Das einfache Konzept hinter Teslas "gigantischer Zukunft"
Wie es dem Konzern gelingt, ganze Staaten für sein Bereicherungsprogramm zu gewinnen. Und wie die Finanzbranche damit auf die Zukunft spekuliert (Teil 2 und Schluss)
Die Entwicklung eines exklusiven marktreifen neuen Gebrauchswerts, ein ausuferndes Geschäftsmodell drum herum und vor allem der Einsatz der maßgeblichen Staaten, den Umstieg auf klimafreundliche Mobilitätsprodukte verbindlich vorzuschreiben, sind der politökonomische Stoff, aus dem die "gigantische Zukunft" besteht, die Tesla allen Vermögensbesitzern und -verwaltern zum Kauf andient.
Seit seiner Gründung im Jahr 2004 hat Tesla als AG allen Investoren auch gar nichts anderes anzubieten als die Beteiligung an der Aussicht auf künftige Gewinne, denn die ersten 15 Jahre ist die Firma mit Produktion und Verkauf von Autos nicht profitabel.
Sporadisch ausgewiesene Gewinne entstammen den Kassen der etablierten Konzerne, die sich wegen der staatlich verhängten CO₂-Regime ihre Verschmutzungsrechte von Tesla kaufen, um weiterhin mit ihren fossil betriebenen Fahrzeugen ihre Geschäfte zu machen, sodass man mit einiger Berechtigung sagen kann, dass Teslas "eigentliches Produkt immer neue Zukunftsverheißungen waren".1
Tesla lebt und überlebt vom beständigen und wachsenden Zustrom weltweit vagabundierenden Geldkapitals, das in seinem Übermaß Risikoanlage sucht und in Tesla in steigender Masse findet: Periodisch vergrößert Musk Betriebsvermögen und Finanzkraft Teslas durch immer größere Neuemissionen von Aktien.
Die Nasdaq- bzw. Dow-Jones-Börsennotierung Teslas verallgemeinert diese Spekulation auf Tesla und fügt der spekulativen Geldgier das entscheidende Moment hinzu: Der öffentliche Handel mit Tesla-Aktien weist einen ewig steigenden Aktienkurs aus und die Investoren können in den täglich veröffentlichten Börsenberichten ihrem in Tesla-Aktien angelegten Geldvermögen beim Wachsen zusehen.
Das lockt weitere Spekulanten mit ihrem Bedürfnis nach wachsender Masse von Anlage in Form von Tesla-Aktien an, dem das Unternehmen gerne Rechnung trägt und Aktien neu emittiert, deren gewachsene Masse wieder im Kurs steigt, usw. usf.
Diese Selbstbezüglichkeit des finanzkapitalistischen Spekulationszirkels hat den Zweifel am Gelingen als ständigen Begleiter im Gepäck und fordert vom Unternehmen und seinem Führer Daten und Verheißungen, die den Zweifel erschlagen bzw. das wachsende spekulative Interesse an Tesla-Wertpapieren nähren.
Elon Musk und seine Tesla-Propaganda verstehen sich auf die schöne Kunst, dieses spekulative Interesse anzufüttern und bei der Stange zu halten: In jährlich stattfindenden "Battery days" und anderen "Events" sowie täglichen Unternehmensmeldungen werden öffentlich Haltbarkeit und Ausbau des technologischen Vorsprungs von Tesla (im Bau der elektrischen Energiespeicher oder der wachsenden Fähigkeiten des "Autopiloten") als Garantie wachsenden zukünftigen Geschäfts ins Bild gesetzt.
Großspurigkeit in Sachen Ankündigung neuer Modelle über Jahre im Voraus, Anstieg der Produktionsziffern und der technischen Leistungsfähigkeit der Autos gehören zu diesem soliden Handwerk genauso wie die Selbstinszenierung Musks als Avatar eines unschlagbaren Angebots an das globale Geldkapital.
Musk präsentiert sich auf der einen Seite als rastloser, alle Grenzen des Denk- und Machbaren überschreitender Visionär, der stets aufs Neue exotische Zukunftsprojekte von der Mars-Besiedelung über Hyperloop bis zur künstlichen Intelligenz aus der Taufe hebt.
Auf der anderen Seite hat Musk ausweislich seines gewaltigen Privatvermögens hinreichend bewiesen, dass er zugleich die sympathische Erfolgsfigur verkörpert, die kraft ihrer marktwirtschaftlichen Grundqualifikationen aus allem Geld macht.
