Der Afghanistan-Loop: alte Fehler mit Milizen in Syrien wiederholen
Salontauglicher Dschihad - Al-Qaida-Verbündete bewerben sich mit einem Artikel in der Washington Post für eine Millionen-Dollar-Unterstützung des Pentagon
Abgefahren ist das schon, was die Lobbygruppen in der amerikanischen Hauptstadt zuwege bringen: zum Beispiel, ein Bewerbungsschreiben für eine Millionen-Dollar-Spende von al-Qaida-Waffenbrüdern in der Washington-Post zu lancieren. Nichts anderes stellt das am 10. Juli im großen US-Medium veröffentlichte Op-Ed von Labib Al Nahhas dar.
Al Nahhas wird von der Zeitung ganz seriös vorgestellt head of foreign political relations for Ahrar al-Sham. Unerwähnt bleibt im ganzen PR-Text, dass Ahrar al-Sham eine syrische Miliz ist. Lediglich das Wort "Gruppe" wird verwendet, mit der Charakterisierung Mainstream, harmlos also:
Unser Name bedeutet "Freie Männer Syriens". Wir betrachten uns als sunnitisch-islamische Mainstreamgruppe, die von Syrern geführt wird und für Syrer kämpft.
Das Anliegen des PR-Beitrags in der Washington Post: Die amerikanische Regierung hat bekanntlich ein 500 Millionen- Dollar-Budget für die Ausbildung und Ausstattung von syrischen Widerstandsgruppen. Voraussetzung dafür ist, dass sie "moderat" sind. Eigentlich war eine Kampftruppe von etwa 5.000 moderaten Kämpfern geplant. Aber die zu finden, ist schwer.
Laut Verteidigungsminister Ash Carter hat man bis 07. Juli etwa 60 "syrische Rebellen" gefunden, die man für geeignet hält. Drei Tage später erklärt der wortgewandte al-Nahhas den amerikanischen Politikern im Hauptstadtblatt, dass sie nur ihren Blick etwas erweitern müssten und sie hätten den richtigen Partner.
Unglücklicherweise (…) haben die USA den Ausdruck "moderat" in so einer engen und willkürlichen Weise definiert, dass er den großen Haufen der Mainstream-Opposition ausschließt.
Freilich ist dem Chef der auswärtigen Beziehung klar, dass man auch in Washington darüber Bescheid weiß, dass Ahrar al-Sham mit der Nusra-Front, die direkt mit dem Kern der al-Qaida verbunden ist, eine Kampfallianz bildet - auch ideologisch-religiös tun sich zwischen die beiden Gruppen keine Gräben auf.
So greift al-Nahhas beim heiklen Punkt zur platten Leugnung. Obwohl man doch Mainstream sei, werde man "falsch organisatorischer Beziehungen zur al-Qaida bezichtigt und dass man der al-Qaida-Ideologie übernommen hat" - um dann gleich zur Hauptsache zurückzukehren, dem Kampf gegen die Herrschaft Baschir al-Assads und dem Islamischen Staat.
Dass der frühere Führer von Ahrar al-Sham, Hassan Aboud, ein Fundamentalist in Reinkultur ist, sich aber moderat präsentieren konnte, darüber wurde an dieser Stelle bereits Anfang 2014 berichtet. Damals war das Verhältnis zur Nusra-Front noch von Konkurrenz und opportunen Distanzierungen geprägt. Seither hat es sich zum Kampfbündnis entwickelt (Syrien: Al-Qaida-Front bringt Assad in Bedrängnis.
Es gibt, wie es Juan Cole mit deutlichen Belegen darlegt gar keinen Zweifel daran, dass die "freien Männer" enge Verbindungen zum al-Qaida-Ableger in Syrien haben und dass sie einen islamischen Staat nach dem Muster der Taliban in Afghanistan anstreben.
Cole warnt, man möge doch in Washington nicht die fatalen Fehler wiederholen, die man in den 1980er Jahren mit der Unterstützung der Mudschahedin-Gruppen gemacht hat, woraus al-Qaida entstanden ist.
Auch der Kenner der syrischen Widerstandsgruppen, der Brite Charles Lester, der mit einem "erweiterten", nuancierten Blick an die Behauptung al-Nahas herangeht, Ahrar al-Sham habe nichts mit al-Qaida zu tun und sei Mainstream, findet die Miliz "sehr problematisch". Weil Beziehungen zur al-Nusra-Front nicht zu leugnen sind und diese Beziehungen aktiv gehalten werden.
Für schärfere Kritiker wie den Angry Arab stellt sich die Frage ohnehin anders: Wann schreibt Zawahiri seinen Kommentarartikel in der Washington Post? Morgen schon?
Indessen läuft die Kampagne, der al-Nusra-Front das nötige Image zu verpassen, um die al-Qaida-Miliz als Bündnispartner für die Anti-Assad-Front zu legitimieren, schon längere Zeit (Golfstaaten ermuntern Al-Nusra zum Rebranding).