Debatten: Wovon Whataboutism ablenkt

Eine rhetorische Allzweckwaffe und ihr Einsatz in Diskussionen über Assange oder den Ukraine-Krieg. Warum das in polarisierten Meinungsstreits so beliebte Totschlagargument hochproblematisch ist.

Der Begriff "Whataboutism" wurde wieder populär, als der Journalist Edward Lucas ihn im Economist im Jahr 2008 als russischen Propaganda-Trick vorstellte: die Kritik am eigenen Land mit Verweisen auf Vorkommnissen in westlichen Ländern zu kontern

Der Begriff stammt aus Debatten im Kalten Krieg, als beispielsweise Vorwürfe am Kriegsrecht in Polen mit der Frage nach der Rechtssituation in der Apartheid in Südafrika begegnet wurde.

Nawalny – Assange

Es gibt viele gute Gründe, den russischen Umgang mit Alexei Nawalny zu kritisieren. Erstaunlich ist aber, was regelmäßig und geradezu reflexartig geschieht, sobald in Diskussionen über Nawalny auf Julian Assange hingewiesen wird (das Nachfolgende gilt sicherlich auch für das "Paar" Gerschkowitz und Gonzalez).

Obwohl nicht zuletzt der UN-Beauftragte für Menschenrechte, Nils Melzer, von Folter spricht, bleibt die Kritik an der britischen Justiz im Westen geradezu atemberaubend stumm (hier und hier).

Auch die wertegeleitete Außenpolitik Deutschlands kann sich zu keinem Protest aufraffen, obwohl die Haltung Annalena Baerbocks vor der Regierungsbeteiligung noch ganz anders aussah.

Der Vorwurf des Whataboutism wäre berechtigt, wenn die Kritik an der Behandlung Nawalnys umgehend mit dem moralischen Zeigefinger gegen Großbritannien beantwortet würde, einzig und allein, um jegliche Diskussion und Kritik an Russland zu beenden.

Aber selbstverständlich würde dies auch genauso in umgekehrter Richtung gelten: Der Vorwurf des Whataboutism wäre ebenfalls angebracht, wenn jede Kritik gegen die Folter an Assange sofort mit Blick auf Nawalny beantwortet werden würde.

Ein Vorwurf mit Schattenseiten

An diesem Beispiel wird exemplarisch auch das Problem des rhetorischen Instruments deutlich. Der Vorwurf kann jegliche Kritik und jede Diskussion im Keim ersticken. Er unterstellt, dem Gegenüber kritikresistent zu sein und keinerlei wirkliches Interesse an einem Meinungsaustausch zu haben, sondern einzig daran Recht zu behalten. Das ist hochproblematisch.

Denn der automatische Vorwurf des Whataboutism – sobald neben Nawalny auch das Thema Assange auftaucht –, führt in seiner Konsequenz dazu, dass man grundsätzlich selbst gar nicht über Assange zu sprechen braucht.

Wenn jeder Hinweis, man habe auch im eigenen Lager genau solche Vergehen, die man mit Verve seinem Gegenüber vorwirft, reflexhaft mit dem Argument "Whataboutism!" begegnet wird, diktiert dies den Verlauf der Diskussion und deren Grenzen.

Nur die Fehler des anderen sehen

Der Vorwurf des Whataboutism, also nur die Fehler des Anderen sehen zu wollen und nicht die eigenen, führt so schlussendlich eben genau zu dem, was es vorwirft: Man braucht über die eigenen Fehler nicht zu sprechen, denn man kann jederzeit die rhetorische Allzweckwaffe des Whataboutism-Vorwurf ziehen. Der Whataboutism-Vorwurf wird so selbst zum Whataboutism.

Was ist aber mit Menschen, die grundsätzlich gegen einen Umgang mit Menschen protestieren wollen, wie ihn Nawalny und Assange zu erleiden haben? Was ist mit Menschen, die grundsätzlich dafür sind, dass Menschenrechte universal für alle Menschen gelten?