Er verklickert der Menschheit erfolgreich, welche marktwirtschaftlichen Bedürfnisse sie demnächst haben wird, um deren Befriedigung zum Stoff seiner privaten Bereicherung zu machen, indem er seine Visionen zum begehrten Objekt der finanzkapitalistischen Spekulation macht. Die verschafft Musk das nötige Kapital, um die Menschheit mit seinen Visionen zu beglücken, diese also in den Status wirklicher Geschäftemacherei zu überführen.2
Musks Unternehmen Tesla schrammt zwar einige Male an der Pleite vorbei, nämlich immer dann, wenn die Spekulation ihrem Zweifel am Gelingen des spekulativen Zirkels Rechnung trägt und der ständig notwendige Geldzustrom kurzzeitig versiegt.
Insgesamt aber katapultieren die Investoren in ihrer spekulativen "Logik" Tesla zum wertvollsten Autohersteller der Welt, der mit einem Börsenwert von einer Billion US-Dollar so viel wert ist wie alle Konkurrenten zusammen, und verleihen der Geschäftsidee eine kapitalistische Realität: Tesla erschließt sich mit dieser Glanzleistung des US-Kapitalmarkts eine quasi unerschöpfliche Finanzkraft, um Produktion und Vermarktung seiner Waren erfolgreich voranzutreiben.3
Das Engagement des Finanzkapitals, das ausweislich des Aktienkurses Tesla so bewertet, als hätte es schon alle Konkurrenten auf diesem Markt besiegt, gibt damit aber auch den unbedingt zu erfüllenden Erfolgsmaßstab für Tesla vor: Ein permanentes Wachstum seiner Geschäfte mit den Gigafactorys ist erforderlich – ausreichend, um die positive Rechnung der Finanzkapitalisten auf die weitere Wertsteigerung ihrer Engagements zu untermauern und damit den spekulativen Zuspruch in Gang zu halten, auf den Tesla angewiesen ist.
Der unternehmerische Kampf um rentable Produktion von E-Autos
Herzlich willkommen in der Hölle der Produktion!
Elon Musk, in: Insane Mode, S. 291
Eines, das sollte man in dem Zusammenhang vielleicht noch erwähnen, hat für Elon Musk damit schon mal funktioniert: Mit der ausufernden Spekulation auf sein Unternehmen, dessen größter Einzelaktionär er ist, ist er deren größter Profiteur und einer der vermögendsten Menschen der Welt geworden – fast ohne Ausbeutung lebendiger Arbeit in Fabrik und Büro.
Für den Mann mit seiner unternehmerischen Mission steht aber noch an, mit den Finanzmitteln, die ihm die Investoren spendieren, einen weltweit agierenden Produktionsapparat in "Tesla Speed" zu schmieden, der in seiner Größe die entscheidende Qualität hat, die aufstrebende Konkurrenz in Sachen E-Auto am Markt zu besiegen.
Denn der monopolistische Vorsprung, den Tesla in Produkt und Produktionsverfahren bei Batterien, Antriebssteuerung und IT-Architektur hat, und der Verkauf von CO₂-Zertifikaten, seine bisherige Profitquelle, haben ein Verfallsdatum: Die Auto-Multis beschleunigen selber ihre "Transformation" und schmieden ihre Erfolgsmittel mit der Macht ihrer Kapitalgröße.
Tesla muss sein technologisches Monopol so schnell und umfassend ausnützen, dass es E-Autos in einer Größenordnung produziert, die Rentabilität herstellt und entscheidende Marktanteile besetzt, bevor die Konkurrenz nachzieht und flächendeckend den Markt mit ihren Waren überschwemmt.
Dafür setzt Tesla seine Finanzmacht ein: die Ausweitung der Produktion auf eine Größe, die in keinem Verhältnis zur bisherigen Betriebsgröße steht, sondern die Behauptung auf den Weltmärkten gegen die Konkurrenten, also den kapitalistischen Markterfolg unterstellt, der mit der anvisierten Erweiterung erst herzustellen ist.
