DIW und Diakonie warnen: Spätfolgen der Kinderarmut kosten Deutschland Milliarden

(Bild: Frauke Riether, Pixabay)

Kinderarmut ist nicht nur ein Problem der Gegenwart. Wie die jüngste Studie von DIW und Diakonie betont, entstehen hohe gesellschaftliche und wirtschaftliche Belastungen in der Zukunft.

Kinderarmut ist in Deutschland viel zu lange vernachlässigt worden. Das zeigt eine Studie, die die Diakonie Deutschland und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) jetzt vorgelegt haben. Sie belegt, dass die gesellschaftlichen Folgekosten von Kinderarmut – insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Bildung und soziale Teilhabe – gravierend sind.

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Kindergrundsicherung, die von Teilen der Bundesregierung als zentrales familien- und sozialpolitisches Projekt dieser Legislaturperiode angesehen wird. Trotz des offensichtlichen Handlungsbedarfs sind die internen Diskussionen innerhalb der Ampelkoalition in den vergangenen Monaten ins Stocken geraten. Erst vor wenigen Tagen hatte Familienministerin Lisa Paus aus diesem Grund ihr Veto gegen ein anderes Gesetzespaket eingelegt.

"In der Diskussion über die Kindergrundsicherung dürfen nicht nur die kurzfristigen Sparzwänge im Bundeshaushalt eine Rolle spielen", erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bei der Präsentation des Gutachtens. Man müsse auch über mittel- und langfristige Belastungen für Staat und Steuerzahler sprechen, die sich zwangsläufig ergeben, wenn nicht frühzeitig in alle Kinder investiert werde.

Gesunde und gut ausgebildete Kinder hätten schließlich deutlich bessere Chancen, sich ein selbständiges Leben mit höheren Einkommen und einer geringen Abhängigkeit von staatlichen Hilfen aufzubauen. Lilie betonte: "Frühzeitige Investitionen sichern soziale und ökonomische Chancen und ersparen dem Sozialstaat weitaus höhere Folgekosten."

Die Diakonie, aber auch der Sozialverband VdK machten auf eine aktuelle OECD-Studie aufmerksam. Demnach werden die gesellschaftlichen Folgekosten von Kinderarmut in Deutschland auf jährlich rund 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt. Das entspricht bis zu 120 Milliarden Euro.

VdK-Präsidentin Verena Bentele rief die Bundesregierung auf, die Kinderarmut ernst zu nehmen. Sie erklärte:

Die Ergebnisse der DIW-Studie belegen deutlich eine ganz einfache Rechnung: Wenn die Ampel- Koalition nichts Wirksames gegen Kinderarmut unternimmt, muss die Gesellschaft dafür morgen die Milliarden-Zeche zahlen. Es ist unverantwortlich, unsozial und widerspricht diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Zukunft von Millionen Kindern im Klein-Klein von Haushaltsstreitigkeiten zu opfern.

Bisher sieht es allerdings nicht so aus, als würde sich die Bundesregierung von solchen Erkenntnissen beeindrucken lassen. Das Familienministerium hatte für die Kindergrundsicherung einen Bedarf von zwölf Milliarden Euro angemeldet. Das Finanzministerium will diese Summe aber nicht bewilligen und hat für die Jahre 2025 bis 2027 knapp zwei Milliarden Euro pro Jahr in den Bundeshaushalt eingestellt.

Mit diesen Brosamen wollte sich Lisa Paus nicht abspeisen lassen. Und nach Ansicht der Diakonie ist dieser Betrag auch viel zu gering. Notwendig wären stattdessen 20 Milliarden Euro. "Das ist ein Bruchteil der Summe, die Staat und Steuerzahler heute schon schultern müssen, wenn Kinderarmut nicht energischer bekämpft, sondern stattdessen lieber die enormen Folgekosten in Kauf genommen werden", sagte Lilie.

Es sei sinnvoller, zumindest einen Teil dieser Milliarden in besser zugängliche und gezielt höhere Leistungen für Kinder aus armutsgefährdeten Familien zu investieren. Zudem müsse der Staat für eine bessere soziale Infrastruktur für Kinder und Jugendliche sorgen.

Auch Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin, unterstrich die Notwendigkeit einer schnellen Einführung der Kindergrundsicherung. Armut könne von Generation zu Generation vererbt werden – das gelte es zu durchbrechen. Ein Schlüssel dazu sei die Kindergrundsicherung. Zudem mache ein automatisiertes und digitales Verfahren bei der Auszahlung die Betroffenen nicht mehr zu Bittstellern.

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