Der Streit um die Autorenrechte verschärft sich

Das prognostizierte Geschäft mit dem Content entzweit Verwerter und Urheber

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Content ist King, lautet das Mantra, an das sich zahlreiche Verlage gerade während der Flaute im (Online-) Werbemarkt klammern. Die Marktforscher bestätigen ihre Hoffnungen (noch) und gehen von Millionensummen aus, die sich durch das Geschäft mit dem digitalen Content in Zukunft erwirtschaften lassen sollen. Ziel der Verleger ist es nun, sich anlässlich der Umstellung der Medienwelt von analog auf Bits und Bytes neue Einnahmequellen erschließen – ohne die Autoren wie bisher am Gewinn zu beteiligen. Beispiele für die Verfolgung dieser Strategie ist das Bündeln von immer mehr Inhalten in kostenpflichtigen Datenbanken, die Einführung von elektronischen Pressespiegeln sowie die viel beschworene Content Syndication, den mehrfachen Verkauf einmal produzierter Texte.

Ein Hindernis müssen die Verleger noch aus dem Weg räumen, bevor der Rubel rollt: das gute alte Urheberrecht. Das mag sich erstaunlich anhören in einer Welt, in der die großen Medienkonzerne und vor allem die Musikindustrie permanent nach schärferen Gesetzen rufen, die ihnen ihre Pfründe sichern. Doch dabei geht es ihnen allein um Verwertungsrechte, die sie den eigentlichen Urhebern und Autoren zunächst für möglichst geringe Kosten abgekauft haben.

Die wollen die bereits stattfindende und sich im digitalen Zeitalter den Anzeichen nach verschärfende Ausbeutung ihrer Ideen und Werke jedoch nicht dulden und dringen auf die durchgehende Beteiligung an den Erträgen der Content-Verkäufer. Der Streit wird inzwischen von heftigen Lobbygefechten auf höchster politischer Ebene begleitet und wird die Gerichte voraussichtlich noch über Jahre hinaus beschäftigen.

In Deutschland manifestiert sich die Auseinandersetzung momentan in zwei Bereichen: Einmal im Streit um die Presse-Monitor Deutschland GmbH (PMG), zu der sich die größten deutschen Verlagshäuser – Axel Springer, Burda, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Gruner + Jahr, Spiegel, Süddeutscher Verlag und Verlagsgruppe Handelsblatt – im vergangenen Jahr zusammengeschlossen haben. Stein des Anstoßes: Aus dem sich abzeichnenden Geschäft rund um die elektronischen Pressespiegel sollen die Autoren keinen Pfennig extra sehen. Zum zweiten tobt die Schlacht um das Urhebervertragsrecht, mit dem Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin die Position der Autoren stärken will – ganz im Gegensatz zum industrienahen Kanzler. Beide Komplexe – PMG und das neue Gesetz – sind eng miteinander verknüpft.

Zankapfel elektronische Pressespiegel

In der Printwelt sind Pressespiegel klar geregelt. Das aktuelle Urheberrecht von 1965 behält Autoren zunächst das alleinige Verfügungsrecht über ihre Werke vor. Ausnahmen bestehen unter anderem für die Vervielfältigung und Verbreitung von Texten zur Erstellung von Pressespiegeln. Der Gesetzgeber knüpfte an diese Erlaubnis allerdings in § 49 des Urhebergesetzes die Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Vergütung.

Da die Urheber unmöglich von allen Herausgebern von Pressespiegeln diese Schulden eintreiben können, übertragen sie ihre Ansprüche in der Regel an die VG Wort. Wenn sich Firmen heute ihre interne Presseschau nach wie vor mit Schere, Kleber und Kopierer selbst zusammenbasteln, zahlen sie dafür eine individuell auszuhandelnde Pauschale an die Verwertungsgesellschaft. Die sammelt die VG Wort in einem großen Topf und schüttet sie mit Hilfe eines komplizierten Schlüssels wieder aus. Rund 9 Millionen Mark konnte sie so im vergangenen Jahr an ihre Mitglieder auszahlen. Da auch die Verlage in ihren Manteltarifverträgen für Redakteure bestätigen, dass die Ansprüche aus § 49 allein den Journalisten zustehen, hatte das Justizministerium 1985 beschlossen, dass diese nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden dürfen.

