Das böse Soja und die guten Menschen

Alle Bilder: Screenshots Trailer "Raising Resistance" / Pandora Filmverleih

Giftgaswolken in der Pampa, Klassenkampf in Paraguay

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"Fleisch = böse, Soja = gut" - das wäre für viele eine schöne Gleichung. Passt aber nicht. Es geht damit los, dass Soja ebenso gut zur Tofuproduktion für die Bionade-Fraktion der deutschen Wohlstandsviertel - Prenzlauer Berg, Frankfurt Bockenheim, Münchner Gärtnerplatzviertel etc. - verwendet wird wie für das Füttern von Vieh für die Fleischproduktion. Der Dokumentarfilm Raising Resistance zeigt am Beispiel Paraguays, wie großflächiger Sojaanbau zunehmend die Existenz der einheimischen Landbewohner und Bauern bedroht.

Eindringlich schildert der Film den wachsenden Widerstand dieser Campesinos gegen die Dominanz landwirtschaftlicher Großkonzerne und den aggressiven Einsatz von Gentechnologie, der ihre Kinder erblinden und das Vieh sterben lässt. "Raising Resistance" porträtiert einige Kleinbauern vor Ort und beobachtet über Monate den sich langsam zuspitzenden sozialen und politischen Konflikt.

Wenn der paraguayische Kleinbauer Geronimo auf seinem Stück Land steht, sieht er bis zum Horizont nur Sojaplantagen. Jahr für Jahr werden diese Monokulturen größer.

Gentechnisch verändertes Soja wächst immer noch dort, wo kein Gras mehr wächst und auch sonst nichts - dort, wo Unkrautvernichtungsmittel und Schädlingsbekämpfer alle anderen Pflanzen längst vernichtet haben. Das Soja wächst, weil es als einziges immun wurde gegen das Gift, und vielleicht werden wir das dann ja auch irgendwann.

Gesundheit ist eine Frage der Windrichtung

Geronimo aber baut alles mögliche an, nur kein Soja. Klar, was mit seinen Feldern passiert. Das wachsende Soja und die Herbizide, Pestizide und Insektizide bedrohen die Existenz von Geronimo und der anderen Bauern, zu deren Feldern die Giftgaswolken herüberwehen.

Die Gesundheit ist für Menschen wie Geronimo und seine Familie also eine Frage der Windrichtung: Bei ungünstiger Witterung wehen Wolken von Pestiziden über die Felder des Kleinbauern aus Paraguay.

Die Regierung steht - links hin, marxistisch her - treu und fest auf Seiten der Übermächtigen, natürlich der Agrarindustrie. Die Bauern helfen sich selbst und suchen die direkte Konfrontation mit den Sojabaronen. Der Dokumentarfilm erzählt vom Kampf der Campesinos, der Kleinbauern Paraguays, gegen die sich immer aggressiver im Land ausbreitende Gen-Soja-Produktion und beschreibt anhand dieses Konfliktes die globalen Auswirkungen, die der Einsatz der neoliberalen Effizienzlehren und modernster Managementtechnik im 21. Jahrhundert auf Mensch und Natur hat.

"If business comes, business comes." An das zenbuddhistische Mantra der Management-Lehren kann man denken, wenn man die Konzerne in diesem Dokumentarfilm beobachtet. David Bernets neuestes Kinowerk, das er gemeinsam mit Bettina Borgfeld drehte, und das nach einer größeren Festivalkarriere und wichtigen Auszeichnungen nun in die deutschen Kinos kommt, bewegt sich scheinbar auf anderem Terrain als die bisherigen Arbeiten des in Berlin lebenden Schweizers, die sich vor allem mit Identitätsfragen beschäftigen.

Der Film führt vor Augen, dass die schlichten Gleichungen von Teilen der Gesundheitslobby viel zu einfach und billig sind. Es geht hier auch um übertriebene Reinheitsvorstellungen: Sauberes Essen, saubere Natur. Solche Absolutheiten stellt Bernet in seinen Filmen immer wieder infrage. Widerstand gegen solche Absolutheiten war auch in seinen früheren Filmen ein leitendes Motiv.

"Raising Resistance" zeigt die verschiedenen Perspektiven des Soja-Konfliktes auf, lässt die Zuschauer die Auseinandersetzungen vor Ort und den Kampf der Kleinbauern um ihre Existenz hautnah miterleben. Neben den Campesinos kommen weitere Betroffene und Beteiligte zu Wort, darunter brasilianische Soja-Großbauern, die zum Teil schon seit Jahrzehnten in Paraguay leben, Gentechniker, Investoren/Spekulanten und der vermeintlich linke Präsident Paraguays, Fernando Lugo.

Stilistisch ist "Raising Resistance" ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm mit Bildern, die für sich stehen und sich immer wieder Schönheit gestatten, über das Journalistisch-Illustrative weit hinaus gehen. "Ich lasse gern die Dinge sprechen. Ich suche nach szenischen Elementen. Aber das geht nicht immer - nicht jeder Film wird besser dadurch, dass man weglässt", so David Bernets.