Der Gen-Schalter für Schuppenflechte

Wiener Forscher entwickeln ein Tiermodell zur Erforschung der Psoriasis

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Während die Symptome einer Schuppenflechte bestens bekannt sind, gibt es für ihre Ursachen bislang unterschiedliche Annahmen: Während die einen sie für eine Autoimmunerkrankung (Inside-out-Hypothese) halten, an der die Haut beteiligt ist, sehen andere darin eine Hauterkrankung mit Auswirkungen auf das Immunsystem (Outside-in-Hypothese). Was richtig ist, war bislang nicht zu klären.

Jetzt sind Forscher des Instituts Institut für Molekulare Pathologie IMP in Wien einen wichtigen Schritt weiter gekommen. Die aktuelle Ausgabe von Nature widmet ihren Erkenntnissen sogar die Titelgeschichte.

Anlage in den Genen

Sie kommt in Schüben und äußert sich durch entzündete, juckende und schuppende Veränderungen der Haut an Knien, Ellbogen, Rücken und dem behaarten Kopf. Unter Schuppenflechte, auch Psoriasis genannt, leiden ein bis drei Prozent der Bevölkerung. Während sich die chronische Erkrankung bei einigen nur als kleine punktförmige Hautflecken manifestiert, entwickeln bis zu 20 Prozent der Betroffenen auch psoriatische Arthritis, eine Entzündung der Gelenksinnenhaut, die für Schmerzen an Finger- und Fußgelenken sorgt. Heilbar ist die Krankheit nicht.

Psoriatische Läsionen beim Menschen (Bild: G.Stingl, Meduni Wien)

Schon seit geraumer Zeit steht fest, dass bei der Neigung an Psoriasis zu erkranken, genetische Veranlagung eine Rolle spielt. Sechs verschiedene veränderte Orte im Genom (PSORS1 bis PORS6), die darin verwickelt zu sein scheinen, hat die Wissenschaft bereits entdeckt. Für intensivere Forschungen fehlte allerdings ein Tiermodell. Einem Team um Erwin Wagner vom IMP in Wien ist es nun gelungen, Mäuse genetisch so zu verändern, dass die Tiere eine jederzeit aktivierbare Veranlagung für die Entstehung der Schuppenflechte in sich tragen.

Dabei konnten die IMP-Forscher auf Untersuchungen von Hautproben an Schuppenflechte erkrankter Patienten der Universitätsklinik für Dermatologie aufbauen. Diese hatten ergeben, dass in betroffenen Hautarealen die Aktivität des Gens JunB, das unter anderem Zellvermehrung, Zelldifferenzierung und Stressreaktionen in Zellen regelt, stark vermindert war verglichen mit gesunder Haut. Das antagonistische Gen c-Jun hingegen war stark erhöht.

Maus mit Psoriasis am Ohr (Bild: IMP, Wien)

Mit diesem Wissen züchteten die Forscher Mäuse, denen das Gen JunB oder c-Jun oder beides fehlte. Dabei stellte sich heraus, dass das Fehlen von JunB und c-Jun allein keine Psoriasis auftreten lässt, erst die kombinierte Abwesenheit von beiden Genen führte bei der Maus zu den typischen Symptomen: die Haut der Mäuse rötete und schuppte sich an Ohren, Pfoten und Schwanz.

Doch die Molekularpathologen entwarfen daraus ein Modell, das noch raffinierter ist. Sie griffen zu einer Methode die die Schuppenflechte nicht von Anfang an auftreten lässt, sondern mit der die Gene bei gesunden, erwachsenen Mäuse ganz gezielt ausgeschaltet werden können: Die Symptome treten acht bis zehn Tage nach einer Behandlung mit Tamoxifen auf. Wagner und Kollegen entwickelten also eine Art Gen-Schalter, mit dem sich die Gene inaktivieren lassen.

Vergleich der erkrankten (Bilder links) mit einer gesunden Maus (Bilder rechts) (Bilder: IMP, Wien)

Im Unterschied zu früheren Tiermodellen, bei denen lediglich die Hautveränderungen beobachtet werden konnten – so stellen die Forscher fest – entwickeln ihre Tiere auch die psoriatischen Gelenksentzündungen. Sowohl auf histologischer als auch auf molekularer Ebene entspricht das provozierte Krankheitsbild der Mäuse dem des Menschen. Damit steht den Wissenschaftlern erstmals ein Modell zur Verfügung, an dem sämtliche Aspekte der Erkrankung im Detail studiert werden können.

Outside-in oder Inside-out?

In weiteren Studien ging das Team dann der Frage nach, welche Rolle das Immunsystem, sprich die T- und B-Zellen, spielen. Mäuse ohne diese Zellen, also ohne funktionierendes Immunsystem, erkrankten bei den Versuchen ebenfalls an Psoriasis. Sie blieben lediglich von Arthritis verschont. Mit dieser Erkenntnis ist die Hypothese, Psoriasis sei eine durch T-Zellen ausgelöste Autoimmunerkrankung, nicht länger haltbar. Wagner und Kollegen schlagen daher vor, Schuppenflechte in erster Linie als Hauterkrankung zu definieren, die durch die Immunzellen verstärkt wird.

Schnitt durch die gesunde Haut eines Menschen. Die leuchtend rote Färbung zeigt die Aktivität des Gens JunB in den verhornten Zellen der äußeren Hautschicht (Keratinozyten). (Bild: Nature, IMP)

Auch wenn mit dem Tiermodell noch keine neue Therapie gefunden ist, erkennt Erstautor Rainer Zenz einen Silberstreifen am Horizont:

Wir sind sicher, dass wir mit unserem Modell ein ausgezeichnetes Werkzeug für die präklinische Forschung geschaffen haben. Es wird sich außerordentlich nützlich für zukünftige Studien erweisen, die dem Verständnis und der Heilung dieser verbreiteten Krankheit dienen.