Das Kreuz mit den vegetarischen Fleischersatzprodukten in Deutschland

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Sind Produktbezeichnungen wie Milch oder Schnitzel generisch oder brauchen vegetarische Ersatzprodukte neue Namen?

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Der Streit zwischen den Anhängern der weitgehend industrialisierten Fleischwirtschaft und den Vertretern einer vegetarisch ausgerichteten Ernährung schlägt derzeit wieder einmal hohe Wellen vor Gericht. Derzeit ist ein einschlägiges Verfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig.

Ausgangspunkt des aktuellen Rechtsstreits ist die wettbewerbsrechtliche Abmahnung und die Klage des Berliner Verbands Sozialer Wettbewerb e.V., der sich die Verfolgung von wettbewerbsrechtlichen Verstößen auf seine Fahnen geschrieben hat. Das Wettbewerbsrecht und die in diesem Umfeld gerne genutzten Abmahnungen sind eine deutsche Besonderheit und in anderen EU-Mitgliedsstaaten in dieser Form nicht gegeben. Wettbewerbsverbände können im Interesse einzelner Mitglieder gegen vermeintliche Missstände vorgehen. Dabei ist es unerheblich, wieviele Mitglieder der Verband in der spezifischen Branche hat und welche Marktbedeutung diese haben.

Die Mitglieder der Wettbewerbsverbände haben den Vorteil, dass sie nicht namentlich gegen einen vermuteten Wettbewerbsverstoß vorgehen müssen, sondern den Verband vorschicken können. Die Tätigkeit der Wettbewerbsverbände wird nicht selten mit der Arbeit von Lobbyverbänden verglichen, die für ihre Mitglieder die politische Landschaft pflegen sollen.

Verklagt wurde in dem aktuellen Fall der Hersteller Tofutown in Wiesbaum in der Eifel, dessen Produkte Namen tragen wie Green Schnitzel, Veggie Cheese oder Tofu Butter. Das passt Vertretern der industriellen Tier- und Fleischproduktion nicht. So beklagt der Deutsche Bauernverband, dass Lebensmittelverarbeiter ein nicht auf Milch basierendes Lebensmittel als "Käse" bezeichnen, obwohl der gesetzliche Bezeichnungsschutz für Milch und Milchprodukte eindeutig sei. Nur was aus sogenannter Eutersekretion gemolken, also aus tierischer Milch hergestellt würde, dürfe die Bezeichnung Milch, Käse oder Butter tragen.

Auch bei anderen vegetarischen Produkten tobt der Streit. Bezeichnungen wie "Salami", "Wurst", "Schnitzel" oder "Frikadelle" sollen nur noch für Produkte verwendet werden dürfen, die Fleisch enthalten, wobei bei den Frikadellen vielfach die Vermutung besteht, sie seien vegetarisch (halb Brot, halb Brötchen).

Sind Milch, Joghurt, Butter, Quark oder Käse immer tierischen Ursprungs?

Pflanzliche Milchalternativen führen meist den Namenszusatz "-drink". Pflanzliche Käsealternativen haben oft Namen, die an Käse oder Cheese erinnern, wie etwa "Cheezly" oder "Cheddar Style" oder "Tofu Chäse". Das Unternehmen Provamel bezeichnet seine Quark-Alternative unverblümt als "Soja-Alternative zu Quark". Ob diese Bezeichnungen, die mehr oder weniger direkt die Anmutung eines Milchprodukts nutzen, legal sind, ist bislang eine rechtliche Grauzone.

Und so eindeutig ist der deutsche Sprachgebrauch bei den Produktnamen dann doch auch wieder nicht. Erdnussbutter wird in Deutschland inzwischen zwar meist unter dem Namen Peanut Butter auf den Markt gebracht, darf aber so bezeichnet werden. Soja-Milch wiederum ist nicht erlaubt und wird als Soja-Drink verkauft. Das gleiche gilt für entsprechende Produkte aus Hafer oder Reis. Bei Soja-Joghurt findet sich der Name Joghurt meist nur noch in der Zutatenliste. Er steht im Kühlregal jedoch direkt neben den tierischen Joghurt-Produkten in einer vergleichbaren Verpackung.