Ohne Ausnahme, ohne Berücksichtigung, wer das Opfer und wer der Täter ist. Wie sollen diese Menschen das Thema ansprechen, ohne mit dem Vorwurf des Whataboutism abgestraft und mit ihrer Kritik mundtot gemacht zu werden?

Immer wieder hat der Autor dieser Zeilen die Erfahrung gemacht, dass es in einer Diskussion über Nawalny unmöglich war, auch auf die Folter von Julian Assange hinzuweisen, selbst wenn man zuvor ausdrücklich betont hatte, dass man der Kritik am Umgang mit Nawalny zustimmt.

Im Zeitalter der Polarisierung wird dieser explizite Hinweis, dass man der Kritik an der Behandlung Nawalnys uneingeschränkt zustimmt, aber nur noch als eine geschickte Form der floskelhaften Selbstkritik verstanden. Unterstellt wird, dass die damit ein ganz anderes, das "eigentliche", Ziel verfolgt werde, nämlich den britischen Rechtsstaat und die westlichen moralischen Doppelstandards bloßzustellen.

In einer Epoche, in der der Vorwurf des Whataboutism scheinbar in jedem Debatten-Werkzeugkoffer ganz oben liegt, ist offenbar die Fähigkeit vom Aussterben bedroht, auch nur denken zu können, dass moralische und rechtliche Standards grundsätzlich und für alle gelten müssen, wenn sie mehr sein sollen als nur harmlose Worte auf Papier.

Eine wertegeleitete Politik verdient nur dann den Namen, wenn dieselben Werte prinzipiell unseren politischen Kompass bestimmen. Nicht nur, wenn sie uns als Waffen der Kritik gelegen kommen, sondern auch gerade dann, wenn es um unser eigenes Verhalten geht und um das befreundeter Länder.

Aktualität des Whataboutism

Seit der russischen Invasion der Ukraine gibt es eine Reihe von Themen, bei denen entweder häufig der Vorwurf des Whataboutism automatisch gemacht wird oder es erstaunlich ist, dass gewisse historische Vorläufer in der Diskussion schlicht ausgeblendet werden.

Vorab ein Disclaimer: Nein, die russische Invasion ist nicht zu rechtfertigen. Diese eindeutige Feststellung darf aber keinesfalls dazu verleiten, dass Diskussionen nur noch in schablonenhaften Gegensatzpaaren von Gut und Böse geführt werden können.

Nein, der Ansicht zu sein, dass der russische Angriff nicht zu rechtfertigen sei, heißt nicht zwangsläufig, dass der Westen im Vorfeld des Krieges keinerlei Schuld auf sich geladen hat und Möglichkeiten zur etwaigen Verhinderung des Krieges ungenutzt ließ.

Gerade die Diskussion über die Frage nach einem möglichen Versprechen einer Nicht-Erweiterung der Nato-Osterweiterung ist hiervon gekennzeichnet.

Wie komplex die Geschichte der Gespräche rund um die Deutsche Wiederverneigung und den Folgejahren im Detail ist und wie unterkomplex sowohl das Narrativ Russlands (es gab ein Versprechen und wir wurden über den Tisch gezogen) als auch das Narrativ des Westens (es war überhaupt kein Thema und ist alles Putins Propaganda) sind, dazu hier, hier und hier.

Der Ansicht zu sein, es gäbe auch Punkte, wo Russland recht haben könnte, heißt keinesfalls, dass man damit den Krieg rechtfertigt.

Ein Beispiel mag das vielleicht verdeutlichen: Wer den Friedensvertrag von Versailles wegen der extremen finanziellen Belastung der Weimarer Republik (zu Recht) kritisiert, rechtfertigt damit sicherlich noch lange nicht den Beginn des Zweiten Weltkrieges durch das Dritte Reich.

Geschichte war und ist immer komplex. Die radikale Vereinfachung zu wollen, um moralisch eindeutig auf der Seite der Guten zu stehen, ist menschlich mehr als verständlich, hilft aber kaum einen Krieg besser zu verstehen.

