Crash oder Cash – des Nutzers Wille geschehe

Der Kampf um die Aufmerksamkeit in der New Economy nimmt bizarre Formen an

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Der Newcomer yoc (your opinion counts) lässt die Nutzer darüber abstimmen, ob ein Porsche 911 am Samstagabend in Berlin von einem fünfzig Meter hohen Kran stürzen soll. Auffallen um jeden Preis ist das Motto der Startup-Gründer.

Die New Economy hat nach ihrer Entzauberung an den "Wachstumsbörsen" momentan wenig zu feiern. Auch die Parties der Entlassenen (Rote Karte für die Pink-Slip-Party) zünden hierzulande nicht. Wer sich heute noch als klassisches Internet-Startup aufs glitschige Parkett wagt, muss sich einiges einfallen lassen, um die Aufmerksamkeit der Medien und der potenziellen Kunden zu erwecken.

Das dachten sich zumindest die Macher des Berliner Startups yoc, die ihren Start am Samstag mit einem wahrlich ungewöhnlichen Event feiern wollen: Die handybewaffnete Menschheit soll entscheiden, ob ein nietennagelneuer Porsche 911 kurz vor der Tagesschauzeit um 20 Uhr von einem 50 Meter hohen Kran auf den märkischen Sand in Berlins Mitte aufschlägt oder gerettet und verlost werden soll.

Yoc steht für "Your opinion counts", was für die Durchstarter gleichbedeutend ist mit "Dein Wille geschehe". Während die restlichen Internetanbieter trotz aller Versprechungen von "Interaktivität" die Nutzer nur scheinbar an den Drücker lassen, sind sie bei yoc die echten Entscheider. Das im Dezember 2000 gegründete Startup richtet sich an die hedonistischen, individualistischen und geltungssüchtigen jungen Konsumenten der Generation @, die "ihre Meinung auf smarte Weise durchsetzen wollen".

Zum Beispiel ganz easy durch das Versenden einer SMS: Wer schon immer mal wissen wollte, wie es klingt, wenn Metall und Plastik im Wert von 140 000 Mark am Boden zerschellen, kann eine Mitteilung mit dem Wort "Crash" an die Nummer 72 76 8 übers Handy schicken. Wer den Flitzer lieber dem normalen Straßenleben zuführen und vielleicht sogar gewinnen will, sendet eine SMS mit dem Inhalt "Cash". Für E-Plus-Benutzer gilt die Nummer 0178/72 76 800. Die Auflösung erfolgt am Samstag am Leipziger Platz, direkt neben dem ehemaligen preußischen Herrenhaus, in das der Bundesrat gezogen ist. Nach der Entscheidung geht's für die VIPs in den Techno-Club Tresor gegenüber, wo das Gesehene erst mal verdaut und begossen werden soll.

Die yoc AG erhofft sich von der Selbstinszenierung einen positiven Imageeffekt. Die Firma will zahlende Kunden gewinnen für ihr Angebot, das Unterhaltung und Information mit personalisierten Shopping-Möglichkeiten mixen soll. Das Startup positioniert sich als Schnittstelle zwischen der Konsumgüterindustrie und dem verwöhnten Lifestyle-Verbraucher und will in Zukunft mit weiteren Experimenten die Stimmungsdemokratie über On- und Offline-Medien fortentwickeln.

Zahlreiche andere Shopping-Portale wie Yoolia.com, die dem Surfer ein ähnlich auf ihn zugeschnittenes Einkaufserlebnis bieten wollten, sind bereits gescheitert. "Die Jungunternehmer haben nichts gelernt und verbrennen ihr Wagniskapital weiterhin mit vollen Händen für zweifelhafte Marketingaktionen", kritisiert ein Szenekenner das "Launch-Event" von yoc. Er muss es wissen, da er gerade einen "Auflösungsvertrag" mit einem anderen Startup unterschrieben hat, wo er als Marketing-Experte arbeitete. Die Party im Tresor will sich der junge Mann allerdings nicht entgehen lassen.