Demokratie, Zukunft und Solidarität bleiben beim "Wiederaufbau" auf der Strecke
Seite 3: Frist zur "Rückzahlung" bis 2058
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- Vor Ungarn und Polen eingeknickt
- Frist zur "Rückzahlung" bis 2058
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Und wie ebenfalls schon dargelegt, weist die extrem lang gestreckte Frist zur "Rückzahlung" bis 2058 darauf hin, dass an eine reale Rückzahlung ohnehin nicht gedacht wird. Wir haben es vielmehr damit zu tun, den Finanzmärkten und Banken neue Geschäftsfelder zu eröffnen, für die dann bis zum St. Nimmerleinstag Zinsen bezahlt werden müssen.
Wie schon mehrfach ausgeführt, wurden auch Staatsschulden nicht zurückbezahlt, sondern nur immer weiter umgewälzt. Da nur gut 10 Jahre vergangen sind, dass nach Beginn der letzten schweren Krise die nächste noch schwerere aufgebrochen ist, wäre es eigentlich an der Zeit, die Mär von der Rückzahlung der Schulden zu beerdigen.
Es glaubt doch wahrscheinlich in Brüssel niemand ernsthaft, dass mit der geplanten Abgabe auf Plastikmüll ab 2021 und einer Einfuhrgebühr auf Produkte aus Drittstaaten mit geringeren Umweltauflagen ab 2023 diese Schulden abbezahlt werden könnten. Bestenfalls reicht das eher dafür, die Zinsen zu bedienen. Und ob die Ausweitung des Emissionshandels etwa auf Luft‑ und Schifffahrt sowie eine Digitalsteuer dazu ausreichen, darf ebenfalls bezweifelt werden. Diese beiden Maßnahmen werden ohnehin schon lange innerhalb der EU diskutiert und scheiterten bisher immer an Widerständen einzelner Regierungen.
Klar ist, und das ist zum Beispiel auch die Kritik vieler Linken, dass hier zum Teil Gelder einfach nur von einer Tasche in die nächste geschoben werden. Dass der EU-Haushalt insgesamt niedriger ausfällt, weist schon in diese Richtung. Dabei wäre es nun an der Tagesordnung gewesen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) endlich damit beginnt, direkt Vorhaben und Firmen zu finanzieren, wie es die Chefin des portugiesischen Linksblocks (BE) im Telepolis-Gespräch gefordert hatte.
Sie hatte zudem darauf hingewiesen, dass die Summe des "Wiederaufbaufonds" für die EU insgesamt niedriger ausfällt, als die Summe, mit der allein Deutschland seine Wirtschaft stützt. Dass mit 750 Milliarden Euro ein durchgreifendes Werkzeug geschaffen wird, um die bevorstehende massive Krise zu bekämpfen, darf nicht erwartet werden.
Catarina Martins hatte dabei auch schon kritisiert, dass vor allem wieder die Finanzmärkte bedient werden, die natürlich ihren Tribut fordern. Durch die danach beschlossene Ausweitung der Kredite von 250 Milliarden Euro auf 360 Milliarden wird dieser Effekt sogar noch stärker. Das ist es, was die sogenannten "sparsamen Vier" erreicht haben. Für eine wahre Solidarität und Demokratisierung haben sie nichts erreicht, genauso wenig wie für ein Umsteuern zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz.
Die "Solidarität" der "sparsamen Vier"
Sie sind vor allem solidarisch mit sich selbst, verlangen dabei Sparsamkeit anderen ab. Denn sie ziehen wie die Niederlande über Steuerdumping Firmensitze ins Land. Diese Steuereinnahmen fehlen anderen Ländern. Und es ist ohnehin dramatisch, dass nicht jetzt über eine EU-Fiskalpolitik und ein gemeinsames Vorgehen gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung gesprochen wurde.
Das ist ganz offensichtlich genauso wenig auf der Tagesordnung der "sparsamen Vier", wie eine reale Demokratisierung. Sie haben vor allem dafür gesorgt, dass von den geplanten Zuschüssen im Umfang von 500 Milliarden nun nur noch 390 Milliarden übriggeblieben sind, womit der Einfluss der Finanzmärkte auf die Politik nicht begrenzt, sondern mit der erhöhten Verschuldung der Staaten sogar noch deutlich ausgeweitet wird.
Von einer langfristigen Planungssicherheit von Staaten, die in der letzten Krise ausgeblutet wurden, ist auch keine Rede. Statt jetzt viel Geld in die Hand zu nehmen, um die EU in Richtung einer demokratischen, transparenten und nachhaltigen Gemeinschaft umzubauen, darf befürchtet werden, dass viel Geld zur Stützung der alten Wirtschaft verschleudert wird und viel Geld vor allem wieder bei den üblichen Verdächtigen landet und wenig davon produktiv eingesetzt wird und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der breiten Masse beiträgt.
Und sehr solidarisch ist es auch nicht, dass die Nettozahler aus dem Norden nun auch noch erreichen konnten, dass deren Beitragsrabatte weiter erhöht werden. Diese Rabatte, die man Großbritannien stets als Extrawürste angekreidet hatte, wurden nicht wie geplant abgeschafft, sondern auf fast acht Milliarden Euro pro Jahr ausgeweitet. Und besonders hat sich hier Deutschland bedient. Der Nachlass beträgt nun fast 3,7 Milliarden Euro im Jahr. Österreich steigert seinen Rabatt um fast 140% auf knapp 600 Millionen.
Insgesamt kann man im Fazit Politikern wie Martin Schirdewan zustimmen. Der Ko-Vorsitzender der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) im Europäischen Parlament spricht angesichts der Gipfel-Ergebnisse von einem "schwarzen Tag für Europäische Union" angesichts des Siegs nationaler Egoismen über gemeinsame Interessen. Dass er die aber vor allem bei "nationalstaatlichen Interessen der unsolidarischen Vier" verortet, ist ein Fehler. Das Problem ist, dass viele in dieser EU vor allem ihr nationalstaatliches Süppchen kochen.