Das musizierende Feuerzeug
Apple bietet nun auch in Deutschland das volle Musik-Programm
Telepolis testete den ab 24. Juli auch in Deutschland erhältlichen Ipod Mini und den Itunes Online-Shop – diesmal klappte (fast) alles
Vor bald 20 Jahren finanzierte sich der Autor das Studium unter anderem mit Softwaretests für eine große Münchner PC-Zeitschrift. Das Rennen um die beste Textverarbeitung war in vollem Gange und der mit Entwicklertools wie dem berühmten Turbo-Pascal groß gewordene Softwarehersteller Borland/Heimsoeth war auf eine besonders schlaue Idee gekommen: Seine neue Textverarbeitung "Sprint" sollte sich von der Tastaturbelegung her auf damals gängige Programme wie den legendären Wordstar von Micropro oder Microsoft Word (für DOS, versteht sich) einstellen lassen, sodass niemand beim Umstieg auf das Borland-Produkt umlernen musste. Bei "Quattro Pro", das sich wie Lotus 1-2-3 bedienen ließ, hatte diese Taktik in jenen Tagen großen Erfolg.
Bei Borland Sprint klappte es dagegen nicht. Dabei hatte das in einer Vorab-Version zur Verfügung gestellte Programm noch ein weiteres innovatives Feature: Bei einem Absturz war nichts verloren, der Text war bis zum letzten Zeichen stets gespeichert. Das bietet bis heute keine Textverarbeitung. Nur: Sprint brauchte dieses Feature leider auch – es stürzte nämlich alle paar Minuten spontan ab und den Tester blickte nur noch auf ein einsames C:\>
Der Testbericht wurde dennoch geschrieben – wohlwollend, doch mit Erwähnung der mangelnden Programmstabilität der Beta-Version der neuen Software. Und damit war die Laufbahn bei dem betreffenden Blatt beendet: Man erklärte, das ginge so nicht, das sei unmöglich, ich könne ja gefälligst Probleme an Microsoft-Produkten kritisieren, aber doch bitte nicht bei Borland. So etwas habe man zu verschweigen, das wolle der Leser nicht wissen. Und Honorar gäbe es für so was natürlich auch nicht.
Sie haben von Borland Sprint nie gehört? Ja, so traurig es ist: Nicht nur die Vorab-Version war instabil, sondern auch die finale und Borland brachte den Sprinter deshalb nie an den Start. Ich schrieb trotzdem weiter über Borland, das nächste Mal bei der c’t. Nur noch Gutes, denn solch einen Patzer leistete sich das Softwareunternehmen nie mehr. Trotzdem erlebte die deutsche Vertretung Heimsoeth, damals als "nettestes Unternehmen Münchens" bekannt, viele Jahre vor Dotcomboom und -crash später einen Zusammenbruch. Ihr Gründer Fritz Heimsoeth zog sich aus der Computerei zurück, betrieb den Babalu-Club und legte in Münchens ältester Diskothek "Crash" an bestimmten Donnerstagen für seine Freunde Platten auf – das Gebäude, der Lindwurmhof an der Kreuzung Poccistraße./Lindwurmstraße, in dem einst Heimsoeth/Borland und früher auch das Crash residierte, gehörte ihm weiterhin.
"Geht nich" gibts ... doch
Bei Heise durfte man immer schon auch erwähnen, wenn mal etwas nicht funktioniert – und sich damit auf eigene Verantwortung bei den Lesern und den Herstellern unbeliebt machen, denn auch 20 Jahre später gilt: Kritik ist nur bei Microsoft erwünscht. Manche Firmen ziehen es daher vor, trotz eines guten Produkts lieber unbekannt zu bleiben, als bei einem Vergleichstest nur Nummer Drei zu werden oder an einen Redakteur zu geraten, der eine Funktion im Programm übersieht oder nicht schätzt. Ja, es wird sogar im Kleingedruckten, das bekanntlich weder Kunden noch Redakteure lesen, in § 1.3 mit 10.000 Euro Vertragsstrafe gedroht, falls es ein Autor ohne vorherige schriftliche Erlaubnis des Herstellers wagt, etwas über das Programm zu sagen. Wer das übersieht, ist schnell mal ein Jahresgehalt nach Steuern los.
