Der Schweinewirt

Reston-Ebola von der Sau auf den Mensch übertragen

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Die Weltgesundheitsorganisation hatte im Januar bereits Alarm geschlagen, als auf den Philippinen mehrere Arbeiter einer Schweinezucht positiv auf Antikörper gegen den für den Menschen ungefährlichen Erreger des Reston-Ebola getestet wurden. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen jetzt, dass Schweine als Wirt für dieses Virus dienen. Und Schweine können auch Schweinegrippe bekommen.

Das Verhältnis des Menschen zum Schwein ist traditionell ambivalent. Zum einen gilt das Tier als unrein, schmutzig und versaut, zum anderen als Glücksbringer und Symbol für Wohlstand. Seit mindestens 9.000 Jahren begleitet die Sau uns als Haustier. Dennoch ist der Verzehr von Schweinefleisch in manchen Religionen, vor allem dem Judentum und dem Islam verboten, bzw. gilt das Tier an sich als unrein. Ein Verbot, das in früheren Zeiten mit mangelnder Kühlung und Hygiene durchaus medizinisch Sinn machte, da das Fleisch unter anderem Salmonellen oder Trichinen enthalten kann und sich insgesamt sehr schnell zersetzt. Bis heute gilt grundsätzlich: Schweinefleisch immer gut durchgaren und nicht halbroh verzehren!

Das Schwein ist dem Menschen körperlich durchaus ähnlich, das gilt vor allem für die Physiologie und die Größe der inneren Organe. Das ist der Grund, warum es als aussichtsreicher Kandidat für die Xenotransplantation gilt, die Verpflanzung tierischer Organe in den menschlichen Organismus (vgl. Das Schwein als Organspender für den Menschen). Ein Verfahren, an dem eifrig geforscht wird, das aber auch wegen der Risiken und ethischer Fragen äußerst umstritten ist. Nicht zuletzt wegen der potenziellen Gefahr der Übertragung von Krankheiten auf den Mensch.

Das Schwein ist Träger spezieller Retroviren (PERV, porziner endogener Retrovirus), die aber dem Menschen wahrscheinlich nicht gefährlich werden können. Die Schweinegrippe trägt dagegen ihren Namen eigentlich zu Unrecht, das Robert-Koch-Institut nennt die neue Influenza mit dem Kennzeichen A/H1N1 daher auch schlicht „Neue Influenza“ (vgl. Neue Influenza A/H1N1). Der Erreger hat zwar Ähnlichkeit mit der echten Schweineinfluenza (Porzine Influenza), es handelt sich aber um einen neuen Typ, der sich von Mensch zu Mensch verbreitet – zunächst waren Schweine selbst gar nicht betroffen.

Ganz aktuell gelang es jetzt Forschern des Friedrich-Loeffler-Institutes (FLI) den Nachweis zu erbringen, dass Schweine sich sehr wohl mit der Neuen Grippe A/H1N1 infizieren können und sich dann auch untereinander anstecken (vgl. Vorab-Veröffentlichung online: Journal of General Virology: Pathogenesis and transmission of the novel swine origin influenza virus A/H1N1 after experimental infection of pigs).

Jetzt besteht natürlich die Befürchtung, dass das Grippevirus sich in Schweinen erneut verändern und dadurch für den Menschen sehr viel gefährlicher werden könnte. Thomas Vahlenkamp vom FLI erklärt:

Im frühen Stadium der Schweinegrippe-Pandemie gab es die Befürchtung, dass Menschen sich das Virus von Schweinen einfangen könnten, aber bislang gab es dafür keinen Beweis. Mit der wachsenden Anzahl der menschlichen Infizierten wird ein Überschwappen des menschlichen Virus auf Schweine wahrscheinlicher. Die Prävention der Mensch-zu-Schwein-Übertragung sollte eine hohe Priorität haben, um zu vermeiden, dass Schweine in die Epidemiologie dieser Pandemie involviert werden.

Mutiert das Virus auf seinem Weg durch die Sau zurück zum Menschen, könnte es wesentlich aggressiver werden. Bis lang sind zwar viele Menschen erkrankt, aber meist verläuft die Krankheit nicht lebensbedrohlich. Bis heute gab es weltweit knapp 100.000 mit den Neuen Grippe infizierte Menschen, von denen 429 starben (vgl. WHO Pandemic (H1N1) 2009 - update 58), in Deutschland traten 691 Fälle auf (vgl. RKI Situationseinschätzung zur Neuen Influenza).

