Deportation auch in Folterländer

Der im US-Repräsentantenhaus eingebrachte Gesetzesentwurf für die Geheimdienste will auch die bereits geübte Praxis legitimieren, Nicht-US-Bürger zur Befragung in Folterländer zu schicken: eine Verletzung des UN-Abkommens gegen Folter

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bekannt ist, dass die USA "feindliche Kämpfer", denen die Regierung keine Rechte zugesteht, nicht nur auf unbestimmte Zeit in ihrem weltweiten Lagersystem verschwinden lässt und auch mit entsprechenden Mitteln selbst verhört. Bekannt ist auch, dass diese gelegentlich auch zu befreundeten Regierungen geschickt werden, in denen mehr oder wenig offen gefoltert wird, um dort befragt zu werden (Schweden und die CIA-Praxis des Verschleppens von angeblichen "Terroristen" in Folterländer). Nun aber soll diese Praxis, die brutale Hilfe von Freunden anzunehmen, auch gesetzlich sanktioniert werden.

Der Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus, J. Dennis Hastert, hat letzten Freitag den umfangreichen 9/11 Recommendations Implementation Act (H.R.10) eingebracht. Der Gesetzesvorschlag, der nach den Empfehlungen der 9/11-Kommission die Organisation und Arbeit der US-Geheimdienste im In- und Ausland neu regeln soll. Wie der entsprechende Gesetzesvorschlag im Senat sieht der Entwurf des Repräsentantenhauses die Schaffung eines nationalen Geheimdienstdirektors vor, der die In- und Auslandsgeheimdienste koordiniert, so dass dieser Unterschied noch stärker, auch was den Austausch von Informationen angeht, eingeebnet wird. Schneller vorangebracht werden soll als Grundlage dafür eine alle Sicherheitsbehörden übergreifende Datenbank: das "Chimera system".

Deutlich wird in dem Gesetzesentwurf, dass nicht mehr nur auf den Ausbau von Technik gesetzt wird, sondern die Bedeutung von Agenten zunimmt. Sie werden als "zunehmend wichtig" für die Informationsbeschaffung in "asymmetrischen Konflikten" bezeichnet, seien aber auch notwendig, um gegen Terroristen vorzugehen. Ganz entscheidend aber ist auch die Sprachkompetenz der Geheimdienste, daher müssen Menschen mit Kenntnissen anderer Sprachen eingestellt und der Erwerb von Sprachen intensiv gefördert werden.

Im Geheindienstgesetz soll auch wieder die Pressefreiheit verankert werden, weil das im Interesse der nationalen Sicherheit liege. Die Außenpolitik der USA soll daher die Förderung von Pressefreiheit und freien Medien als vorrangige Aufgabe sehen und die Unabhängigkeit der freien Medien weltweit fördern. Ganz entscheidend aber sei es auch, eine "einseitige oder falsche Berichterstattung ausländischer Medien über die USA" zu bekämpfen. Das fördere die Terroristen und behindere die US-Außenpolitik.

Wo Pressefreiheit herrsche, könnten US-Regierungsvertreter über ausländische Medien kommunizieren oder sich direkt an die Bevölkerung wenden. Gegenüber Staaten, in denen Medien einseitig oder falsch berichten und deren Regierungen dies fördern, sollen aber die Daumenschrauben angezogen werden. Das sind "unfreundliche Akte". Das Außenministerium würde dafür zuständig sein und auch die Maßnahmen vorschlagen, wie man gegen eine solche unerwünschte Berichterstattung vorgehen soll.

Verfolgt werden soll auch das Vorhaben, ein internationales Abkommen zur Unterbindung von terroristischen Handlungen durchzusetzen. Das ist aber, ganz im Stil der Bush-Regierung, nicht als Abkommen auf der UN-Ebene gedacht, sondern soll bilateral im Sinne des amerikanischen Internationalismus ungesetzt werden, was der USA freiere Hand lässt. Im Rahmen des Abkommens sollen Regionen identifiziert werden, in denen terroristische Bedrohungen entstehen. Es sollen Zentren zur Bekämpfung des Terrorismus sowie "Terrorismuspräventionsteams", wozu auch von der USA geführte gehören, eingerichtet werden, in denen Militärs, Geheimdienstangehörige und Mitarbeiter anderer Sicherheitsbehörden integriert werden. Damit ließen sich auch militärische Interventionen leichter im Ausland durchführen.

