Der Mond lädt nicht zum Bleiben ein"

Apollo-11-Pilot Buzz Aldrin über die Rückkehr zum Mond und das Gefühl, als Erster dort oben gestanden zu haben

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Als sich Mitte März in Bremen Raumfahrtexperten trafen, um unter dem Titel To Moon and beyond über die Rückkehr zum Erdtrabanten zu beraten, war auch einer dabei, der bereits dort war. Apollo-11-Pilot Edwin "Buzz" Aldrin begrüßte die Symposiumsteilnehmer mit einem 15-minütigen Vortrag, überreichte im Namen des Sponsors machtwissen.de zwei Experimentkoffer „Faszination Schwerelosigkeit“ an Bremer Schulen und lauschte zwischendurch den Vorträgen und Diskussionen.

Buzz Aldrin am 20. Juli 1969 auf dem Mond. Bild: Nasa

Das Leben als berühmte Person ist Aldrin nicht in die Wiege gelegt worden. Während des Fluges zum Mond und zurück schoss sein Pulsschlag nur ein einziges Mal in die Höhe. Das war, als plötzlich Präsident Nixon in der Leitung war, um ihm und Neil Armstrong zu ihrer Leistung zu gratulieren. Nach der Rückkehr stürzte Aldrin in eine tiefe Krise.

Doch das liegt hinter ihm. Heute scheint er mit dem Leben als Ikone des 20. Jahrhunderts recht gut zurechtzukommen. Als wir uns in der Bar des Hilton-Hotels gerade an einen Tisch gesetzt und das Aufnahmegerät in Stellung gebracht haben, kommt ein Mann vorbei, zögert einen Moment und fragt dann auf Englisch: „Sie sind Buzz Aldrin, nicht wahr?“ Aldrin bejaht, lehnt die Bitte nach einem Autogramm aber ab. Der Mann entschuldigt sich, geht ein paar Schritte, kommt zurück und fragt, ob er ein Foto machen könne. Das geht in Ordnung. Er gibt mir seine Digitalkamera, hockt sich neben Aldrin, und ich dokumentiere das Treffen mit einem Druck auf den Auslöser.

Bei all dem ist Aldrin sehr gelassen und ruhig geblieben. Er scheine sich an den Status als öffentliche Person ja ganz gut gewöhnt zu haben, frage ich. „Well, there is no easy way out“, antwortet er -- es gibt keinen leichten Weg, dem zu entkommen.

Nun ist es aber Zeit für das Interview. Ich schalte das Aufnahmegerät ein.

Herr Aldrin, Sie haben sich bei der Konferenz „To the Moon and beyond“ viele Vorträge angehört. Wie ist Ihr Eindruck von diesem Treffen?

Buzz Aldrin: Nun, es ist eine kleine Gruppe von Leuten, die sich miteinander unterhalten und hoffen, dass jemand zuhört. Es ist schade, dass sich keine Fangemeinde entwickelt hat, ähnlich wie im Sport oder im Unterhaltungsbereich, die die Dinge am Laufen hält. Der Weltraum scheint nicht mehr so viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Seltsam, von der Aufbruchsstimmung, die dieses Treffen charakterisierte, scheint er nichts mitbekommen zu haben. Es hat wohl mit der spezifisch deutsch-europäischen Situation zu tun, die er nur zurückhaltend kommentiert. Außerdem hat dieser Mann in seinem Leben wohl schon so viele vermeintliche Aufbrüche erlebt, die dann enttäuschend verliefen, dass er skeptisch geworden ist.

Buzz Aldrin. Bild: buzzaldrin.com

Haben Sie nicht den Eindruck, dass sich seit dem Absturz der Raumfähre Columbia am 1. Februar 2003 einiges geändert hat? Immerhin hat Präsident George W. Bush ein Jahr später die Space Exploration Initiative verkündet.

Buzz Aldrin: Wir haben jetzt einen neuen Plan, der die Kräfte fokussiert und einige politische Unterstützung erhält. Die Herausforderung besteht darin, diesen Plan in die nächsten Amtsperioden der künftigen Präsidenten hinüber zu retten. Die kritische Phase des Übergangs fällt zusammen mit dem 40. Jahrestag der Mondlandung. Ich sehe es als meine Aufgabe, die Errungenschaften des Apollo-Programms mit den neuen Plänen zu verbinden. Eine ganze Generation hat bemannte Raumfahrt in den letzten Jahren nur im Zusammenhang mit dem Space Shuttle erlebt. Doch diese Missionen konnten die Menschen nicht so begeistern wie die Bilder des Hubble Space Telescopes, des Cassini Orbiters beim Saturn oder der Exploration Rover auf dem Mars.

