Datenbank gegen Biopiraterie

Ein indisches Projekt versucht, traditionelles Wissen zu schützen, indem es in einer Datenbank zugänglich gemacht wird, so dass es von ausländischen Konzernen nicht mehr patentiert werden kann

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Frage, ob Tiere und Pflanzen patentierbar sind, sorgt weiter für Aufregung. In den Schlagzeilen landen spektakuläre Patente für die Onkomaus, das Chimärenwesen und ähnliche Erfindungen mit Frankenstein-Charakter. Doch auch Patente auf Verfahren und Produkte, die schon seit langer Zeit Kulturgut sind, werfen Probleme auf. Sie beziehen sich oft auf die unmittelbaren Lebensgrundlagen der Menschen und sind als Eigentum der Gemeinschaft nicht ohne weiteres patentierbar.

Heute ist die Regelung von Rechten geistigen Eigentums natürlich ein Thema, dessen sich die Welthandelsorganisation WTO annimmt, gelten doch immaterielle Güter als wesentlich für den postfordistischen Kapitalismus. Mit ihrem "Abkommen über handelsbezogene Aspekte geistigen Eigentums" ("trade-related aspects of intellectual property rights, kurz TRIPS) gibt die WTO die Richtung vor, in die sich die gesetzgebenden Mitgliedsstaaten bewegen sollen. In Article 27.1 heißt es:

"... ist vorzusehen, dass Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erhältlich sind, sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren, vorausgesetzt, dass sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. ... sind Patente erhältlich und können Patentrechte ausgeübt werden, ohne dass hinsichtlich des Ortes der Erfindung, des Gebiets der Technik oder danach, ob die Erzeugnisse eingeführt oder im Land hergestellt werden, diskriminiert werden darf."

Patentierung gilt als förderlich und notwendig für wissenschaftliche und technische Entwicklungen. Als Problem sehen dagegen viele Länder der südlichen Hemisphäre die Dominanz der führenden Industrienationen und multinationaler Konzerne bei der Vergabe von Patenten an. Diese Vorherrschaft wollen die Entwicklungsländer brechen, um ihre eigene wirtschaftliche Situation zu verbessern. Patente gelten hier als geeignetes Mittel, die eigenen Ansprüche geltend zu machen. In Indien wurde das Patentwesen 1856 von der East India Company entsprechend der englischen Gesetzgebung eingeführt und dann von der Kolonialregierung bis zum Patentgesetz von 1911 weiterentwickelt. Heute gelten dort Patentgesetze, die sich nach dem TRIPS-Abkommen richten, und nicht nur positiv bewertet werden. Die Peoples' Commission on Patent Laws for India stellte fest:

"Ein Patent bedeutet ein Monopol. Dieses Monopol ist bei Arzneimitteln, Energieversorgung, Erdöl-Chemie, Pflanzensamen und Mikroorganismen von besonderer Bedeutung. Es ist dazu angelegt, die bereits reichen multinationale Konzerne noch reicher zu machen und den südlichen Ländern ihren Schatz an Wissen zu rauben, ihre produktiven Kapazitäten, ja selbst die Menschen selbst."

Als besonders wichtig wird das "traditionelle Wissen" angesehen, das in jeder Kultur vorhanden ist. Im Gegensatz zu den industrialisierten Ländern, wo dieses Wissen großteils schon in Vergessenheit geraten ist, stellt das "traditionelle Wissen" in Ländern wie Indien eine Ressource dar, die indische Wissenschaftler und Politiker gerne auch wirtschaftlich nutzbar machen möchten. Ragunath A. Mashelkar, der Direktor des indischen Wissenschafts- und Industrierates (CSIR) nimmt die Rede von der Wissensgesellschaft ernst. Das überlieferte Wissen der indischen Kultur digital zu speichern, sieht er als ein probates Mittel im internationalen Wettbewerb:

"Nur die Staaten werden im nächsten Jahrtausend überleben, die Wissensgesellschaften aufbauen. Die anderen werden untergehen und vergessen werden. Wenn die indische Gesellschaft eine Wissensgesellschaft werden soll, muss jeder Inder ein Wissensarbeiter werden, egal ob es sich um einen Bauern handelt, eine Frau vom Land, einen Medienmenschen, einen Künstler und so weiter."