Bei Apple sieht man das lockerer: Das Unternehmen läuft keine Gefahr, das Schicksal von Borland/Heimsoeth zu erleben – man hat seine größten Krisen bereits hinter sich. Deshalb trug Apple Deutschland das Test-Fiasko mit Fassung, bewies Mut und schickte den brandneuen Ipod Mini aus den USA zum Test vorbei.
Der "Mini" – keineswegs nur ein halber Ipod
Apple hat dabei trotz des großen Erfolgs des Normalmodells die geäußerten Kundenwünsche genau beachtet und einiges als Verbesserung beim "Mini" in die Praxis umgesetzt. So reichen dem typischen Benutzer für unterwegs durchaus bereits 4 GB Speicherkapazität für etwa 1000 Musiktitel gegenüber 15 bis 40 GB bei den aktuellen Normal-Ipod-Modellen, Stabilität und Kleinheit des Players sind ihm wichtiger.
Der "Mini" ist dabei gar nicht mal so viel kleiner und mit 104 statt 158 Gramm auch gar nicht so viel leichter als sein Vorgänger, doch dank eloxierter Alu-Hülle und einem Scrollrad, das zwar dieselbe Sensortechnik benutzt wie der große Bruder, doch sich nun auch mechanisch bewegt, um die restlichen Funktionen abzudecken, wirkt er deutlich eleganter – wie ein etwas größeres Nobelfeuerzeug.
Sichere Halterung in allen Lebenslagen
An das Problem, den Festplattenspieler beispielsweise beim Joggen daran zu hindern, auf den Boden zu fallen, was auch bei dank Puffer meist abgeschalteter Festplatte zu Schäden führen kann, wurde beim Ipod Mini mit einer kräftigen Halteklammer gedacht, mit dem man ihn in Hemden-, Jacken- und Hosentaschen festzwicken kann. Dies macht auch den Diebstahl geringfügig schwieriger. Wer ganz sicher sein will, kann sich auch das Joggingarmband für 29 Euro dazukaufen: Ist der Player so an den Unterarm geschnallt, dürfte er ausreichend vor Erschütterungen und auch Diebstahl geschützt sein. Nur zu sehr schwitzen sollte man dann nicht…
Beim Auspacken warnt die Schutzhülle "Bitte keine Musik stehlen", was jedoch diesmal nicht an Ipod-Diebe gerichtet ist, sondern daran erinnern soll, dass man das gute Stück doch bitte nicht mit Tauschbörsenfutter, sondern vorzugsweise mit Musik aus dem Itunes-Music-Store oder von regulär gekauften CDs bespielen soll.
Die Wahl: PC oder Mac
Während die Normal-Ipods in älteren Serien für Mac oder PC vorbestimmt waren, entscheidet sich das beim neuen Gerät beim Anstöpseln. Hierzu werden ein sechspoliges Firewire- und ein USB-2.0-Kabel mitgeliefert, wobei letzteres nur für den PC-Anschluss gedacht ist. Ein Adapter für vierpolige Mini-Firewire-Anschlüsse liegt nicht mehr bei. Der Hintergedanke: Über Mini-Firewire kann der Ipod nicht geladen werden und wer ein Gerät mit fast leerem Akku anstöpselt, riskiert ein Abschalten mitten in der Datenübertragung mit einem beschädigten Dateisystem als Folge. Firewire sechspolig und USB 2.0 laden dagegen aktiv nach und vermeiden dies. Als Zubehör kann ein Adapter von Firewire auf Mini-Firewire jedoch nachgekauft werden.
Steckt man den jungfräulichen Ipod Mini an einen Mac mit Firewire und Mac OS X Version 10.1.5 oder neuer oder an einen PC mit Windows 2000 oder XP an und hat zuvor auch die aktuelle Version von Apples "Itunes" installiert, so meldet sich nach der Installation der entsprechenden Treiber und einer kleinen Denkpause das Gerät zu Wort und bittet darum, zur Hardware (Mac oder PC) passend formatiert zu werden. Danach muss noch das Betriebssystem im Ipod neu geflasht werden – und das Gerät ist einsatzbereit.