Geht es nach den Betreibern der PMG und den ihr angeschlossenen Verlagen, soll im digitalen Zeitalter alles anders werden. Ihre Gesellschaft haben sie nicht nur gegründet, um den zahlenden Kunden die Mitarbeiterinformation zu erleichtern. Im Prinzip geht es ihnen auch darum, die bisher über den Umweg der VG Wort an die Autoren fließenden Gelder selbst einzustreichen. Das im April gestartete Projekt befindet sich momentan im Probestatus, an dem unter anderem die Deutsche Telekom teilnimmt. Laut Satzung fließen von jedem verwendeten Artikel 60 Prozent der Umsätze an den Verlag, 40 Prozent bleiben im eigenen Haus. Der Grundpreis pro Text variiert zwischen 3 und 6 DM. Zehn Millionen Mark sind bereits in das Projekt geflossen. Binnen drei Jahren sollen schwarze Zahlen geschrieben werden.

Autoren sollen leer ausgehen

Eine Beteiligung der Autoren an den Erlösen der PMG ist nicht vorgesehen. Die Betreiber der PMG und die Verlagsjuristen vertreten den Standpunkt, dass die Gesellschaft – ähnlich wie eine Fotoagentur – nur Texte weiter verkauft, an denen die Verlage bereits alle Rechte haben.

Doch ihre Haltung stößt nicht nur bei Journalistenverbänden und der Mediengewerkschaft auf Kritik. "Agenturen und Verlage lassen sich plötzlich durch Verträge so darstellen, als ob sie selbst die Urheber wären", wettert Gabriele Beger, Direktorin der Berliner Stadtbibliothek, gegen die Haltung der großen Verlagshäuser. Ihre Empörung teilt Rainer Kuhlen, Professor für Informationswissenschaft an der Universität Konstanz. Seiner Meinung nach "ist die exklusive Aneignung von Wissen durch die Verleger auf Dauer nicht mehr erträglich."

Auch für Ferdinand Melichar, geschäftsführender Vorstand der VG Wort, ist der Fall klar: "Die Verleger wollen die Einnahmen aus der Verwendung von Artikeln für elektronische Pressespiegel entgegen der geltenden Tarifbestimmungen selbst behalten und den Zugang zu Informationen monopolisieren."

Rechtlich durchsetzen konnte sich die VG Wort mit ihrer Haltung bisher aber nicht. Sie hatte bereits vor zwei Jahren einen Mustervertrag mit einem Unternehmen für einen E-Pressespiegel abgeschlossen. Dagegen hatten die Berliner Zeitung sowie die Süddeutsche Zeitung, das Handelsblatt und die Welt in zwei getrennten Verfahren geklagt und einstweilige Verfügungen erstritten. Die bisherigen Bestimmungen für Print-Pressespiegel lassen sich – so urteilten beispielsweise die Richter am Oberlandesgericht in Hamburg – nicht einfach auf das Internet übertragen. Die VG Wort hat Berufung gegen beide Entscheidungen eingelegt, rechnet mit einer Klärung allerdings erst durch den Bundesgerichtshof. Der Streit wird sich vermutlich noch zwei Jahre hinziehen.

Unabhängig davon bleibt die Frage umstritten, ob die PMG nicht selbst wie eine Verwertungsgesellschaft arbeitet. Diese Frage prüft derzeit das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) in München, denn Verwertungsgesellschaften brauchen eine staatliche Zulassung. Dem Berliner Rechtsprofessor Wilhelm Nordemann zufolge hätte die Firma – die der Bund der deutschen Zeitungsverleger (BDZV) pikanterweise in einer Mitteilung zu ihrem Start mehrfach als "Verwertungsgesellschaft" bezeichnet – ihren Betrieb daher gar nicht aufnehmen dürfen. Er sieht in der PMG eindeutig eine Verwertungsgesellschaft, da "sie die Rechte an den Texten von den Verlegern erhält und an Dritte weitergibt".

Das DPMA hatte sich denn auch verwundert über den schnellen Start der PMG geäußert. Noch im Mai sollte es eigentlich Gespräche zwischen der Pressespiegel-Gesellschaft und dem Patentamt geben. Sie wurden aber bisher immer wieder verschoben.