Tesla plant und organisiert eine Vervielfachung der Jahresproduktion von ein paar Hunderttausend auf mehrere Millionen E-Autos binnen weniger Jahre durch die simultane Errichtung von Gigafactorys auf den entscheidenden Erdteilen. Darin bedient sich Tesla jenseits der staatlichen Förderungen all der Errungenschaften, die der moderne Weltkapitalismus dafür hergibt:
- Tesla bedient sich der erforderlichen geistigen Potenzen und wirbt im Dorado der Digitalisierungskonzerne Silicon Valley vor allem IT-Ingenieure an und ab.
- Mit der Aussicht darauf, den Markt der absoluten Schlüsseltechnologie für die E-Mobilität – Bau und Evolution der Fahrzeugbatterien – von Anfang an zu beherrschen, legt das kalifornische Start-up den globalen Multi Panasonic auf ein Bündnis mit sich fest, von dem die Konkurrenz ausgeschlossen ist, sodass Tesla mit der Gigafactory 1 exklusiv und schlagartig den "Bottleneck" überwindet und Batterien in Massenproduktion, also Gigawattstunden-Kapazität, produziert.
- Tesla-Ingenieure explorieren ganze Staaten (DR Kongo, Indonesien) neu auf ihre Tauglichkeit, sie mit ihren Rohstoffen in Teslas Lieferketten einzuspannen, damit das Unternehmen langfristig-strategisch über die Schlüsselrohstoffe zu lohnenden Preisen für die Herstellung von Batterie und Antriebsstrang verfügt – ein neues grünes Kapitel, das da aufgeschlagen wird, in dem alten Elend, dass ganze Weltregionen inklusive ihrer Bevölkerung auf die schäbige Rolle festgenagelt sind, Kapitale mit Rohstoffen zu versorgen.
- Für die Verfügung über die notwendigen Potenzen eines rentablen Produktionsprozesses für Automobile und Solarenergie mit dementsprechender Arbeitsproduktivität eignet sich Tesla kraft seiner Finanzmacht nicht nur fremdes produktives Eigentum an (den deutschen Anlagenbauer Grohmann; das US-Solarunternehmen SolarCity). Längst macht sich Tesla daran, in seinen Montagehallen die Maßstäbe der Konkurrenz in Sachen Ersparnis von bezahlter Arbeit durch produktivere Maschinerie selber zu setzen und voranzutreiben.4
Für die Bedienung dieses schnellstmöglich zu errichtenden und vor allem auch schnellstmöglich auszunutzenden globalen Produktionsarrangements organisiert Elon Musk in seinem 17-stündigen Arbeitstag ein Heer von Arbeitskräften – womit klar ist, für wen und wofür die Produktion von grünen Autos zur "Hölle" wird.
Tesla macht die Belegschaften konsequent als Manövriermasse für die Einlösung der unternehmerischen Vorgabe haftbar, eine explodierende Produktion in konkurrenzfähiger Qualität abzuliefern.
Dafür duldet Tesla im Umgang mit der Arbeitskraft keinerlei Rücksichten oder Schranken, seien sie gewerkschaftlicher, tariflicher oder staatlicher Natur. 5 Tesla macht Ernst mit der totalen Hoheit über die Arbeitskraft und verbittet sich in seinen Montagewerken jegliche Art von Mitsprache der Belegschaften (Betriebsräte), ver- und behindert erfolgreich jede kollektive Interessenvertretung (aktive Gewerkschaften) und kann auf der Grundlage, dass jeder Beschäftigte auf sich in seiner Ohnmacht zurückgeworfen ist, in aller Freiheit die Eckdaten in Sachen Lohn und Leistung verfügen.
Die Arbeitszeiten werden unter regelmäßiger Missachtung staatlicher Vorschriften entgrenzt, wenn rund um die Uhr und überall in der Produktion nachgearbeitet und nachgebessert werden muss, damit das Wachstum der Produktion in den vorgegebenen Zeiten und Raten zustande kommt; mit dem Monatsgehalt sind alle Ansprüche abgegolten, egal wie lange für die Erfüllung der geforderten Produktionsziele gearbeitet wird; und in der Lohnhöhe beansprucht Tesla für sich Tarifhoheit, ignoriert also kollektiv ausgehandelte Tariflöhne.
Das ist der Gehalt der öffentlichen Ansprache Elon Musks an alle Tesla-Beschäftigten, dass sie die großartige Chance haben, an einer "Mission" teilzuhaben, die das Pochen auf kleinkarierten Regelungen wie 40-Stunden-Woche usw. nicht verträgt und nicht duldet.
