Totimpfstoff in Deutschland gegeben, so hätte ich mich damit impfen lassen. Ich bin auf eigene Kosten zweimal in die Türkei geflogen und habe dort ohne Kosten den Impfstoff von Sinovac bekommen. Ich hatte keinerlei Nebenwirkungen, keine Schmerzen nichts, nur Durst und etwas wenig Fieber habe ich bemerkt. Meine Ehefrau hat sich in der Türkei mit Biontech impfen lassen und hatte arge Probleme zumindest in den ersten Tagen. In Deutschland gelte ich als ungeimpft, da der Sinovac-Impfstoff weder durch das RKI noch durch EMA zugelassen ist. Das empfinde ich als ungerecht, das Gesundheitsamt in Braunschweig hat mich sogar frech gefragt, ob ich mich nicht mit einem zugelassenen Impfstoff noch einmal impfen lassen wolle.
Am liebsten würde ich per Crowdfunding oder Aktionswebseite Geld sammeln und einen Anwalt beauftragen, damit mit Sinovac Geimpfte auch in Deutschland als geimpft erachtet werden, in Großbritannien ist es ja seit kurzem bereits so.
Davon abgesehen finde ich den Impfzwang schlimm, das schadet unserer Gesellschaft.
Diese und weitere ähnlich lautende Zuschriften, die Stellungnahmen mehrerer von mir sehr geschätzter Menschen aus meinem Bekanntenkreis und nicht zuletzt die oben angeführte Forsa-Umfrage weisen darauf hin, dass viele bisher Nichtgeimpfte keine prinzipiellen "irrationalen Impfgegner" sind, sondern Impfskeptiker, die sich unter anderen Umständen, z. B. bei Verfügbarkeit eines traditionellen Impfstoffs, gegen Covid-19 impfen lassen würden.
Häufigkeit schwerer Nebenwirkungen bei Coronavac verglichen mit Comirnaty
Wie schon mehrmals in meinen Beiträgen erwähnt, muss ein Impfstoff (z. B. zur Prävention einer Erkrankung wie Covid-19) in erster Linie sicher, in zweiter Linie sicher, drittens sicher und viertens wirksam sein. Das schrieb Carlos Beat Quinto von der Schweizer Ärztevereinigung FMH in einem Ende 2020 in der Schweizerischen Ärztezeitung erschienenen Beitrag.
In dem oben schon angeführten Telepolis-Beitrag habe ich mich auch mit möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen der chinesischen Vakzine, insbesondere von Coronavac, beschäftigt. Eine diesbezügliche Literatursuche hatte zum Ergebnis, dass möglicherweise weniger schwere Nebenwirkungen und Impfkomplikationen bei den chinesischen Impfstoffen zu erwarten sind.
Der Grund für diese Einschätzung ist, dass die zwar sehr seltenen, aber schwerwiegenden Nebenwirkungen der genetischen Impfstoffe, wie z. B. eine Myokarditis und/oder Pericarditis nach mRNA-Vakzinen und ein TTS-Syndrom nach Vektor-Impfstoffen4, bisher bei Coronavac nicht beschrieben worden sind. Diese Einschätzung stützt sich allerdings nur auf die Literaturangaben in einem narrativen Review .5
Bei einer weiteren Literaturrecherche zum Auftreten von schwerwiegenden Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach der Impfung mit Vakzinen gegen Sars-CoV-2 bin ich auf zwei weitere Arbeiten gestoßen, die im diskutierten Zusammenhang von Interesse sind und die noch kurz vorgestellt werden sollen.
Es handelt sich zum einen um eine Arbeit aus Hongkong, in der die Häufigkeit des Auftretens einer Fazialsparese (Bell'sche Lähmung; Lähmung des Gesichtsnervens) nach Coronavac und nach dem Biontech-Pfizer-Impfstoff Comirnaty verglichen wurde. Diese Studie wurde im August 2021 in der Wissenschaftszeitschrift The Lancet veröffentlicht.6
In dieser Studie wurde die geschätzte altersstandardisierte Inzidenz klinisch bestätigter Fälle einer Fazialisparese bei Personen, die eine Impfung mit Coronavac oder mit Comirnaty-Impfung erhalten hatten, ermittelt und mit der Hintergrundinzidenz in der Bevölkerung verglichen.
Diese betrug bei den klinisch bestätigten Fällen einer Fazialisparese 66,9 Fälle pro 100.000 Personenjahre nach Coronavac-Impfung und 42,8 pro 100.000 Personenjahre für die Comirnaty-Impfung. Der altersstandardisierte Unterschied für die Inzidenz im Vergleich zur Hintergrundpopulation betrug 41,5 für CoronaVac und 17,0 für Comirnaty, was zusätzliche 4,8 Fällen pro 100.000 gegen Coronavac geimpften Personen und 2,0 Fällen pro 100.000 gegen Comirnaty geimpften Personen entspricht.
Die Ergebnisse deuten auf ein insgesamt erhöhtes Risiko einer Fazialisparese nach der Coronavac-Impfung hin. Die positiven und schützenden Wirkungen des inaktivierten Covid-19-Impfstoffs überwiegen jedoch bei weitem das Risiko einer Fazialisparese, wobei es sich im Allgemeinen um ein vorübergehendes, selbstlimitierendes unerwünschtes Ereignis handelt, urteilen die Studienautoren und sagen abschließend, dass zusätzliche Studien in anderen Regionen erforderlich seien, um diese Ergebnisse zu bestätigen.
Zum anderen ist ein aktueller Übersichtsartikel von Interesse, der in der aktuellen Novemberausgabe der pharmakritischen wissenschaftlichen Zeitschrift Der Arzneimittelbrief veröffentlicht wurde und sich mit den möglichen sehr seltenen, aber schwerwiegenden neurologischen Komplikationen bei Covid-19 einerseits und nach der Impfung gegen Sars-CoV-2 andererseits beschäftigt.7 Es wurden für diese Analyse die Gesundheitsdaten von 32 Millionen Engländern von der Universität Oxford ausgewertet.
Das Fazit dieses Artikels, in dem die vom 1.12.2020 bis zum 31.5.2021 gemeldeten neurologischen Komplikationen nach Infektion mit Covid-19 bzw. nach Impfung mit Vaxzevria (Astrazeneka) bzw. Comirnaty (Biontech-Pfizer) aufgeführt sind, lautet:
Eine Infektion mit Sars-CoV-2 kann zu unterschiedlichen schwerwiegenden neurologischen Komplikationen führen. Nach einer aktuellen Analyse aus dem britischen Gesundheitssystem sind dies in erster Linie das Guillain-Barré-Syndrom sowie Myasthenie, Enzephalitis, Meningitis oder Myelitis.
Auch eine Impfung gegen Sars-CoV-2 birgt geringe neurologische Risiken. Vektorimpfstoffe haben ein Risiko für ein Guillain-Barré-Syndrom, das allerdings deutlich geringer ist als bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 (38 vs. 145 zusätzliche Fälle pro 10 Mio. Exponierte). Die mRNA-Impfstoffe scheinen das Risiko für entzündliche Erkrankungen des Nervensystems nicht zu erhöhen, jedoch ist zumindest die Impfung mit Comirnaty mit leicht vermehrten hämorrhagischen Insulten assoziiert: 60 zusätzliche Fälle pro 10 Mio. Exponierte. Diese Risiken sollten bekannt sein und in die Impfberatung einfließen.
Die Autoren des Arzneimittelbriefs