Im Zweifel gegen den Beschuldigten

Interessant sind sicherlich auch die vorgesehenen Möglichkeit, Menschen Visa oder Asyl leichter zu verweigern. Umgekehrt sollen auch Hindernisse der Deportation gesenkt werden. So sollen alle Ausländer, auch wenn sie angeklagt oder gar verurteilt wurden, die im Verdacht stehen, Verbindungen zu Terrororganisationen zu haben, ohne Einschränkungen wieder in ihre Herkunftsländer oder in Länder abgeschoben werden, die den Deportierten aufnehmen. Das hieße, dass Ausländer auch in Länder abgeschoben werden können, die foltern, womit aber gegen das UN-Abkommen gegen die Folter verstoßen würde, das die USA auch unterzeichnet hat (auch Deutschland hat dafür eine rechtliche Möglichkeit geschaffen: Im Jet zum Streckbett). Nach dem Abkommen dürfen Menschen nicht in Länder deportiert werden, von denen man annehmen kann, dass in ihnen Folter praktiziert wird.

No State Party shall expel, return ("refouler") or extradite a person to another State where there are substantial grounds for believing that he would be in danger of being subjected to torture.

Article 3, Convention against Toture

Mark Corallo, ein Sprecher des Justizministeriums, wollte sich zu einzelnen Paragraphen nicht äußern, sagte aber, dass man die Maßnahmen unterstütze, "die unsere Grenzen besser schützen und die amerikanischen Menschen vor Terroristen sichern werden". In dem Geheimdienstgesetz, das im Senat diskutiert wird, wäre eine solche Abschiebepraxis nicht möglich. John Feehery, der Sprecher des Abgeordneten Hastert, machte die Position noch deutlicher. Die bestehenden Gesetze, so Feehery, seien nicht geeignet für den gegenwärtigen Krieg. Terrorverdächtige könnten nicht in Haft gehalten werden, das Justizministerium würde sie oft auch nicht anklagen wollen: "Wenn man sie nicht unbegrenzt in Haft halten kann, dann will man sie aber auch nicht in Amerika haben."

Der Gesetzesentwurf würde die Regierungsbehörden jeder Verantwortung für eine Abschiebung in ein Folterland entheben, da die Last des Beweises, dass in einem Land gefoltert wird und damit das UN-Abkommen über Folter wirksam würde, allein dem Verdächtigen zufällt (Sec. 3031):

BURDEN OF PROOF- The revision shall also ensure that the burden of proof is on the applicant for withholding or deferral of removal under the Convention to establish by clear and convincing evidence that he or she would be tortured if removed to the proposed country of removal.

Dazu kommt, dass ein verdächtiger Ausländer nach dem Gesetzesentwurf sich auch an kein amerikanisches Gericht für einen Einspruch wenden könnte:

Judicial Review- Notwithstanding any other provision of law, no court shall have jurisdiction to review the regulations adopted to implement this section.

Dafür aber würde das Gesetz auch rückwirkend gelten - und damit jede von US-Geheimdiensten oder dem Militär durchgeführte Übergabe von Gefangenen an folternde Länder legitimieren. Die CIA hat zwar bereits diese Möglichkeit durch einen geheimen Präsidentenerlass - und dies auch praktiziert, aber mit dem Gesetz würde dies nach amerikanischem Recht auch legitim: nicht nur für die CIA, sondern auch für andere Behörden wie das FBI oder das Heimatschutzministerium. Nur zwei Mitglieder des Geheimdienstausschusses, ein Republikaner und ein Demokrat, sprachen sich gegen den Gesetzesentwurf aus.

Tom Malinowski von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kommentiert:

Ist es ein Hindernis, dass wir keine Menschen an Folterer schicken können? Sicherlich. Aber seit Abu Ghraib hat jeder, angefangen vom Präsidenten über das Justizministerium bis hin zum Kongress, gesagt, dass die USA keine Politik der Folter haben. Wenn das durchgeht, dann werden wir die Politik haben, Folter zu tolerieren.