Das Internet ist die Achilles-Ferse der USA

Der Ex-CIA-Chef Tenet warnt wieder einmal vor dem Cyberterrorismus und fordert stärke Kontrolle und ein Ende des Wilden Westens

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Die Terrorangriffe vom 11.9. und der anschließende Krieg, der den Terrorismus in der wirklichen Welt verstärkt hatte, hatten das Angstthema Ende der 90er Jahre verdrängt. Unter Präsident Clinton wurde gewarnt, dass die Cybergrenzen in Gefahr seien. Man sprach von einem digitalen Pearl Harbor, entdeckte - im Rückblick vielleicht mangels anderer Bedrohungen - die vielen Möglichkeiten, wie die Infrastruktur eines Landes angegriffen und das Land durch Cyberterrorismus lahm gelegt werden kann (Infowar gegen die USA, Das hört sich wie ein Wohlfahrtsprogramm für Spione an). Keine dieser Szenarien ist eingetreten, allerdings wird das Internet von Terroristen für ihre "PsyOp" sowie zur Organisation und Koordination benutzt.

Der im Sommer über die falschen Gründe für den Irak-Krieg als eine Art Bauernopfer zurück getretene CIA-Direktor George Tenet, der unter Clinton die Bedrohung durch den Cyberterrorismus zu einem Kernthema gemacht hatte, scheint sich nun wieder an diesen zu erinnern. So sagte er auf einer Konferenz, dass die USA sich stärker bemühen müssten, das Internet zu sichern. Das Internet sei eine Hintertüre, die Terroristen und andere Feinde der USA benutzen könnten, um das Land anzugreifen. Es sei "eine potenzielle Achilles-Ferse für unsere finanzielle Stabilität und materielle Sicherheit, wenn die von uns geschaffenen Netzwerke nicht geschützt werden".

Dabei versucht Tenet auf die alten Ängste vor dem Internet zu setzen, die schon seiner Zeit benutzt wurden, um die geförderten Sicherheitsmaßnahmen zu legitimieren.

Ich weiß, dass solche Maßnahmen in diesem Zeitalter umstritten sind, da wir noch immer denken, dass das Internet eine freie und offene Gesellschaft ist, in der es keine Kontrolle und Verantwortlichkeit gibt. Aber letztlich muss der Wilde Westen der Regierbarkeit und Kontrolle Platz machen.

Tenet scheint sich im Angstmachen zu gefallen. Nach ihm suchen Geheimdienste, Militärs und Terrororganisationen Mittel für Cyberangriffe zu entwickeln. Und "die Zahl der bekannten potenziellen Feinde, die erforschen, wie sie Informationsangriffe durchführen können, wächst schnell an". Auch al-Qaida erkundet nach ihm die "Schwächen unserer Telekommunikationsnetzwerke". Das Internet sei deshalb besonders gefährdet, weil seine Architektur das freie "Surfen" im Web ermögliche. Diese Offenheit mache aber das ganze System verwundbar.

Tenets Vorschlag, dieses Problem der Offenheit zu lösen, ist verwegen. Man müsse den Zugang zum Internet oder allgemein zu Netzwerken auf diejenigen beschränken, die zeigen, dass sie Sicherheit ernst nehmen. Wichtig sei, strengere Sicherheitsmaßnahmen mit höheren Standards durchzusetzen. So sollten Telekommunikationstechnologien für den Staat und die Wirtschaft schon Sicherheitsvorkehrungen wie Firewalls, Authentifizierungssysteme oder Verschlüsselung.

Für die Sicherheit der Netzwerke ist das Heimatschutzministerium verantwortlich. Der Leiter der Abteilung für Cyber-Sicherheit, Amit Yoran, ist überraschend im Oktober zurückgetreten, angeblich, weil sein Bereich von der Bush-Regierung und den inzwischen auch zurück getrenenen Heimatschutzminister Tom Ridge vernachlässigt worden ist. Die Stelle scheint tatsächlich schwierig zu sein. Yoran hatte das Amt letzten September übernommen. Im April 2003 war Howard Schmidt schon nach zwei Monaten Dienst zurück getreten. Im Februar 2003 ist Richard Clarke zurück getreten. Clarke, ein Antiterrorismus-Experte, der unter Clinton das Critical Infrastructure Assurance Office eingerichtet hatte, veröffentlichte daraufhin das Buch "Against All Enemies", in dem er das Vorgehen der Bush-Regierung gegen den Terrorismus kritisiert (Was wusste US-Präsident Bush - und warum wollte er nichts davon wissen?)