Die Diskussion um Patente ist stets von dem Problem geprägt, dass häufig nicht klar ist, was eigentlich patentiert werden darf. Im allgemeinen finden Juristen dann eine Lösung mit einer Formel der Art "Wenn die bereits zur Behandlung von A bekannte Substanz X sich als geeignet zur Behandlung von B herausstellt, ist diese Entdeckung dieser Eignung patentierbar". In jedem Fall ist der Neuigkeitscharakter eine Voraussetzung für Patentierbarkeit. Durch Formulierungen wie die obige wird versucht, diesem Charakter juristisch gerecht zu werden - und einiges offen gelassen. So konnte sich die Firma "Grace" schon einmal die Nutzung des indischen Neem-Baumes als Pflanzenschutzmittel patentieren lassen, obwohl dessen Verwendung schon jahrhundertelang in der indischen Kultur bekannt war. Nach heftigen Protesten und Unterschriftenaktionen revidierte das Europäische Patentamt später diese Entscheidung. Auch ein Patent auf die medizinische Nutzung von Kurkuma, einem Bestandteil des traditionellen Curry-Gewürzes, musste von der US-amerikanischen Patentbehörde wieder zurückgenommen werden, da auch diese Anwendung in Indien eine lange Tradition besitzt. Es gibt noch viele in den USA vergebene Patente auf Substanzen und Anwendungen, die aus der indischen Kultur stammen und gegen die sich Aktivisten mit dem Vorwurf der Biopiraterie wehren.

Um solche Fälle zu verhindern, wurde in Indien unter der Führung von Dr. Mashelkar ein Datenbank-Projekt entwickelt, in dem große Teile des traditionellen Wissens Indiens gespeichert werden soll. Dr. Mashelkar stellte dieses Projekt vor einige Tagen beim Treffen der American Association for the Advancement of Science in Boston vor. Das Ziel des Projektes ist, das traditionelle Wissen zu sammeln und öffentlich zugänglich zu machen, auch um zu verhindern, dass es von ausländischen Konzernen patentiert werden kann. Im Juni 2002 soll das Projekt abgeschlossen sein und Patentbehörden als Werkzeug zur Verfügung stehen. Mashelkar forderte Länder wie China und Indonesien auf, es Indien nachzumachen und selbst ähnliche Projekte ins Leben zu rufen. Neben der Anwendung auf Patentverfahren, soll die Datenbank auch für die Anwendung des Wissens nützlich sein.

Im echten Leben, besonders in den Entwicklungsländern, gibt es ein ganzes paralleles Wissenssystem, das von Menschen aufgebaut wurde, die im Labor des Lebens gearbeitet haben, beruhend auf Lebensweisheit und Erfahrung.

Dr Mashelkar, CSIR

Man sollte sich nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass Wissenschaftler wie Mashelkar Patenten - auch auf Leben - grundsätzlich positiv gegenüber stehen. Westliche Initiativen wie "Kein Patent auf Leben" oder Greenpeace könnten der indischen Forschergemeinschaft als Gegner gegenüberstehen, auch wenn sie im Neembaum-Fall noch ein gemeinsames Ziel vertraten. In vielen Entwicklungsländern werden Patente auf Leben und Gentechnologie nicht als Problem gesehen, sondern als Chance, sich aus der Vorherrschaft der westlichen Länder zu befreien.

"Es sollte betont werden, dass eine genaue Definition traditionellen Wissens nicht eine wesentliche Bedingung dafür ist, ein System für seinen Schutz aufzubauen. Tatsächlich definieren die meisten Patentgesetze Erfindungen nicht. Genausowenig, wie die meisten Markenschutzgesetze nicht definieren, was als Zeichen gilt. Der wesentliche Punkt für den Schutz eines beliebigen Gegenstandes ist, dass man einige Kriterien dafür aufstellen kann, die erfüllt sein müssen, damit der Schutz zustande kommt - wie beispielsweise der Neuhheit oder der gewerblichen Verwertbarkeit bei Erfindungen oder Besonderheit beim Schutz einer Marke. Dasselbe Kriterium könnte auch auf traditionelles Wissen angewandt werden." (WIPO International Forum on Intellectual Property and Traditional Knowledge: Our Identity, Our Future)