Das Geschäft mit dem Saatgut

Seite 2: Immer weniger Sorten werden von immer weniger Unternehmen angebaut

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Bei ökologisch gezüchteten Sorten steht neben dem Geschmack auch die Konkurrenzfähigkeit zu Unkraut im Vordergrund, denn Herbizide sind im Öko-Landbau verboten.

Vor allem aber passen sich samenfeste Sorten langsam an sich ändernde Klimabedingungen an. "Künftig werden wir eine breite genetische Vielfalt an Kulturpflanzensorten brauchen", erklärt eine Züchterin vom Hof Ulenkrug unweit von Dargun in Mecklenburg, wo sie seit Jahren alte Getreide- und Gemüsesorten erhält.

Eine Sorte verträgt viel Nässe, eine andere ist resistent gegen Trockenheit, die nächste gegen bestimmte Krankheiten - dies seien wichtige Eigenschaften in Zeiten des Klimawandels.Im Gegensatz dazu wird das genetisch enge Pflanzenmaterial der Saatgutindustrie den klimatischen Herausforderungen nicht gewachsen sein.

Konzentrierte Macht auf dem europäischen Saatgut-Markt

Dessen ungeachtet ist die Entwicklung auf dem Saatgutmarkt alarmierend: Immer weniger Sorten werden von immer weniger Unternehmen angebaut. Zwar werden Agrarkonzerne nicht müde zu erklären, die Saatguterzeugung läge vor allem in der Hand kleiner und mittelständiger Betriebe.

Doch bei genauem Hinsehen stellt sich die Situation anders dar. Eine im Januar 2014 veröffentlichte Studie der Grünen zeigt die konzentrierte Macht auf dem europäischen Saatgut-Markt, die sich gerade mal fünf Konzerne teilen, nachdem sie kleinere Saatgutunternehmen aufgekauft haben: Monsanto, Syngenta, Pioneer, Dow und Bayer.

Warum kann Saatgut nicht allen frei zur Verfügung stehen?

Allein die Zucht alter und samenfester Sorten liegt in den Händen kleinbäuerlicher Betriebe. So züchtet Gebhard Rossmanith seit etwa 30 Jahren samenfeste Gemüsesorten. Gäbe es, wie bei der Zucchini bereits üblich, die Zulassung aller Sorten nur noch auf internationaler Ebene, so der Chef der Bingenheimer Saatzucht AG, wären noch größere Hürden zu überwinden. Und damit würde sich auch der Trend, dass die marktmächtigen Konzerne den Handel kontrollieren, weiter verstärken. Seine Kollegin Cornelia Becker spricht aus eigener Erfahrung. Ergebnis ihrer jahrelangen Zuchtarbeit ist die Zucchini Serafina.

Angeblich zu uneinheitlich und nicht homogen genug, wurde die Zucchini auch im zweiten Anlauf in der Sortenprüfung abgelehnt. In ihrem eigenen Feldversuch jedoch zeigten sich die Früchte sehr homogen. "Die Gärtner wollen die Sorte haben, sie schmeckt gut und hat die Qualitätsprüfungen bestanden", erklärt die Züchterin. Leider sei die Prüfung so angelegt, dass die Zucchini keine Chance habe, zugelassen zu werden. Waren 15 Jahre aufwändige Züchtungsarbeit umsonst?

Warum kann Saatgut nicht allen frei zur Verfügung stehen? "Sieht die Saatgutindustrie ihre eigenen Sorten bedroht, wenn zuviel bäuerliches Saatgut auf den Markt kommt?", fragt Andreas Riekeberg, Mit-Initiator der Saatgutinitiative zur Erhaltung bäuerlichen Saatgutes:

Anstatt die vielen kleinen Züchter zu kontrollieren, sollte die Agroindustrie schärferen Kontrollen unterzogen werden.

Eine Forderung, die sinnvoll ist, denn den Saatgutkonzernen auf die Finger zu schauen, ist dringend nötig - und zahlt sich aus. So sank die gentechnische Verunreinigung bei Mais - dank frühzeitiger staatlicher Kontrollen - von knapp sieben Prozent im Jahr 2011 auf aktuell 1,6 Prozent.

Saatgut zum Tauschen; Foto: Susanne Aigner

Nicht ohne Grund halten die Bio-Anbauverbände an einer Nulltoleranz für Gentechnik fest: Immer aggressiver drängen Saatgutkonzerne mit gentechnisch veränderten Pflanzen auf den Markt. So gibt es bei Mais fast nur noch Hybrid- oder gentechnisch veränderte Sorten. Der Gen-Mais SmartStax, der kürzlich in der EU zugelassen wurde, ist nur ein Beispiel dafür (Unser täglich Gift gib uns heute).

Zum aktiven Widerstand gegen Gentechnik ruft die Aktion Bantam mit einer samenfesten Maissorte auf: Hobby-Gärtner und Landwirte säen ihn flächendeckend aus und gewinnen so gentechnikfreies Saatgut.