Damenbild mit Gruppe

Fussnoten

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Dass Hitler ein Schauspieler war, hat wohl keiner so klar durchschaut wie der Schauspieler Chaplin, vielleicht auch einfach aus purem Neid um die Rolle. Chaplin ist Jahrgang 1889, geboren am 16. April, also eben gerade mal vier Tage älter als Adolf Hitler, was wohl auch erklären mag, warum es Chaplin, den SCHAUSPIELER, so gewurmt hat, dass jemand JÜNGERER seinen markanten und markenträchtigen Schnauzbart usurpieren wollte. Die Verwechslungen in The Great Dictator (1940) beginnen ja denn auch tatsächlich mit diesem ganz einfachen, emotionalen Element der kleinen "Rotzbremse". Ich will nicht versuchen, Chaplins sehr ernste und ehrlich humanistische Grundhaltung hier zu verwischen - er hatte seine progressiven politischen Absichten. Sein Anti-Hitler-Film war einer der ersten antifaschistischen Hollywood-Filme und gilt bis heute als wichtiges Dokument seiner Zeit - auch wenn Lubitsch den lustigeren Film gemacht hat, To Be Or Not To Be, der selbst noch im eins-zu-eins Remake von Mel Brooks aus dem Jahr 83 nichts an seiner filmischen Vergnüglichkeit verliert und zugleich ein durch-und-durch jüdischer Film ist, also eine Zelebration jüdischen Widerstands darstellt.

Chaplin war nicht Jude, auch wenn er immer wieder als solcher hingestellt worden ist. Man kann davon ausgehen, dass Hitler Chaplin "trotzdem" nicht gemocht hat. Einerseits galt der kleine Charlie, in Frankreich "Charlot" genannt, ebendort als eine Art Ikone des antifaschistischen Widerstands. Andererseits z.B. waren Stan Laurel und Oliver Hardy zur Nazi-Zeit die zeitgemäßeren Komödianten - ihr Erfolg in Deutschland war so durchschlagend, dass sie als "Dick und Doof" in die Volksmythologie eingingen und sogar teilweise selbst - mit ausgeprägt englischem bzw. amerikanischem Akzent - ihre Filme ins Deutsche synchronisierten (d.h., wie ich vermute, die Filme damals in parallelen amerikanischen & deutschsprachigen Versionen drehten). Hitler soll, heißt es bei einem seiner treuesten Mitkämpfer [Friedrich Christian Prinz zu Schaumburg-Lippe], einen äußerst ausgeprägten Sinn für Humor gehabt haben.

Ich bin indessen ziemlich sicher, dass Hitler an Chaplin keine Freude gehabt haben kann. Chaplin verarscht Hitler ja nicht intellektuell, sondern indem er seine Manierismen nachäfft und ins Groteske verkehrt, indem er Hitlers Persönlichkeit als unmenschlich und dumm darstellt. Es ist tatsächlich so, dass der kleine Charlot sich gegen den großen Usurpator wehrt, dass er den Unterschied zwischen sich und dem anderen Schauspieler herausarbeitet. Dass er sich dagegen wehrt, vielleicht im Heimkino der Nazis als liebenswerter Clown konsumiert zu werden, wie Laurel und Hardy.

Bert Brecht hat in Hollywood Chaplin später auch persönlich kennen gelernt, zumindest aber scheint mir sein Arturo Ui von Chaplin oder eben genau dem Großen Diktator beeinflusst gewesen zu sein. Das Stück entstand 1941 in Helsinki, vielleicht in der Folge eines Kinobesuchs. Auf alle Fälle ist bekannt, dass Brecht Chaplins Goldrausch (1925) immer sehr geliebt hat - schließlich ist die Brecht/Weill Oper Mahagonny (1930) irgendwie direkt von diesem Film beeinflusst - und das bedeutet wohl auch, dass Brecht damals, in der VOR-Video-und-DVD-Zeit, entweder den Film öfters im Kino oder mit einem Heimprojektor immer wieder mal zuhause gesehen haben muss. Also Chaplin war privat konsumierbar, auch z. B. bei den Nazis - und dagegen wehrte er sich.

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Anmerkung der Redaktion: "Irgendwelche Leute" ist der Telepolis-Paktikant Kai Harbrich. Siehe auch Das Topmodel, das Matherätsel und die toten Gewerkschafter

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