Es ist allerdings damit auch klar, dass man die Apple-Spieler nicht in einer gemischten Hardwarelandschaft betreiben kann – PC-User mit Mac-Freunden oder umgekehrt müssen aufpassen: Zwar erkennt der Ipod mittlerweile den "falschen" Computer und bietet das Umformatieren an – aber danach ist natürlich alle gespeicherte Musik weg. Man muss sich also schon entscheiden, ob man lieber einen Mac-Ipod oder aber einen PC-Ipod haben will.
Nachdem der Ipod Mini sich auf den Computer seines neuen Besitzers akklimatisiert hat, überträgt er automatisch alle in der Software Itunes gespeicherten Musikstücke auf den Player. Aufpassen muss man allerdings, wenn man die Musik nicht auf der Platte hortet, sondern auf CD-ROMs oder anderen externen Speichern: Diese sind vor dem Anstecken des Ipod einzulegen.
Tatsächlich muss man immer eine (beliebige) CD im Laufwerk eingelegt haben, wenn man einmal ein Stück von CD eingespielt hat, weil Itunes nachschaut, ob zumindest einige der von CD gespielten Titel noch verfügbar sind und in einer nicht abbrechbaren Endlosschleife den Dienst verweigert, wenn das CD-Laufwerk mangels CD-ROM nicht bereit ist.
Allerdings kann man auch Kopien auf der Computer-Festplatte speichern und auf die von Apple bevorzugten Formate "Apple Lossless" und "MPEG4 AAC" umkodieren. "Apple Lossless" belegt ungefähr die Hälfte einer unkomprimierten WAV-Datei, ohne dabei wie MP3 Informationen, die das normale Ohr nicht hört, wegzulassen. Natürlich macht es nur Sinn, Original-CDs in diesem Format zu speichern – was einmal ein MP3 war, ist ja bereits herunterkomprimiert.
Angenehm am Ipod ist, dass er wie bei einer Bandkassette bei einem Stopp sich die Position merkt und bei einem neuen Start hier weiterspielt. Andere CD- und MP3-Spieler fangen entweder wieder ganz am Anfang an oder verlangen vor dem Stopp einen "Merkbefehl".
Neues Format: MPEG4 AAC DRM
MPEG4 AAC wiederum ist das Format, das Apples Itunes-Musikladen verwendet, ergänzt um ein DRM-Wasserzeichen, das zwar das Abspielen nicht beeinträchtigt, doch bei einer Weitergabe der Datei über ihre Herkunft Auskunft geben kann und die Zahl der Kopien einschränken soll: Mehr als fünf Rechner soll man mit einer auf Itunes gekauften Musikdatei nicht bestücken dürfen, doch das reicht in normalen Haushalten auch. Apples MPEG4 AAC ist dabei in der Default-Einstellung von Itunes (128K) für ein gegebenes Musikstück größer als ein typisches 128K-MP3, umkodieren von MP3 lohnt also nicht, zumal die Qualität ja nur sinken, aber nicht steigen kann und der Ipod das Originalformat ohne Probleme wiedergibt.
Der Ipod Mini wird ab dem 24. Juli nun auch in Deutschland bei Fachhändlern, Sexshops und dem Apple-eigenen Online-Shop für empfohlene 259 Euro erhältlich sein. Das klingt zwar nicht gerade nach einem Schnäppchen, doch liegt es 40 Euro unter dem ursprünglich geplanten Verkaufspreis, gut 100 Euro unter dem Verkaufspreis des kleinsten Ipod-Normalmodells und gleichauf mit – allerdings ein paar Gramm leichteren – Konkurrenten wie dem Creative Muvo 2 und dem Rio Nitrus. Man zahlt also keinen "In-Zuschlag" für den Apple-Player.
Nachdem vor knapp einem Monat Apples Online-Musikladen Itunes auch in Deutschland, Großbritannien und Frankreich eröffnet wurde, lag es nahe, diesen gleich mit auszuprobieren. Der Zugang ist in der gleichnamigen Apple-Software enthalten, die man für den Ipod installieren muss – über einen normalen Webbrowser ist der Shop nicht erreichbar. Das führt mitunter zu Verwirrung bei der Bedienung, beispielsweise wenn man sich ein Bookmark für ein interessantes Album setzen will, um es später noch einmal genauer anzusehen und feststellen muss, dass Itunes diese Funktion im Gegensatz zum Browser nicht bietet. Man kann sich aber ersatzweise eine "Empfehlungs-Mail" schicken.
