Der Neokapitalismus zerstört

Seite 2: Der Verweis auf "früher" passt nicht

Da war SC-Freiburg-Fan Klaus Theweleit vor bald 20 Jahren vielleicht doch weiter, als er sich im Interview mit der taz gegen "diesen Neidquatsch" aussprach und linke Klischees vom Guten, Wahren, Schönen aussprach:

Selbst wenn es einem an den Kragen, den Arbeitsplatz geht, hat man nichts davon, wenn ein Star zehn Millionen weniger verdient.

Klaus Theweleit

Der Fortschritt bestehe darin, "gesellschaftliche Grundkonflikte nicht am falschen Ort auszutragen. Der Klassiker ist ja, es in der Familie auszutragen. Weg damit. Aber auch die Fußballspielfläche muss frei davon sein. Erst dann kann man auch frei etwas darin probieren oder lernen oder denken".

Den großen Weltunternehmen gehe es tatsächlich gar nicht so gut. Längst werde Globalisierung zurückgeschraubt, Unternehmensteile abgestoßen. "Die Hälfte der Fusionen würde man gerne rückgängig machen, sie funktionieren nicht richtig."

Theweleit verweist demgegenüber auf die psychische Basis jeder Gesellschaft, das kollektive Unbewusste und auf den soziokulturellen Mentalitätswandel: Spieler von heute müssten anders angesprochen werden. Insofern passt Christian Strreichs Verweis auf "früher" nicht.

Der Sozialtyp, der die anderen mitreißt und der sich mitreißen lässt, sei "nicht mehr da". Vielleicht ist das ein Ergebnis des beschriebene Neokapitalismus, aber es hat auch etwas mit flacheren Hierarchien und der allgegenwärtigen Digitalisierung zu tun.

Utopien, seien es auch rückwärtsgewandte wie die von Streich, funktionierten, so Theweleit schon lange nicht mehr: "Das hat sich aus nachvollziehbaren Gründen totgelaufen. Man kann nicht, indem man dauernd richtig lebt, die Welt umstürzen. Das ist ja sowieso eine Wahnidee. Die hatte teils eine gute Funktion, in den Siebzigern und Achtzigern, aber das kann man nicht fünfzig Jahre durchhalten."

Fußball habe demgegenüber eine Funktion als Medium von Kommunikation und Distinktion:

"Die Musik ist das Vorbild. Lange wurde viel verhandelt über die Hits, die man hört, die Bands, die man mag, wer wo wie zusammenarbeitet und was erfindet. Das hat auch eine Grenze gefunden durch eine Spezialisierung, bei der Kleinigkeiten unterschieden werden, die nur wenige wahrnehmen. Beim Fußball nimmt man alles wahr. Das ist einfach. Die großen gesellschaftlichen Reden brauchen einen einfachen Darstellungsbackground. ...

Wenn das Linke sich auflöst in eine genaue Wahrnehmung der Welt, das ist das Beste, was das Linke überhaupt machen kann. Im Fußball sollte man auf Klischees verzichten.

Klaus Theweleit

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