CIA-Chef Tenet tritt überraschend zurück

Über die Gründe kann man nur spekulieren, rein persönliche Gründe, wie das Weiße Haus und die CIA es verstanden wissen wollen, waren es sicher nicht

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Erstaunlich lange hatte CIA-Chef George Tenet in seinem Amt überlebt. Schon oft hatte man damit gerechnet, dass seine Zeit abgelaufen sei. Nicht nur hatte ihn US-Präsident Bush von seinem Vorgänger Clinton übernommen, der Tenet 1997 an die Spitze des mächtigen und verrufenen Geheimdienstes setzte, er überstand auch nach dem 11.9. zahlreiche Vorwürfe, was die Geheimdienstinformationen vor den Anschlägen und über die Massenvernichtungswaffen vor dem Irak-Krieg betraf. Jetzt trat er angeblich aus persönlichen Gründen - offenbar auch überraschend für das Weiße Haus - zurück.

Ob nun die Bush-Regierung den umstrittenen Geheimdienstchef lieber nicht mit in die Präsidentschaftswahlen schleppen wollte oder sich Tenet vielleicht lieber selbst rechtzeitig absetzte, um nicht vielleicht mit Bush unterzugehen oder als Sündenbock abgestraft zu werden, wird man vielleicht erst später erfahren. Allerdings dürfte sich Tenet auch nicht wie andere in einem Buch über alles aussprechen, schließlich muss alles, was er veröffentlichen will, von der CIA genehmigt werden.

Gestern hatte Tenet seinen Rücktritt offiziell bekannt gegeben, bis Mitte Juli wird er noch im Amt verbleiben. Dann wird erst einmal sein Vize John McLaughlin an die Spitze der CIA rücken und die wohl nicht angenehmen Beurteilungen der 9/11-Commission verarbeiten müssen, die sicher in ihrem Abschlussbericht stehen werden (Bad moon rising).

Sowohl bei der CIA als auch im Weißen Haus versucht man alles zu leugnen, was auf politischen Druck oder Probleme hinweisen könnte. US-Präsident Bush lobte die "überragende Leistung" Tenets, schließlich hat er Bush auch den Rücken freigehalten für seine Irak-Politik und ihm die entsprechenden Informationen geliefert - wohl auch gegen den Widerstand in den eigenen Reihen, wie sich aus einigen CIA-Berichten ablesen lässt (Die CIA ist besser als ihr Ruf). Auch dass man im Pentagon einen Sondergeheimdienst zur Aufbereitung der "Fakten" eingerichtet hat, zeigt, dass die CIA nicht ganz konform mit der Bush-Regierung ging (Rumsfeld und die supergeheime Pentagon-Abteilung). Tenet übernahm bekanntlich die Verantwortung für die falschen oder eher: bewusst aufgebauschten und gefälschten Informationen über Iraks Massenvernichtungswaffen und die daraus entstehende Bedrohung des Weltfriedens, um Bush und Co. zu entlasten, die ja nur Informationen übernommen haben (Alles ehrenwerte Männer). Warum allerdings Bush dem Geheimdienstchef trotz der vielen Pannen vor dem 11.9. die Treue gehalten hat, darüber kann man nur, verschwörungstheoretisch oder nicht, spekulieren.

Allerdings ist die CIA seit dem Afghanistan-Krieg wieder sehr aktiv geworden. Spezialeinheiten des Geheimdienstes haben hier bereits operiert, mit bewaffnete CIA-Drohnen wurden in einer Form der gezielten Tötung auf Amerikanisch aus der Ferne vermeintliche Gegner getötet, die vermutlich brutalen Verhörmethoden eines CIA-Mitarbeiters führten in Afghanistan zu einem Aufstand der Gefangenen, durch den er selbst - als "Held" geehrt, und bis auf wenige Ausnahmen alle Gefangenen in einem Massaker getötet wurden.

Schon kurz nach dem 11.9. deutete Vizepräsident Cheney an, dass die Geheimdienste sich im Krieg gegen den Terrorismus auch die Hände schmutzig machen müssten (Lizenz zum Töten). Kurz darauf setzte schon einmal in den USA eine Diskussion über Folter ein. Obgleich Hinweise auf Folter immer wieder einmal auftauchten, sorgten erst die Bilder aus dem Abu Ghraib-Gefängnis für eine breite Aufmerksamkeit auf das, was hinter den verschlossenen Mauern der Gefängnisse und Lager des US-Gulag vor sich gehen mag. Mitarbeiter von Geheimdiensten, auch und vor allem von der CIA, haben hier immer ihre Hände im Spiel, sind aber bislang - ganz nach Taktik der Bush-Regierung - wie alle höheren Militärs ungeschoren davon gekommen.

Allerdings kochte vor kurzem eine andere Geschichte auf. Irgendwie soll das ehemalige Regierungsratmitglied Tschalabi - der dubiose Exil-Iraker hatte Pentagon und die CIA eifrig gegen Geld über irakische Angelegenheiten informiert und war vom Pentagon als möglicher Regierungschef stark gepuscht worden - erfahren haben, dass der US-Geheimdienst den Geheimcode Irans geknackt habe. Dies soll er iranischen Regierung mitgeteilt haben, weswegen er seit kurzem in Ungnade gefallen ist (Das Ende des Dunkelmeisters). Tschalabi streitet dies ab und sieht einen Komplott gegen sich, der von CIA-Chef Tenet ausgegangen sei. Die CIA hatte eine andere, mit Tschalabis Organisation konkurrierende Gruppe von Exil-Irakern unter der Führung von Allawi unterstützt, der nun, offenbar wiederum stark zumindest von Paul Bremer geschoben, zum Ministerpräsidenten der Übergangsregierung wurde (Der vertrauenswürdige Kandidat für das Amt des irakischen Ministerpräsidenten). Ironischerweise wirft nun Tschalabi Tenet vor, dass dieser der US-Regierung falsche Informationen über den Irak geliefert habe.