Und dies ist auch eine Grundvoraussetzung, um vielleicht einen Weg aus diesem Krieg heraus finden zu können (auch wenn es leider keineswegs eine Garantie dazu ist. Leider).

Völkerrechtswidriger Angriffskrieg

Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete den Ukraine-Krieg in seiner Zeitenwenden-Rede als "völkerrechtswidrig". Ohne jeden Zweifel handelt es sich bei der russischen Invasion um "einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg".

Es ist erfreulich, dass dieser Begriff fast zu einer stehenden Redewendung geworden ist, sobald man vom Krieg gegen die Ukraine spricht. Allerdings ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg keineswegs eine Erfindung Russlands und es wäre sehr begrüßenswert, wenn bei der Erwähnung jedes Krieges, der in die Kategorie eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs fällt, auch genau diese Bezeichnung gewählt wird.

Beim Irak-Krieg des Jahres 2003, wird nun von "US-Militäreinsätzen" gesprochen. In dem Zusammenhang ist auch bedenklich, dass die Bundesregierung sich standhaft weigert, eine völkerrechtliche Einschätzung des Irak-Krieges zu machen.

Auf eine Kleine Anfrage mehrerer Bundestagsabgeordneten der Fraktion Die Linke erwiderte die damalige Bundesregierung im Jahr 2010

Wie die Bundesregierung bereits mehrfach festgestellt hat (…) sind Fragen der Völkerrechtmäßigkeit des Irak-Konfliktes von Völkerrechtlern unterschiedlich beantwortet worden. Zu den entsprechenden Diskussionen in der Rechtswissenschaft nimmt die Bundesregierung nicht Stellung. Dies gilt auch weiterhin.

Antwort der Bundesregierung

Zur Erinnerung: Der Krieg der "Koalition der Willigen" gegen den Irak fand ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrats statt. Viele Experten sehen den Krieg als einen Bruch des Verbots eines Angriffskriegs in der UN-Charta und damit als völkerrechtswidrig (zum Beispiel hier). Diese Meinung teilte auch der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan.

Drohnen-Krieg

Ein weiterer Punkt: Den Drohnenkrieg, bei dem Menschen ohne Gerichtsbeschluss getötet werden und zahllose unschuldige Zivilisten ihr Leben verlieren, stufen die Grünen nun nicht mehr als völkerrechtswidrig ein und ändern damit ihre Position, die sie jahrelang selbst vertreten haben.

Nicht nur die Grünen geben sich in dieser Hinsicht flexibel. Selbiges lässt sich auch über die Medien sagen. Passend formulierte David Goeßmann auf Telepolis:

Sie erklären Russland unisono zum Paria der Weltgeschichte, während sie das globale Großverbrechen der USA zum 20. Jahrestag wegschwurbeln – wie auch viele andere Verbrechen, die bis heute andauern, siehe den Drohnenkrieg. Sie fordern ein Sondertribunal für die russischen Kriegsverbrechen. Und für die Kriegsverbrecher und Kriegsverbrecherinnen zu Hause heißt es: Schwamm drüber.

David Goeßmann

Auf der Suche nach Kriegen, die einen klaren Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen und die, vorsichtig formuliert, keine nennenswerte Kritik der deutschen Regierung erfahren haben, kann man aber auch leicht weniger bekannte Beispiele anführen.

Die US-Invasion in Grenada, 1983. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stimmte mit großer Mehrheit für eine Resolution, in der die US-Invasion als eine schwere Verletzung internationalen Rechts bezeichnet wurde. Die lapidare Reaktion des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagans:

100 Nationen in der UNO haben uns in fast allen Fällen, in denen wir involviert waren, nicht zugestimmt, und es hat mein Frühstück in keiner Weise gestört.

Ronald Reagan

Gleiches gilt auch für die US-Invasion in Panama, Ende 1989. Die größte Luftlandeoperation seit dem Zweiten Weltkrieg. Auch hier war die Einschätzung der UNO eindeutig: "eine eklatante Verletzung des Völkerrechts."

