Das erhabene Spektakel der Atomtests

Hardtake 1, 1958, Eniwetok-Atoll

US-Wissenschaftler haben Videos von den oberirdischen Atomwaffentests der USA aus den Jahren 1945 bis 1962 deklassifiziert und eine "Playlist" veröffentlicht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Konflikt mit Nordkorea herrscht die Angst, es könne zu einer nuklearen Auseinandersetzung kommen. Das Säbelrasseln und Waffen-Vorführen ist zwar ein übliches Macho-Gehabe zwischen Staaten, wenn sie aber von unberechenbaren Menschen wie Donald Trump oder Kim Jong-un geleitet werden, bleibt die Unsicherheit groß, dass einmal eine schnelle Entscheidung eine Entwicklung auslöst.

Operation Plumbbob, 1957.Nevada Test Site

So ist womöglich damit zu rechnen, dass Nordkorea wieder einen provozierenden Atomwaffentest ausführt. Es wäre der bislang sechste. Ob das Regime über einsatzfähige Atomwaffen verfügt, ist allerdings weiterhin eine Frage der Spekulation. Nordkorea macht alles, damit es so scheint, zumal das Regime - ein Teil der "Achse des Bösen" von George W. Bush - gelernt hat, dass einzig Atomwaffen vor Regime Change schützen.

Nordkorea führte seine Atomwaffentests unterirdisch durch. Im Kalten Krieg haben die USA und die Sowjetunion zahlreiche Tests durchgeführt. Während Russland mehr als 700 Tests durchführte, zündeten die USA über 1000 Mal eine Bombe, davon 200 Mal oberirdisch. Auch Frankreich war mit fast 200 Atomwaffentests dabei, China und Großbritannien führten jeweils 45 Tests durch.

Anfang der 1960er Jahre beendeten die Sowjetunion, die USA und Großbritannien mit dem 1963 in Kraft getretenen Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser atmosphärische Tests wegen der weltweit hohen radioaktiven Belastung, aber testeten weiter unterirdisch. Frankreich führte den letzten oberirdischen Test 1974 durch, China noch 1980. Bei den Atomtests wurden zu Beginn noch Menschen als Versuchskaninchen verwendet, die beispielsweise dem tödlichen ästhetischen Spektakel zuschauen durften (Die Toten der Atomwaffentests des Kalten Kriegs).

Operation Teapot, 1955, der Nevada Test Site

Zwar wurde 1996 der Kernwaffenteststopp-Vertrag (CTBT) ausgehandelt, der jeden Atomwaffentest verbieten würde. Er tritt in Kraft, wenn er von allen Kerntechnik-Staaten ratifiziert wurde (Status). Indien, Pakistan und Nordkorea haben ihn noch nicht einmal unterschrieben, Ägypten, China, Iran, Israel und die USA noch nicht ratifiziert, Russland ratifizierte ihn im Jahr 2000. Die USA und China wollen sich damit offenhalten, weiter Atomwaffentests ausführen zu können, obgleich sie als Atomstaaten mit einem festen Sitz im UN-Sicherheitsrat verpflichtet wären, die Abschaffung der Atomwaffen herbeizuführen. Die USA und Russland modernisieren ihre Atomwaffen.

Wissenschaftler des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) haben unter der Leitung des Atomwaffenwissenschaftler Greg Spriggs jetzt Filmaufnahmen der von den USA zwischen 1945 und 1962 durchgeführten 210 oberirdischen Atomtests ausgegraben und veröffentlicht. Insgesamt gebe es um die 10.000 Filme, einzelne Tests wurden mit mehreren Kameras aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen.

"Unglaublich, wie viel Energie freigesetzt wurde"

Fünf Jahre lang hatten die Wissenschaftler im ganzen Land die Filme, die sich wegen ihres Alters und der Aufbewahrung teils im Auflösungsstadium befinden, gesammelt, analysiert und aus der Geheimhaltung geholt, um die Bilder zu retten.

Operation Teapot, 1955, der Nevada Test Site

Dabei ging es freilich nicht nur um die Bewahrung der historischen Aufnahmen, sondern auch darum, den Atomwissenschaftlern in dem Zeitalter nach den Tests bessere Daten zur Verfügung zu stellen, um sicherzustellen, dass die ebenfalls alternden Atomwaffen sicher, aber auch einsatzfähig bleiben, wie es beim LLNL heißt. Dort wurden Atomwaffen entwickelt, das Labor ist auch weiter mit der Rüstungs- und Waffenforschung beschäftigt.

Hardtake 1, 1958, Eniwetok-Atoll

Spriggs erklärt, er wolle mit seiner Arbeit verhindern, dass Atomwaffen zum Einsatz kommen. Deswegen sei es entscheidend, dass die vorhandenen als Abschreckung einsatzbereit seien. Das ist die Logik der Abschreckung und des Wettrüstens aus dem Kalten Krieg. Es sei "unglaublich, wie viel Energie freigesetzt wurde", sagt Spriggs. "Wenn wir die Geschichte festhalten und zeigen, welche Kraft diese Waffen haben und welche Zerstörung sie verursachen können, dann werden die Menschen vielleicht zögern, sie zu gebrauchen." Allerdings weiß man seit Hiroshima und Nagasaki, als die Amerikaner die bislang ersten und einzigen Atomwaffen als Massenvernichtungswaffen einsetzten, welche Wirkung diese haben.

Operation Dominic-Harlem, 1962, Kiritimati

Die Wissenschaftler fanden von 10000 vermuteten Filmen 6500, 4200 wurde gescannt und 750 deklassifiziert. Jetzt kann man eine Auswahl auf YouTube anschauen. Um die restlichen Filme zu scannen und auszuwerten, was auch bedeutet, die richtige Geschwindigkeit der Filme zu erkennen, um daraus Aufschlüsse über die Explosion ziehen zu können, wären weitere 2 Jahre notwendig. Die Geschwindigkeit war bei jeder Kamera verschieden, es wurden um die 2400 Bilder pro Sekunde gemacht. Die Wissenschaftler entwickelten extra eine Software, um die exakte Geschwindigkeit zu ermitteln.