Das Ende einer langen Flucht

Die Festnahme von Karadzic

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Ob er nun 13 Jahre auf der Flucht war oder zwölf, sicher ist, dass Radovan Karadzic auf ein Netzwerk von Helfern vertrauen konnte, um seiner Verhaftung diese unerhört lange Zeit zu entgehen. Trotz internationalen Drucks, der sicher nicht zuvernachlässigen war - von Seiten des Haager Tribunals (ICTY), das ihn mehrerer Kriegsverbrechen beschuldigt, von der EU und von den USA, die keine kleine Belohnung in Höhe 3,1 Millionen Dollar auf seine Ergreifung ausgesetzt hatten. Heute prangt das Steckbrief-Konterfei von Karadzic auf den Nachrichtenwebseiten ganz oben. Es wird nicht lange dauern, bis die ersten aktuellen Aufnahmen online stehen. Seine Festnahme gestern Nacht ist die Meldung des Tages, die wohl nicht nur in Sarajewo mit Jubel aufgenommen wird.

Der Zeitpunkt der Festnahme ist allem Anschein nach kein Zufall. Laut einem Guardian-Bericht wurde der Flüchtige seit Wochen beobachtet. Der Tip eines „ungenannten ausländischen Geheimdienstes“ hatte die serbischen Behörden auf die Spur gebracht. Gestern schlugen sie dann zu; kurz vor Mitternacht gab der serbische Präsident bekannt, dass Karadzic gefunden worden sei und inhaftiert.

Die Erfolgsmeldung ist kein schlechtes Mitbringsel der Serben für ein anstehendes Treffen mit den Außenministern der EU. Die erst kürzlich gebildete Regierungskoalition zwischen den ehemaligen Milosevic-Sozialisten SPS und der pro-westlichen Demokratischen Partei DS (siehe "Nationale Versöhnung" in Serbien) strebt die Mitgliedschaft in der EU an. Der neue Premier Mirko Cvetkovic will Serbien so schnell wie möglich in eine "europäische Zukunft" führen. Die Intensivierung der Fahndung nach Karadzic und Mladic war erwartet worden: Nur bei einer „vollen Kooperation“ mit dem Internationalen Strafgerichtshof unterstützt die Europäische Union den Prozess der Annäherung Serbiens.

So gehört auch der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs Serge Brammertz zu den ersten Gratulanten, der nicht der einzige blieb, welcher der nur leicht versteckten Hoffnung Ausdruck gab, dass auch Mladic bald gefasst wird:

This is a very important day for the victims who have waited for this arrest for over a decade. It is also an important day for international justice because it clearly demonstrates that nobody is beyond the reach of the law and that sooner or later all fugitives will be brought to justice.

Karadzic werden Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt. Er soll u.a. für den Tod von 8000 Muslimen in Srebrenica im Juli 1995 verantwortlich sein.