"Das größte europäische Rüstungsprojekt überhaupt"

Seite 2: In deutsch-französischer Hand

Bereits kurz nachdem die Konzeptstudie auf den Weg gebracht wurde, trat Spanien im Februar 2019 zwar offiziell dem Programm bei, hatte aber faktisch kaum etwas zu sagen. Recht humorlos beschrieben die Regierungsberater der Stiftung Wissenschaft und Politik die spanische Rolle als Juniorpartner mit folgenden Worten:

Deutschland und Frankreich spielen in den Entwicklungsfeldern die Schlüsselrollen; Spanien ist dieser Organisation spät beigetreten. Möglichkeiten der Beteiligung für spanische Unternehmen ergeben sich zum einen aus noch entstehenden Lücken, die sinnvoll zu besetzen sind, zum anderen aus industriepolitischen Interessen.

Regierungsberater der Stiftung Wissenschaft und Politik

Und so kommt es auch, dass die wesentlichen Entscheidungen über die Architektur des Systems wie auch über die involvierten Unternehmen in Paris und Berlin getroffen wurden. Deshalb müssen sich spanische Unternehmen wie von der "Stiftung Wissenschaft und Politik" bereits angedeutet, auch mit den Bröseln begnügen, die bei dem Projekt abfallen.

Dabei sollen der Kampfjet und die Triebwerke unter französischer Führung stehen (Dassault bzw. Safran), während für Deutschland die Drohnen und die Combat Clowd abfallen (beides Airbus Defence & Space). Für spanische Unternehmen bleiben Sensorik und Tarnung (Indra Sistemas und Airbus Esp).

In der nun anstehenden Projektphase 1B soll Spanien nun weiter integriert und auch zusätzliche Partner ins FCAS-Boot geholt werden. Ob der Andrang allerdings allzu groß sein wird, solange Paris und Berlin darauf beharren, alle Zügel, Profite und Zugriffsmöglichkeiten so weit als möglich in der Hand zu behalten, dürfte fraglich sein.

Tempest-Konkurrenz

Nicht wenige Länder sind nicht sonderlich erfreut über die deutsch-französischen Versuche, wesentliche Pflöcke für die künftige europäische rüstungsindustrielle Landschaft im Alleingang einschlagen zu wollen. So kritisierte Alessandro Marrone von der italienischen Denkfabrik IAI das FCAS-Gebaren der beiden Länder mit folgenden Worten:

Die aktuelle Trennung zeugt davon, dass Paris der Auffassung ist, es könne eine strategische Industriepolitik im Rüstungssektor bilateral mit Berlin betreiben. Aber dies wird dann wiederum nicht zu einer wirklichen europäischen Zusammenarbeit führen, weil andere wichtige Länder wie Italien und Schweden bessere Alternativen finden können.

Alessandro Marrone

Die hier angedeutete Alternativ existiert natürlich bereits: der britische "Tempest" ("Sturm"). Für dessen Entwicklung begann sich zuerst Italien zu interessieren, dann sprang auch Schweden mit auf, so dass die drei Länder Ende vergangenen Jahres eine Gemeinsame Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) zum Bau des Kampfjets unterzeichneten.

Der Tempest hat sich mehr und mehr zu einer ernsten Konkurrenz für das FCAS gemausert, denn die Realisierung zweier so kostspieliger Großprojekte erhöht das ohnehin beachtliche Risiko und die Entwicklungskosten für die einzelnen Akteure noch einmal deutlich. Immer wieder wird deshalb ein Zusammengehen von Tempest und FCAS gefordert, dabei wird aber viel davon abhängen, inwieweit Deutschland und Frankreich bereit sein werden, Einfluss und Profite des Projektes unter den Interessenten aufzuteilen. Bislang scheint die Motivation dazu noch vergleichsweise begrenzt zu sein.

Auch von anderen Seiten droht dem FCAS ungemacht: Einmal sind sich zwar Deutschland und Frankreich völlig darüber einig, dass sie beide das größte Stuck vom Kuchen haben sollen. Dann enden aber die Gemeinsamkeiten schnell und gehen immer wieder in ein Hauen und Stechen um die jeweiligen konkreten Anteile über. Auch andere Fragen, insbesondere was mögliche Exporte des Systems anbelangt und wie in Deutschland die Debatte über Kampfdrohnen weiterverlaufen wird, haben durchaus Sprengkraft für das Projekt.