Befürchten Sie, die Exploration Initiative könnte scheitern?

Buzz Aldrin: Ja, diese Sorge habe ich durchaus. Es ist sehr aufwendig, auf dem Mond bemannte Stationen zu unterhalten. Daher könnte es sinnvoll sein, nach der Erkundung durch Menschen die weiteren Arbeiten durch Roboter ausführen zu lassen. Die führenden Leute bei der Nasa gehen dagegen von kontinuierlich wachsenden Einwohnerzahlen auf dem Mond und dem Mars aus. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sich die Besiedelung einer so lebensfeindlichen Umgebung wie auf dem Mond auf Dauer rechtfertigen lässt. Sie muss sich irgendwie bezahlt machen, ansonsten ist es eine kontinuierliche Anstrengung, die uns von anderen Dingen abhält.

Schon in seiner Begrüßungsrede an die Symposiumsteilnehmer hatte Aldrin den Mond als „crappy place to live“ bezeichnet -- „you understand ‚crappy‘?“, fragte er dann noch. Ja, irgendwie schon. Ich habe trotzdem noch einmal im Wörterbuch nachgesehen: wertlos, hässlich, widerlich. Der Mond, so Aldrin, lade nicht zum Bleiben auf Dauer ein. Der Mars schon eher.

Auf der Bremer Konferenz wurde mehrmals der Gedanke geäußert, dass die Besiedelung des Mars aufgrund der dort vorhandenen Ressourcen einfacher sein könnte.

Buzz Aldrin: Auf keinen Fall sollten wir ein paar Mal dorthin fliegen und dann wieder damit aufhören. Es muss eine kontinuierliche Evolution sein. Daher sehe ich auch keinen Grund zur Eile. Wir könnten zunächst erdnahe Asteroiden besuchen, mit den dort gewonnenen Erfahrungen zu den Marsmonden Phobos und Deimos fliegen und von dort aus Erkundungen der Marsoberfläche vornehmen.

Das heißt, wir würden die Marsmonde als natürliche Raumstationen nutzen?

Buzz Aldrin: Genau. Wir wissen allerdings noch wenig über ihre Beschaffenheit. Wir wissen auch nicht, wie Astronauten mehrjährige Schwerelosigkeit verkraften können. Ich denke, dass man mit geeignetem Training dem entgegen wirken kann. Aber wir sollten auch künstliche Gravitation in Erwägung ziehen. Eine interessante Maschine, die ich in Südkalifornien gesehen habe, kombiniert beides: Es ist eine Art Karussell für zwei Personen, das durch einen Menschen auf einem Fahrradtrainer in Bewegung gesetzt wird. Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass für den Betrieb keine Energie erforderlich ist.

Sie haben das Konzept der „Mars Cycler“ entwickelt, das sind Raumschiffe, die auf einem Orbit um die Sonne kreisen, der sie regelmäßig an Erde und Mars vorbei führt. Würden diese Mars Cycler über künstliche Schwerkraft verfügen?

Buzz Aldrin: Sie könnten sich dorthin entwickeln. Damit solche großen Projekte überhaupt in Gang kommen, muss man sich ihnen aber in kleinen Schritten nähern. Die künstliche Schwerkraft würde daher vielleicht zuerst auf den Marsmonden oder im Marsorbit erprobt werden, um sie dann auf die Mars Cycler und andere Raumschiffe zu übertragen.

Nach dem Absturz der Columbia hat die Nasa beschlossen, den Transport von Astronauten und Fracht zukünftig zu trennen. Sie sind damit nicht einverstanden?

Buzz Aldrin: Die Trennung von Passagieren und Fracht ist sicherlich sinnvoll. Die Nasa will aber nicht nur unterschiedliche Raumschiffe, sondern auch separate Trägerraketen, die Ares I und die Ares V, dafür entwickeln. Nun mag man bei Trägerraketen für unbemannte Missionen gewisse Abstriche hinsichtlich der Zuverlässigkeit machen können. Ich habe aber Zweifel, ob diese Ersparnisse die Entwicklung eines eigenen Trägersystems wirklich aufwiegen können. Beide Raketen benötigen zudem jeweils ihre eigene Infrastruktur am Boden.

Aldrins Augen sind hellwach und voller Lebenslust. Aber wer ihm nahe gegenüber sitzt, kann im Gesicht die Zeichen des Alters nicht übersehen. Im Internet kursiert ein Video, in dem Aldrin einem Mann, der ihn als Feigling und Lügner bezeichnet, der nie auf dem Mond gewesen sei, mit der Faust kräftig ins Gesicht schlägt. So eine Aktion könnte man dem heute 77-Jährigen immer noch zutrauen.

