Der Fall Vasella und die Schweizer Abzocker-Initiative

Gegen Abfindungsexzesse unter Managern

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Die Aussichten für den scheidenden Präsidenten des schweizer Pharmakonzerns Novartis waren selbst in einer Zeit, in denen hohe Vergütungen für Spitzenkräfte immer wieder mal Schlagzeilen machen, ungewöhnlich gut ausgestattet. 75 Millionen Franken warteten auf den 59-jährigen Daniel Vasella, hinterlegt auf einem Geheimkonto, zahlbar in fünf Jahrestranchen. Fürs Stillhalten, damit Vasella nicht für die Konkurrenz arbeiten würde. Dies meldete das Finanzseite Insideparadeplatz.ch am vergangenen Freitag. Das Echo in der Eidgenossenschaft auf diese Nachricht war gewaltig.

Novartis und Vasella, der als Unternehmenschef mehrere Hundert Millionen Franken verdient haben soll, kamen unter öffentlichen Druck. Das Unternehmen räumte die Abmachung ein, Vasella trat im Fernsehen auf, korrigierte die Summe von 75 auf 72 Millionen und kündigte an, den "Nettobetrag" für einen gemeinnützigen Zweck zu verwenden. (Einfügung: Heute morgen verlautbarte Novartis, "dass das Konkurrenzverbot und die damit verbundene Entschädigung aufgehoben worden seien".)

Die Diskussion ist damit noch nicht beendet. Am kommenden Freitag treffen sich die Novartis-Aktionäre zur Generalversammlung und in 12 Tagen, am ersten Sonntag im März, stimmen die Schweizer über die "Abzocker"-Initiative ab. Sie sieht eine Veränderung der Bundesverfassung vor, wonach künftig die Aktionärsmehrheit in der Generalversammlung einer AG über die Gesamtsumme aller Vergütungen befindet und damit hohen Abfindungszahlungen und Vorauszahlungen in der Führungsebene einen verbindlichen Riegel vorschieben kann. Bei Zuwiderhandlungen seitens der Unternehmensführung sollen Gefängnisstrafen drohen.

Nun ist klar, dass der öffentliche Druck, wie man das am Fall Vasella sehen kann, erst Rückzugsmanövern, Besinnung und Korrekturen ermöglicht. Ob aber die "Abzocker"-Initiative, die durch Vasella in Umfragen über 7 Prozent zulegte (auf 57 Prozent Befürworter), die Praxis der Zahlung bedeutender Summen, die man sich in Vorstandsetagen gegenseitig zuschiebt, tatsächlich stoppen kann, sei allerdings nicht gewiss, kommentiert die Neue Zürcher Zeitung. Das "Vasella-Konstrukt" falle nicht zweifelsfrei unter die vorgeschlagenen neuen Regelungen.

Vier befragte Aktienrechtsexperten geben zunächst eine einhellige Antwort: Eine Entschädigung für ein Konkurrenzverbot ist juristisch keine Abgangsentschädigung im Sinne der Minder-Initiative (damit ist die "Abzocker"-Initiative gemeint, nach dem Namen ihres Anstoßgebers Thomas Minder; Einf. d. A.). Die Sache dürfte demnach laut den Mutmassungen der Juristen weder gemäss Initiative noch gemäss Gegenvorschlag verboten sein.

Erst das Parlament müsse nach der Volksabstimmung bei der Formulierung des neuen Gesetzes für Rechtssicherheit sorgen. Die kritischen Anmerkungen lassen verstehen, dass "Entschädigungen für ein Konkurrenzverbot" möglicherweise nicht das einzige Schlupfloch sind, das der Text der "Abzocker"-Initiative für findige Köpfe offen lässt. So kommt es möglicherweise nur darauf an, den Abgangsentschädigung einen Titel zu geben, der an eine Gegenleistung gebunden ist: "Eine solche Gegenleistung könnte laut Fachleuten zum Beispiel auch der Verzicht auf eine Klage bei einer missbräuchlichen Kündigung sein."

Interessant dazu ist, dass der neue Novartis-Verwaltungsratspräsident Jörg Reinhardt zuvor beim Konkurrenzunternehmen Bayer HealthCare gearbeitet hat und davor bei Novartis.

Der Vasella-Fall dürfte es dem Gegenvorschlag zur Abzocker-Initiative schwermachen, zumal er hauptsächlich vom schweizer Wirtschaftsverband Economiesuisse getragen wird. Vasella war bis vor kurzem Mitglied des Vorstandsausschusses des Verbandes.