Unabhängig davon, dass es aktuell noch völlig offen ist, ob es gelingen wird, weitere Partner ins FCAS-Boot zu holen oder dass ersichtlich wäre, wie man sich die Tempest-Konkurrenz vom Hals schaffen will, ist davon auszugehen, dass alles daran gesetzt werden dürfte, um zumindest die deutsch-französischen Streitpunkte aus dem Weg zu räumen. Schließlich gilt das Projekt, in den Worten der Stiftung Wissenschaft und Politik, als "too big to fail".

Dass die politische Seite jedenfalls bereits ist, eine beträchtliche Kreativität an den Tag zu legen, um dem Projekt Rückenwind zu verleihen, verdeutlichte Reinhard Brandl bei der BDLV-Tagung Ende Januar.

Outsourcing der Rüstungskosten?

Rund 8 Mrd. Euro sollen im nächsten EU-Haushalt 2021 bis 2027 über den "Europäischen Verteidigungsfonds" (EVF) für die Erforschung und Entwicklung von Rüstungsgütern ausgegeben werden. Auch das FCAS dürfte Gelder aus diesem Budget erhalten. Aus rechtlichen Gründen ordnet die EU-Kommission den EVF aber nicht dem Verteidigungsbereich, sondern der Industriepolitik zu.

Das ist zwar immer noch ein eigentlich illegaler Taschenspielertick, wie auch in einem ausführlichen Rechtsgutachten bestätigt wurde, doch um den zu entlarven, bräuchte es erst einmal ein Gericht, das die Kommission dementsprechend aburteilt.

Dennoch treibt die "Sicherheitscommunity" die Sorge um, coronabedingt könnte es zu Einschnitten im Verteidigungshaushalt und damit auch zu Engpässen bei den Budgets für geplante Großprojekte wie das FCAS kommen. Angedeutet wurde dies bereits Anfang des Jahres von Generalinspekteur Eberhard Zorn (siehe Corona-Krise: Weniger Geld für Militärausgaben?). Auch beim rüstungsnahen Behördenspiegel wird diese Sorge geteilt:

Die Pandemiefolgen werden in allen Ressorts Begehrlichkeiten wecken. Zumindest in der Vergangenheit hat sich häufig gezeigt, dass bei ‚Haushaltsschlachten‘ gerade das BMVg nicht immer über die stärksten Bataillone verfügte. […] Insbesondere große multinationale Beschaffungsvorhaben wie FCAS und MGCA werden sicher finanziell und zeitlich gestreckt werden müssen.

Behördenspiegel

Vor diesem Hintergrund dürfte das Vorgehen der EU-Kommission in Sachen Verteidigungsfonds den CSU-Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl zu seinen Äußerungen auf der BDLV-Tagung inspiriert haben. Ihn treibt ebenfalls die Sorge um, die Kosten für das FCAS könnten solche Dimensionen annehmen, dass das Verteidigungsministerium Probleme mit der Finanzierung bekommen könnte.

Und um dies unter allen Umständen zu verhindern, schlug er auf der BDLV-Tagung allen Ernstes vor, die Entwicklungskosten aus dem Budget der Bundeswehr herauszulösen - er gab zwar nicht an, welche Ressorts seiner Ansicht nach für das Rüstungsprojekt bezahlen sollen, Kandidaten wären aber Wirtschaft oder Forschung:

FCAS ist nicht eines unter vielen Rüstungsprojekten, sondern es ist das strategische Projekt im Bereich der militärischen Luftfahrt. Und ob wir in diesem Bereich in Zukunft auch eine europäische Souveränität gewährleisten können, entscheidet sich auch daran, ob dieses Projekt zum Erfolg führt und ob es gelingt, auch Deutschland und Frankreich in diesem Projekt erfolgreich zusammenzuspannen.

Wenn wir es zum Erfolg führen wollen, dann müssen wir es auch politisch so behandeln […]. Wir geben im Moment die Situation […], dass das FCAS auch im Haushalt als Projekt der Bundeswehr abgebildet ist. Bis FCAS aber einen militärischen Nutzen erzielt, wird es noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte hinweg dauern.

Bis dahin sind viele Milliarden Euro an Forschung und Entwicklung notwendig und für mich wäre es wichtig, dieses Projekt jetzt einmal aus der reinen Finanzierungsverantwortung der Bundeswehr herauszunehmen und die ganzen Forschungs- und Entwicklungsausgaben über einen anderen Topf zu finanzieren, damit das nicht zu einer Situation kommt, dass die FCAS-Milliarden in Forschung und Entwicklung zu Verdrängungseffekten in den Streitkräften führt.

CSU-Bundestagsabgeordneter Reinhard Brandl