Itunes: Musik online einkaufen – doch ohne Browser
Hat man sich an die gegenüber dem Browser manchmal etwas andere Reaktion des Apple-Shops gewöhnt, ist dieser jedoch gut bedienbar: Jeder Titel kann 30 Sekunden in guter Qualität – und ohne hinter einem stehende Schlange wie im Plattenladen – probegehört werden und mit einem Klick bei Gefallen sofort gekauft werden – meist für 99 Cent. Eine Kreditkarte ist allerdings Voraussetzung – und eine siebenstellige Telefonnummer, so verkündet die Registrierungsprozedur. Wessen Telefonnummer kürzer ist, der muss halt noch ein paar Ziffern dazuhängen. Ganze Alben kosten meist 9,99 Euro – billiger als der CD-Kauf, allerdings ist der Rohling und das Brennen der Scheibe noch hinzuzurechnen und das sonstige Beiwerk der richtigen Silberscheibe aus dem Plattenladen entfällt natürlich auch. Das "sofort haben können" wiegt diesen Nachteil aber auf und wer ohnehin nur auf dem Ipod hören will, braucht die Original-CD nicht.
Man kann allerdings leider nicht alles, was man im Itunes-Shop ansehen und anhören kann, auch wirklich kaufen: Das neueste Morrisey-Album gibt es beispielsweise momentan nur im US-Shop, aber nicht im deutschen und englischen Shop und Franz Ferdinand sucht man im deutschen Itunes-Shop ebenfalls vergeblich. Zwar kann man jederzeit auf die anderen Shops umschalten und diese durchstöbern, doch dort einkaufen kann man mit einer deutschen Kreditkarte nicht. Grund für diese Barrieren sind natürlich die Plattenfirmen, die ihre Rechte nur nach Ländern getrennt vergeben und derartige Anfragen auch nicht gerade eifrig beantworten. Von daher ist der deutsche Itunes-Shop in einem Monat bereits relativ weit gekommen. Die Gängeleien der Plattenfirmen bemerkt man nur, wenn mal einige Titel eines Albums nicht einzeln erwerbbar sind, sondern nur mit dem kompletten Album oder umgekehrt, wenn ein Album nur einzeln Titel für Titel, aber nicht komplett erworben werden kann.
Überraschend allerdings, den erklärten Gegner des Musikhörens am PC, Joachim Witt ("Ich würde auf die CDs zudem Programme einbinden, die das Betriebssystem sofort zerstören, sobald die CD in den Computer geschoben wird. Gnadenlos."), mit einigen seiner Alben im Itunes-Angebot zu finden: Entweder hat der Herr in den letzten beiden Jahren dazugelernt – oder er wurde nicht gefragt.
Als Identifikation für den Itunes-Music-Store dient – wie in den USA üblich – eine persönliche E-Mail-Adresse. Sollte einem diese abhanden kommen, so kann und sollte man den Musikladen allerdings auf eine andere E-Mail-Adresse umstellen, bevor der Account ebenfalls übernommen wird. Die Sicherheitsfrage ist dabei immerhin frei wählbar, eine Fremd-Übernahme somit erschwert.
Sehr erfreulich ist, dass sich die meisten Einkäufe auch als normale Audio-CD brennen lassen, die dann auch von CD-Datenbanken wie CDDB erkannt wird. Auch das Brennen als CD-ROM voller Apple-MPEG4-AAC-Dateien oder MP3-Dateien wählbarer Kompression ist in Itunes vorgesehen, allerdings ist das MP3-Format meist gesperrt. Apple sagt auch klar, dass das pro Einkauf maximal sieben Mal mögliche Brennen als Audio-CD ebenfalls als reine Gefälligkeit zu verstehen ist und gesperrt werden kann, falls die Plattenfirmen dies verlangen. Dann allerdings wären Itunes-Einkäufe nur noch auf Ipod und mit Itunes auf dem Computer abspielbar – andere Hardware wie CD- und MP3-Spieler bliebe außen vor. In der jetzigen Form ist der Itunes-Shop dagegen auch für Nicht-Ipod-Besitzer einen Besuch wert, sofern sie bereit sind, sich die notwendige kostenlose Apple-Software zu installieren.