Der Lehrer macht den Unterschied

Ob Kinder das Maximum ihrer Begabung ausschöpfen, liegt zumindest in der Grundschule zum großen Teil am Lehrer.

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Wie gut Schüler zu lesen gelernt haben, bestimmt in nicht geringem Maß ihre weitere Schulkarriere. Studien haben unter anderem gezeigt, dass Kinder mit schlechteren Lesekenntnissen (sogar unabhängig von ihren sonstigen Erfolgen oder Misserfolgen) eher sitzenbleiben, ganz von der Schule abgehen oder gar in der Kriminalität landen. Allerdings ist das, was der Nachwuchs im Grunde erreichen kann, das Potenzial also, von dem abhängig, was die Eltern ihm mitgeben - und zwar nicht von Schulbroten oder Lesebegeisterung, sondern schlichtweg von den Genen. Doch wie groß ist dieser Anteil, und welche Rolle spielt dann noch die Schule?

Hier zeigen Studien bisher divergierende Ergebnisse. Vergleiche an Zwillingen mit unterschiedlichen Lehrern lassen zum Beispiel am Einfluss der Schule zweifeln. Andererseits zeigen langfristige Studien an nicht miteinander verwandten Kindern eindeutig, dass Lehrer durchaus Unterschiede bewirken können, so dass einige Klassen systematisch bessere Ergebnisse erreichen als andere. Das Problem besteht hier darin, dass solche Versuche den Einfluss der Gene und der miteinander geteilten Umgebung - also Schulklasse und Familie - nicht differenzieren können.

Deshalb versucht man zusätzlich, zwischen ein- und zweieiigen Zwillingen zu unterscheiden, die denselben beziehungsweise andere Lehrer hatten. So lässt sich eine Differenzierung zwischen 50 und 100 Prozent gemeinsamer Gene erreichen. Ziel ist, den Grad der genetischen Variabilität genauer fassen zu können, der unter anderem der Leseleistung zugrunde liegt. Frühere Ergebnisse in diesem Feld sind durchaus widersprüchlich: So zeigte sich zum Beispiel, dass sich bis zu 82 Prozent der Variabilität anhand genetischer Faktoren erklären lassen - und dass der Einfluss des elterlichen Erbes mit der Einschulung sogar zunimmt. Je nach Studie könnte der Effekt der Gene allerdings auch unterschätzt worden sein - wenn die Umgebung, in der die Kinder aufwachsen, sehr homogen ist (etwa viele weiße Mittelschichtkinder in der Probe), dann spielt die Umgebung selbst eine geringere Rolle.

Der Einfluss des elterlichen Bildungsgrads und der Einfluss der Lehrer

Interessant (und wenig überraschend) ist dabei, dass auch der elterliche Bildungsgrad eine Rolle spielt. Vor allem Kinder mit Leseproblemen profitieren von gebildeten Eltern. Die Leistungen höher begabter Schüler hingegen litten, wenn ihre Eltern selbst Leseschwierigkeiten hatten. An dieser Stelle setzt nun eine neue Studie an, die das Wissenschaftsmagazin Science in dieser Woche veröffentlicht. Darin untersuchen fünf amerikanische Bildungspsychologen, wie sich die Qualität von Lehrern auf die Leseleistungen ihrer Schüler auswirkt.

Die Daten dafür stammten aus einem Zwillingsprojekt an Grundschulen in Florida. Die vertretenen Schüler repräsentierten die (US-)Bevölkerung recht gut. 280 eineiige und 520 zweieiige Zwillingspaare waren in der Studie vertreten. Als Maßstab für die Qualität der Lehrer nutzten die Forscher die Ergebnisse der nicht miteinander verwandten Schüler in derselben Klasse. Um anfängliche Unterschiede auszuschließen, floss nur die Leistungsveränderung zwischen zwei Klassenstufen in die Bewertung ein. Das Ergebnis spricht für eine gute Lehrerbildung: Die Kinder erreichten umso besser das Maximum ihrer Möglichkeiten (feststellbar als erhöhte genetische Variabilität), je besser ihre Lehrer in der Bewertung abschnitten. Ähnliche Ergebnisse erhielten die Forscher, wenn sie speziell Zwillingspaare mit unterschiedlichen Lehrern untersuchten: Der Zwilling mit den schlechteren Leistungen hatte stets auch den schlechteren Lehrer abbekommen.

Die mathematischen Modelle, mit den Daten der Studie gefüttert, zeigten immerhin auch, dass das Bildungsniveau der Eltern nicht auch noch als zusätzlich verstärkender zweiter Faktor zum Tragen kamen: Ein höheres Niveau hätte ja auch zur spezifischen Wahl einer geeigneteren Umgebung für die Kinder führen können. Diese mögliche Elitenbildung (die Forscher nennen es „genetic niche-picking“) hat aber derzeit wohl noch keine signifikanten Auswirkungen auf die genetische Varianz.