Die deutsche Unschuld

Beim Kosovo-Krieg 1999, den die Nato ohne UN-Mandat führte und sich auf eine neue Doktrin der "humanitären Intervention" berief, sind sich die Experten uneins, ob hier das Völkerrecht gebrochen worden ist.

Hier einige Beispiele, die sie als illegal einstufen (hier, hier). Auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sah diesen Krieg der Nato, bei dem auch Deutschland aktiv beteiligt war, vor einigen Jahren schon als einen Völkerrechtsbruch.

Markus C. Schulte von Drach stellte im März 2014 in der Süddeutschen Zeitung die ironische Frage: "Welches Völkerrecht darf's denn heute sein?"

Er gibt zu bedenken:

Im Kosovo war es aus Sicht des Westens gerechtfertigt, aus russischer Sicht nicht. Auf der Krim ist es aus westlicher Sicht illegitim, Putin aber behauptet, es sei angemessen und viele Russen glauben ihm das.

Ost und West nehmen also grundsätzlich für sich in Anspruch, jeweils über die Deutungshoheit darüber zu verfügen, wann es angemessen ist, das Völkerrecht zu brechen und wann nicht. Wie das Urteil in Bezug auf das eigene Verhalten und das von anderen jeweils ausfällt, kann sich jeder selbst ausmalen. Und dass die Verhältnisse meist nicht ganz so eindeutig sind, wie es dargestellt wird, zeigt das Beispiel des Kosovo.

Beide Seiten relativieren so die Vereinbarungen der UN-Charta und untergraben die immense Bedeutung dieses wichtigsten Dokumentes der Menschheitsgeschichte. Wer sich auf das Völkerrecht beruft, sollte dies auch im Geiste des Völkerrechts tun. Dessen Ziel ist das friedliche Zusammenleben der Völker und letztlich der Menschen.

Markus C. Schulte von Drach

Bombardierung ziviler Infrastruktur

Russland bombardiert in der Ukraine immer wieder zivile Infrastruktur und nimmt damit bewusst den Tod von Zivilisten billigend in Kauf. Dies stellt eindeutig einen Bruch der Genfer Konventionen dar und ist ohne jeden Zweifel und ohne jede Einschränkung zu verurteilen.

An dieser Stelle ist es aber auch Zeit für eine kleine Frage: Wann wurde zuletzt in Europa vorsätzlich zivile Infrastruktur bombardiert?

Es war 1999, als die Nato wiederholt Serbien während des Kosovo-Kriegs bombardierte. In der ersten Kriegsnacht griff die Nato mehrere serbische Chemiewerke an. Dabei traten große Mengen an giftigen und krebserregenden Stoffen aus, die Luft und Wasser verschmutzen.

Die Nato bombardierte auch Kraftwerke. Als Konsequenz versank Anfang Mai die ganze serbische Hauptstadt im Dunkeln und war die Wasserversorgung teilweise hochproblematisch. Auch der serbische Fernsehsender RTS wurde angegriffen.

Die Nato betonte immer wieder, nicht zivile Ziele anzugreifen, aber am Ende des Krieges waren auf serbischer Seite 500 tote Zivilisten zu betrauern. Nicht zuletzt auch durch den Einsatz von Streubomben.

"Kollateralschaden"

Das geflügelte Wort der Pressekonferenzenz des damaligen Nato-Sprechers Jamie Shea "Kollateralschaden" wurde nicht zufällig zum Unwort des Jahres gewählt. Ein "Kollateralschaden" war beispielsweise der versehentliche Angriff auf albanische Flüchtlinge, der 75 Menschenleben forderte.

Soll das Gesagte die Angriffe auf zivile Ziele durch die Nato in Serbien und durch Russland in der Ukraine gleichsetzen?

Definitiv nicht. Denn offenbar zielt Russland nicht nur auf Infrastruktur, sondern auch auf zahllose Wohnhäuser und nimmt damit bewusst den Tod zahlloser Zivilisten in Kauf.