Reston-Ebola

Aber es schlummern auch noch andere Erreger im Borstenvieh. Schon Anfang des Jahres hatten sich auf den Philippinen vier Landarbeiter und ein Metzger mit dem Reston-Ebolavirus angesteckt. Alle waren mit Schweinen in Kontakt gewesen, die schon seit 2008 wahrscheinlich Infektionsträger waren. Die Weltgesundheitsorganisation zeigte sich besorgt und veranstaltete ein spezielles Expertenpanel, denn zuvor war diese spezielle Unterform des Ebola-Virus nur in Affen vorgekommen und ausschließlich durch Kontakt mit ihnen auf den Menschen übertragen worden.

Es gibt verschiedene Formen der hämorrhagischen Fieber. Neben Gelb- und Denguefieber u.a. gibt es zum einen das Marburg-Fieber, zum anderen seinen engen Verwandten Ebola, das Mitte der 70er Jahre das erste Mal in Zaire und im Sudan auftrat.

Es existieren fünf Subtypen des fadenförmigen Filovirus, die nach Regionen benannt sind: Zaire, Sudan, Bundibugyo, Elfenbeinküste und Reston. Die ersten drei Unterformen führen zu schweren Erkrankungen mit Fieber, Schüttelfrost, Schleimhautentzündungen, Durchfall, Muskelschmerzen, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Magenkrämpfen, Kopf-, Hals- und Brustschmerzen; und anschließenden äußeren und inneren Blutungen. Ebola ist nicht heilbar, die Ärzte können nur die Symptome lindern. Die Krankheit ist extrem ansteckend und wird durch Körperflüssigkeiten übertragen.

Die Erreger vom Typ Elfenbeinküste sind weniger gefährlich als die anderen, die vom Typ Reston (benannt nach einem US-Labor, wo Wissenschaftler sich durch Affen infiziert hatten) sind für den Menschen bislang völlig ungefährlich, nur Makaken-Affen entwickeln Krankheitssymptome. Die Äffchen galten bis vergangenes Jahr auch als einzige Wirte dieser Subform, bei den anderen Ebola-Viren stehen verschiedene Tiere unter Verdacht, die tödlichen Viren in sich zu tragen (vgl. Das große Bluten), ganz sicher sind Fledermäuse darunter (vgl. Iss nicht Batman). Die Ausbrüche von Ebola finden immer wieder unerwartet und plötzlich in bestimmten Regionen auf, vermutlich weil tierische Wirte lokal die Krankheit übertragen.

Schweinewirte für Ebolavoiren, das ist völlig neu..

Sofort begann die systematische wissenschaftliche Erkundung. Jetzt veröffentlicht ein amerikanisch-philippinisches Forscherteam in der aktuellen Ausgabe des Magazins Science den aktuellen Erkenntnisstand (vgl. Discovery of Swine as a Host for the Reston ebolavirus). Das Team um Roger W. Barrette vom United States Department of Agriculture analysierte die Gewebeproben von infizierten Tieren von den Philippinen und verglich sie mit dem Material von 1989, als die ersten bekannten Infektionen von Menschen mit Reston-Ebola auftraten. Dabei zeigte sich, dass das Virus sich seit seinem ersten Auftreten verändert hat – vermutlich auch auf seinem Weg durch den Schweine-Organismus.

Ob er dadurch bösartiger und für den Menschen gefährlich wird, ist noch nicht abzusehen, aber die Gefahr besteht, dass er so aggressiv werden könnte wie die anderen Subformen von Ebola. Darüber hinaus ist die Infektion von Schweinen auch wegen des damit verbundenen Einzugs in die menschliche Nahrungskette bedenklich – und im Gegensatz zu Flughunden oder Affen sind Schweine fast überall auf der Welt selbstverständliche Nutztiere. Massentierhaltung ist in Schweinefarmen alltäglich.

Damit steigt grundsätzlich das Risiko für Menschen, sich mit Reston-Ebola zu infizieren und damit auch das Risiko, dass das Virus weiter mutiert. Die Forschergruppe um Roger Barrette kommt zu dem Schluss:

Es ist beunruhigend, dass seine Passage durch die Schweine es dem Reston-Ebolavirus möglich machen könnte, zu divergieren und sein pathogenes Potenzial zu verändern. Darüber hinaus machen es die Reston-Ebolainfektionen von Schweinen nötig, die Pathogenese von Reston-Ebola bei Ko-Infektionen oder Wirten mit geschwächtem Immunsystem zu untersuchen. Durch nationale und internationale interdisziplinäre Kooperation wird es möglich sein, künftig epidemiologische und pathogenetische Studien durchzuführen, die Aufschluss über potenzielle Wirte, Übertragungswege, Mechanismen der Pathogenese und die Prävalenz von Reston-Ebola in der Natur geben werden – und die Konsequenzen für die Agrarindustrie und den Handel sichtbar zu machen.