Rechnen Sie damit, die Rückkehr von Menschen zum Mond selbst noch zu erleben?

Buzz Aldrin: Meine Frau tut sehr viel, um mich noch eine Weile am Leben zu halten. Aber im Jahr 2020 werden von den 24 Personen, die zum Mond geflogen sind, nicht mehr viele übrig sein. Das Treffen zum 50. Jahrestag der Mondlandung 2019 wird ziemlich traurig werden, mit vielen Krücken und Rollstühlen. Es gibt auch schon Vorschläge, die Landung auf 2025 zu verschieben, um die finanziellen Lasten zu verringern. Das würde allerdings auch die zeitliche Lücke zwischen der Ausmusterung des Space Shuttle und der Verfügbarkeit des neuen Transportsystems Orion vergrößern. Es sei denn, es gelingt bis dahin, im Rahmen des COTS-(Commercial Orbital Transportation System)-Programms eine privatwirtschaftliche Alternative zu entwickeln. Die Nasa hat im vergangenen Jahr zwei US-Firmen, SpaceX und Rocketplane-Kistler, Geld für eine erste Entwicklungsphase gegeben. Ich bezweifle aber, dass beide Unternehmen in der Lage sind, ein komplettes Transportsystem zu entwickeln. Hier bieten sich interessante Kooperationsmöglichkeiten für Europa.

Sie haben gemeinsam mit John Barnes den Science-Fiction-Roman „Begegnung mit Tiber“ geschrieben, in dem es um interstellare Raumfahrt geht. Werden wir eines Tages unser Sonnensystem verlassen?

Buzz Aldrin: Die Barriere, die wir auf dem Weg zum nächsten bewohnbaren Planetensystem überwinden müssen, ist sehr groß. Um das Überleben der Menschheit zu sichern, reicht es zunächst aus, unsere nähere Umgebung im Sonnensystem zu besiedeln. Der Mars ist sicherlich der attraktivste Ort dafür. Dann können wir darüber nachdenken, wie wir dem Erlöschen der Sonne in mehreren Milliarden Jahren entkommen wollen.

Aldrin wirkt entspannt, zeigt keine Anzeichen von Unruhe oder Nervosität. Er lässt sich Zeit mit seinen Antworten, überlegt sich die Worte genau, scheint sich daran zu erfreuen, neue Gedanken zu entwickeln. Das ist vielleicht die Gelegenheit für ein paar Fragen, die er schon tausendmal gehört hat.

Ich kann Ihnen eine Frage nicht ersparen. Viele Reporter sollen Sie damit schon zur Verzweiflung getrieben haben: Wie fühlt es sich eigentlich an, auf dem Mond zu stehen?

Buzz Aldrin: Es ist immer noch frustrierend. Ich weiß nicht, welche idealen Antworten es gibt, welche plumpen und was noch dazwischen liegt. Was auch immer man in dem Moment empfindet, kann durch die Beschreibung so verändert werden, dass am Ende niemand mehr weiß, wo die Wahrheit liegt.

Kann man „Begegnung mit Tiber“ als eine Antwort auf die Frage lesen?

Buzz Aldrin: Nein, der Astronaut Chris, der auf dem Mond abstürzt, hat wenig mit mir zu tun. Es ging uns in der Geschichte ohnehin mehr um den Mars. Der Mond wird auf Dauer eher ein Einsatzgebiet für Roboter sein. Interessanterweise besteht ein großer Teil der Arbeit von Astronauten darin, sich überflüssig zu machen.

Haben Sie es jemals bedauert, bei der ersten Mondlandemission dabei gewesen zu sein, die zugleich die kürzeste war?

Buzz Aldrin: Ich habe natürlich davor und danach immer wieder darüber nachgedacht. Was ich an Depressionen und Alkoholismus durchgemacht habe, wäre bei einer der späteren, komplizierteren Missionen kaum anders gewesen. Aber die Unterbrechung des bisherigen Lebens und die anschließende Anpassung an ein unstrukturiertes Leben waren bei der ersten Mission sehr viel gravierender. Wir bekamen eine ungeheure Aufmerksamkeit. Der kann man ausweichen, so wie Neil es ganz bewusst getan hat und dabei produktiv geblieben ist. Wenn ich mich zurückziehen würde, würden mir die Anregungen durch andere Menschen fehlen. Ich hätte viel mehr im Nebel verschwinden können. Aber ich habe mich Schritt für Schritt daran gewöhnt, unter Leute zu gehen und ansprechbar zu sein. Meine Frau hat mir dabei sehr geholfen.