Diese Teilhabe schließt darüber hinaus noch ein, dass Tesla Lohnteile in Aktienoptionen ausreicht, also als Kapitalvorschuss einbehält, und so auch an der Stelle die Beschäftigten für den Sieg in der Konkurrenz um das zukünftige Geschäft mit Automobilen in Haftung nimmt. So offen dieses Ergebnis ist, so eindeutig ist die Wirkung von "Tesla Speed" auf die Arbeitskraft: In den seit Jahren produzierenden Montagewerken in den USA verzeichnet Tesla Rekordwerte – im Verschleiß der Arbeitskraft, ablesbar an Krankheit, Fluktuation und Arbeitsunfällen.
Tesla in Brandenburg: Beispiel für "klimaneutrale Modernisierung"
Der deutsche Staat findet diesen kapitalistischen Aufbruch dermaßen attraktiv, dass er für seine Kooperationsformen mit dem Tesla-Kapital ein paar bemerkenswerte Updates in Sachen Erschließung staatlichen Territoriums für die Bedürfnisse kapitalistischen Wachstums entwickelt.
Genehmigung und Förderung der Gigafactory im brandenburgischen Grünheide durch die dortige rot-schwarz-grüne Koalition könnten in ihrer Art eine wegweisende Blaupause für eine Ampelregierung in Berlin sein, wenn dieses neue "Zentrum des Fortschritts" den gesamten deutschen Standort industriell modernisiert, d.h. auf digitale und klimaneutrale Erfolge des Kapitals trimmt.
Für die Gigafactory 46 weisen die staatlichen Behörden mit einem gewissen Mut zum Risiko dem Unternehmen ein mehrere hundert Hektar großes Waldgebiet östlich von Berlin zu, das flussaufwärts eines relevanten Wasserschutzgebiets liegt.
Das kann im Fall von industriellen Schadstoffeinträgen zwar betroffen sein, was aber für die Entschlossenheit der staatlichen Behörden, den Bedürfnissen des Unternehmens in jeder Hinsicht Rechnung zu tragen, kein Einwand sein darf: Tesla verlangt einen Standort in Randlage zur Metropolregion Berlin, der ihm neben modernem Großflughafen, schienen- und straßengebundener Verkehrsinfrastruktur den Zugriff sowohl auf höchstqualifizierte technologische Arbeitskraft inklusive der staatlichen Forschungsstellen wie auf williges, gewerkschaftsfreies Billigproletariat erlaubt.7
Die besondere Vorgabe Teslas ist Genehmigung und Errichtung in "Tesla Speed" aus oben genannten Gründen, weswegen das Unternehmen den deutschen Behörden ganz unbescheiden vorschlägt, "unverzüglich grundlegende Änderungen an Genehmigungs- und Raumordnungs- sowie Planungsgesetzen vorzunehmen" (SZ, 9.4.21).
Die Behörden können dieser privatkapitalistischen Anspruchshaltung auf unmittelbare Dienstbarkeit der staatlichen Bürokratie viel abgewinnen8 und machen die spezielle Tesla-Konkurrenzstrategie ausdrücklich zu ihrer Sache: In demonstrativer praktischer Selbstkritik umgeht die Landesregierung die rechtsstaatlichen Genehmigungsverfahren, erteilt 19 Vorabgenehmigungen für die Abholzung des Waldes und die Errichtung des Werks und befreit Tesla von staatlichen Arbeitszeitbeschränkungen.9
Damit werden staatlich gewollt Fakten geschaffen, an denen sich die Bedenken des Wasserwirtschaftsamts bzgl. Wasserbedarf und -sicherheit und Hunderte von Einsprüchen von lokalen Bürgerinitiativen ganz praktisch blamieren. Während der Bautätigkeit werden sie formvollendet ins Justizsystem eingespeist und Zug um Zug von den Justizbehörden abgeräumt.10
Das zweite Update betrifft die staatliche Kooperation bei der Attraktion von Arbeitskraft für das Unternehmen: Die brandenburgische Arbeitsagentur richtet Büros auf dem Werksgelände ein und versteht sich als verlängerter Arm von Tesla in der grenzüberschreitenden Rekrutierung mittelosteuropäischer Billigarbeitskraft. Auch eine Art, die Verhältnisse von Lohn und Leistung, wie sie Tesla als großindustriellen Normalfall am deutschen Standort etabliert, als staatlich erwünscht ins Recht zu setzen.