Dass Soja-Quark aus Soja-Milch erzeugt wird, ist kein Geheimnis - und der Soja-Quark darf in Deutschland offensichtlich auch unter diesem Namen verkauft werden. Verkauft werden darf auch Kokosmilch, die sicherlich nicht auf ein Eutersekret zurückgeht. Auch Latex-Milch darf in Deutschland verkauft werden. Die Latex-Milch dürfte das Überleben ihres Namens in Deutschland in erster Linie der Tatsache verdanken, dass sie bei der Sichtung des Angebots im deutschen Lebensmittelhandels nicht auffindbar war. Latex-Milch wird üblicherweise über Baumärkte und andere Bastelgeschäfte vertrieben, und dürfte zumeist als Grundlage für die Produktion von Halloween-Masken bekannt sein.

Wo steht der Streit zwischen den Produzenten tierischer und pflanzlicher Lebensmittel?

Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Trier hat am 24. März 2016 entschieden, dass Tofutown seine pflanzlichen Produkte nicht mehr unter der Bezeichnung "Käse" oder unter dem englischen Wort "Cheese" vermarkten darf. Das Gericht beruft sich in seinem Urteil auf europäisches Recht.

Hier werden auch landesspezifische Ausnahmen für die Namensgebung bei nicht tierischen Produkten aufgeführt. So dürfen Erzeugnisse, deren Art aufgrund ihrer traditionellen Verwendung genau bekannt ist, und/oder wenn die Bezeichnungen eindeutig zur Beschreibung einer charakteristischen Eigenschaft des Erzeugnisses verwandt werden, die Namen nutzen, die sonst tierischen Produkten vorbehalten sind. Dazu gibt es Listen von Produkten, die in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten immer schon so genannt wurden. Ein Beispiel ist die Mandelmilch (latte di mandorla) in Italien.

Während der Deutsche Bauernverband sich über das Urteil gegen vegane Trittbrettfahrer erfreut zeigt und auch für Fleisch- und Wurstprodukte einen vergleichbaren Bezeichnungsschutz mit einer eindeutigen Bekenntnis zum Original fordert, hat sich Tofutown in der Folge entschlossen, gegen die dem Urteil des Landgerichts Trier zugrundeliegende einstweilige Verfügung Rechtsmittel einzulegen.

Das Landgericht (LG) Trier hat inzwischen das entsprechende Gerichtsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) drei Fragen zum Verständnis der EU-Verordnung in einem sogenannten Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt. Die Fragen lauten sinngemäß:

- Darf man vegane Produkte als Milch, Butter, Käse & Co. bezeichnen, wenn man durch Zusätze wie "Tofu, Veggie, Soja" klarstellt, dass es sich nicht um tierische Milch handelt?

- Darf "Milch" wirklich nur eine Flüssigkeit bezeichnen, die aus dem Euter eines Tieres gewonnen wurde oder darf man diesen Namen auf pflanzlichen Produkten geben, wenn man erläuternde Begriffe wie "Soja" hinzufügt?

- Dürfen wirklich nur solche Produkte als "Molke, Rahm, Butter, Buttermilch, Käse, Joghurt oder Sahne" bezeichnet werden, die aus tierischer Milch hergestellt wurden oder auch solche, die aus pflanzlicher Milch hergestellt wurden?

Eine Entscheidung des EuGH zugunsten veganer Milch-Alternativen hätte die Folge, dass Hersteller in ganz Europa ihr Produkte so nennen dürften, auch wenn anstehende Entscheidung direkt nur die beteiligten Parteien des Verfahrens betrifft. Die Antwort des EuGH wird für den 14. Juni erwartet.