Der Abgeordnete und seine Lobby

Der Beruf des Volksvertreters ist in Verruf geraten. Dabei erledigen die meisten ihren Job nach bestem Wissen und Gewissen. Doch es gibt ein verdecktes Problem

"Klare Kante gegen Lobby-Skandale - Verschärfen Sie jetzt die Gesetze!", appellieren in einer ganzseitigen Anzeige die Organisationen "Lobby Control" und "campact". "Fragwürdige Maskendeals, bestechliche Abgeordnete, dubiose Spendendinner: Das Ansehen der Politik leidet derzeit massiv unter zahlreichen Skandalen. Sie erschüttern das Vertrauen der Bürger:innen - das ist brandgefährlich für unsere Demokratie. Ziehen Sie daraus Konsequenzen und beenden Sie Korruption und intransparente Einflussnahme auf politische Entscheidungen", heißt es in dem Appell an die Vorsitzenden von CDU und CSU, Armin Laschet und Markus Söder.

Kein "exekutiver Fußabdruck" – schlimm!

Die Initiativen setzen unter anderem auf ein verbessertes Lobbyregister. Es soll nämlich zwar nun eines geben, aber das hat nicht den "exekutiven Fußabdruck". Damit soll kenntlich gemacht werden, ob und wenn ja welche Lobbyisten sich an Gesetzesentwürfen beteiligt haben.

Zusammen mit weiteren Forderungen nach mehr Transparenz politischer Entscheidungsprozesse und stärkeren Strafen bei Verstößen verfolgt der Appell die Stoßrichtung: Nur ein gläserner Abgeordneter ist ein guter Abgeordneter. Dann ist aber auch nichts gegen ihn zu sagen, die Demokratie über alle Zweifel erhaben.

Darauf läuft diese so radikal erscheinende Initiative von "Lobby Control", "campact" und einigen anderen hinaus: Die Gesetze durch die Parlamentarier sollen nach allen Regeln der politischen Entscheidungsfreiheit zustande kommen. Damit rennen sie ziemlich große offene Scheunentore ein. Denn es gibt schließlich zum einen den Artikel 38 des Grundgesetzes: "(Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages) sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und ihrem Gewissen unterworfen."

Zum anderen verabschiedete 2005 die rot-grüne Bundesregierung ein "Transparenzgesetz". Seither müssen die Abgeordneten Einkünfte offenlegen, die sie neben der Ausübung ihres Mandats erzielen. Dagegen klagten zwar 2007 einige Parlamentarier aus der Union, unter ihnen der wohlbekannte Friedrich Merz. Doch das Bundesverfassungsgericht wies die Klage ab.

Allerdings nur knapp: Vier Richter betonten, die Mandatsausübung müsse im Mittelpunkt der Tätigkeiten eines Abgeordneten liegen. Weil er sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren habe, die Interessen des Volkes wirksam zu vertreten. Die anderen vier Richter sahen es indessen als ebenso wichtig und richtig an, dass Abgeordnete auch weiteren Berufen nachgehen, beispielsweise als Selbstständiger oder Anwalt. Was aber das Gesetz ohnehin nicht verbietet, sondern nur eben die Offenlegung verlangt. Wegen der fehlenden nötigen Mehrheit hatte die Klage keinen Erfolg.

Demokratie vor Schaden bewahren, nicht die Betroffenen

Das "Transparenzgesetz" soll nun verschärft werden, das sehen auch die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD so, angesichts der aktuellen Verfehlungen einiger Abgeordneter. Was also treibt dann "Lobby Control" & Co. an? Das alles geht ihnen nicht weit genug. Sie verfolgen das Ideal des bar jeden äußeren Einflusses frei entscheidenden Politikers, sind dabei aber auch "realistisch": Nebentätigkeiten dürften schon weiter sein, nur nicht für "fremde" Interessen, Stichwort "Lobby". Und bitte schön offenlegen, wie viel Geld nebenbei eingenommen wurde.

Dass dann - und vor allem in welchen Bereichen und für wen - "bessere" Gesetze herauskommen, ist ganz falsch gedacht. Den "Lobby"-Kritikern geht es vielmehr um die geliebte Demokratie. Sie muss vor Schaden bewahrt werden - und nicht die Bürger vor den sie sehr unterschiedlich treffenden Wirkungen der Gesetze. Denn ein "Vertrauensverlust" wäre weiter Wasser auf die Mühlen von zweifelnden Bürgern.

Worin besteht idealerweise dieses Vertrauen? Dass alles "mit rechten Dingen zugeht", die Abgeordneten frei von äußeren Einzelinteressen die Vorschriften fürs Volk beschließen. Dann entscheiden sie idealerweise nur nach dem "Allgemeinwohl" - also was für das Staatswesen das Sinnvollste ist. Natürlich wägen sie dabei zwischen verschiedenen, oft gegensätzlichen Interessen in der Gesellschaft ab. Dafür hören sie sich deren Standpunkte an und gewichten sie nach ihrem Beitrag für die nationale Entwicklung.

Unternehmen und Branchenverbände haben qua ihrer Finanzkraft mehr Möglichkeiten, ihre Argumente an die Stellschrauben der Macht heranzutragen. Ihre PR-Experten und Lobby-Agenturen belästigen ständig die Parlamentarier und Ministerien mit "hilfreichen" Informationen, neuen Studien und Angeboten der Mitarbeit bei der Entwicklung von Gesetzentwürfen.

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