Dennoch ist die Erinnerung an die eigenen Taten notwendig, um weniger anfällig für Schwarz-Weiß-Denken zu sein.

Ab nach Den Haag!

Der Wunsch vieler Menschen ist klar: Es soll Recht walten und entsprechend der russische Präsident Wladimir Putin möglichst in Den Haag angeklagt werden.

Der frühere Innenminister Gerhart Baum hat gemeinsam mit der ehemaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einen Strafantrag gegen Putin gestellt, der sich auf das in Deutschland geltende Völkerstrafgesetzbuch beruft.

Durch diesen juristischen Kniff soll das Problem umgangen werden, dass Russland, ebenso wenig wie die USA, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anerkannt hat. Auch die EU will in Den Haag Klage erheben und die Außenministerin Annalena Baerbock bringt ein Sondertribunal ins Spiel, das Recht sprechen soll.

So verständlich es ist, dass angesichts der Verbrechen im Ukraine-Krieg der dringende Wunsch besteht, Unrecht zu verurteilen und zu bestrafen, so überraschend ist es, dass dieses Bemühen, eine juristische Lösung zu finden, um Personen aus einem Land anklagen zu können, das den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkannt hat, sich erst mit dem Ukraine-Krieg zeigt.

Aber auch hier läuft man schnell Gefahr, mit dem Vorwurf des Whataboutisms Diskursverbot zu erhalten, wenn man darauf hinweist, dass einem noch der ein oder andere Politker einfällt, der neben Putin ebenfalls auf der Anklagebank in Den Haag Platz nehmen sollte: George Bush jr? Tony Blair? Henry Kissinger?

Vielleicht würde dies auch das Ansehen des Internationalen Strafgerichtshof stärken. Die Afrikanische Union warf dem Internationalen Strafgerichtshof bereits vor Jahren vor, die Verfolgung von Verbrechen und die Verurteilung von Angeklagten sehr einseitig zu gestalten.

Einige afrikanische Staaten haben deshalb auch den Internationalen Strafgerichtshof verlassen.

Gefahr der Kritik am Whataboutism

Im politischen Diskurs lässt sich durchaus eine Einseitigkeit erkennen, die sich nicht zuletzt durch die Art und Weise zeigt, wie der Vorwurf des Whataboutisms gezielt eingesetzt wird.

Diese Einseitigkeit zu kritisieren erscheint deshalb richtig und notwendig, um den Raum für einen offenen Dialog zu schaffen, der für eine Demokratie lebenswichtig ist.

Aber auch diese Kritik wiederum birgt eine Gefahr, wie sie Sabine Schiffer auf Telepolis herausarbeitete:

Diese Einseitigkeit zu kritisieren, darf jedoch nicht zur Idealisierung der anderen Seite führen. Gerade eine sachliche Kritik sollte bei der Verurteilung aller Kriege bleiben, auch wenn von anderer Seite ein Schema unterschiedlicher Bewertung und Relativierung etabliert wird.

Betont man das nicht, treiben am Ende diejenigen den Abbau von Völkerrechtsstandards voran, die das Ignorieren vonseiten der USA stets kritisierten.

Denn was regen wir uns sonst auf? Wenn alle das Völkerrecht brechen dürfen, warum Russland dann nicht?

Nur umgekehrt wird ein Schuh draus: Wer den Völkerrechtsbruch und die Kriegsverbrechen Russlands kritisiert, muss dafür sorgen, dass Recht und die Verfolgung von Verbrechen konsequent für alle umgesetzt werden – also natürlich auch für von der Ukraine begangene Verbrechen, wie allen anderen Akteuren auch.

Sabine Schiffer, Telepolis

Geht man mit gutem Beispiel voran und vergisst generell nicht bei aller berechtigten Kritik am Anderen die Selbstkritik, lässt man politische Handlungen davon leiten, dass Werte für alle – ohne Ausnahme - universal gelten, dann gewinnt man etwas, was fundamental wichtig ist: Glaubwürdigkeit.