Mit dem Diktat der Verleger soll Schluss sein

Die Augen aller Beteiligten richten sich daher momentan auf den Gesetzgeber. Die Bundesjustizministerin ist bekanntermaßen ein "Fan" der Autoren. Der SPD-Politikerin liegt die Stärkung der Rechte der Autoren seit langem am Herzen. Was die Ministerin vor allem stört, sind die die Praktiken zahlreicher Verlage, sich im Rahmen eines so genannten "Buy Out" auch von freien Autoren das Recht zur ausschließlichen Verwertung eines Werks über alle Medienformate hinweg durch entsprechende Verträge zu sichern.

Gerade seit der Online-Presse-Monitor an den Start ging, flattern zahlreichen Freien immer öfter entsprechende, mit heißer Nadel gestrickte Vertragsentwürfe ins Haus. Mit einer Unterschrift sollen die Urheber sich dann der Möglichkeit berauben, so Michael Hirschler vom Deutschen Journalisten-Verband, "am Erfolg ihrer Werkleistung wirtschaftlich angemessen zu partizipieren und sich langfristige Einnahmen zu sichern." Die Süddeutsche Zeitung verzichtet sogar auf Verträge und baut auf eine Klausel unter jeder Abrechnung, demnach der Ankauf von Artikeln mit dem "umfassenden, räumlich und zeitlich unbefristeten Nutzungsrecht an Ihren Beiträgen auch für die digitale Verwertung, gleich in welcher Form und auf welchen Trägermedien," gekoppelt sei.

Die Justizministerin will diesem Wildwuchs nun ein Ende bereiten. Schon im vergangenen Jahr hatte sie ein Professorenkollegium mit der Ausarbeitung einer Skizze für ein Urhebervertragsrecht beauftragt. In dem im Sommer 2000 vorgestellten Vorschlag ist vom unbedingten Anspruch der Autoren auf eine "angemessene Vergütung" die Rede. Diese Klausel schiebt Buy-Out-Verträgen und dem "Diktat" der Verlage, von dem der zu der Professorenriege gehörende Nordemann spricht, einen Riegel vor. "Damit ist Schluss", sobald das Gesetz in Kraft trete, lässt Ministeriumssprecherin Maritta Strasser keinen Zweifel an dem Willen ihrer Chefin. Von dem Grundsatz der angemessen Vergütung bei jeder Verwertung eines Werkes werde auf keinen Fall abgewichen.

Geht es nach der Ministerin, werden sogar längst abgeschlossene Buy-Out-Verpflichtungen hinfällig. "Neues Recht bricht alte Verträge", so Strasser. Das sei beim Urheberrecht nicht anders als beim Mietrecht. Freie Autoren und ihre Auftraggeber müssten sich in Zukunft "tarifvertragsmäßig" einigen.

Verwässerung des Urhebervertragsrechts scheint vorprogrammiert

Doch trotz der Willensbezeugungen aus dem Justizministerium ist fraglich, ob aus dem Referentenentwurf für das Urhebervertragsrecht ohne deutliche Zugeständnisse an die Verleger Gesetz wird. Das Papier soll am 30. Mai ins Kabinett wandern, nachdem es bislang von den anderen Ressorts der Bundesregierung kommentiert wurde. Die Verlegerverbände haben allerdings schon im Vorfeld ihre Lobbymaschinerie angeworfen: Einen Gegenvorschlag zu dem Entwurf hatten sie zusammen mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels und mehreren Fernsehsendern bereits Mitte April erarbeitet und direkt an Bundeskanzler Gerhard Schröder geschickt. Darin wehren sich die Medienverbände gegen "Eingriffe in die Vertragsfreiheit und den Zwang zum Abschluss von Kollektivverträgen".

Vor knapp zwei Wochen sicherte Schröder den Verlagsbossen auf einem Treffen des Verbands der Lokalpresse in Berlin nun bereits einen fairen Kompromiss zu. Der von Wissenschaftlern ausgearbeitete Gesetzesvorschlag werde so nicht Wirklichkeit, weil er kein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Rechten der Autoren und den Interessen kleiner und mittlerer Verlage herstelle, beruhigte der Kanzler die Branche.

Gerichtsentscheid auf höchster Ebene in den USA steht an

Der Streit um die Autorenrechte dürfte zwischen Verbänden beider Seiten und dem Gesetzgeber, der bisher selbst noch keine klare Linie gefunden hat, noch eine ganze Weile für böses Blut sorgen und die Gerichte weiter beschäftigen. Auch in den USA wird der Kampf "Autoren versus Verleger" mit Hauen und Stechen ausgetragen und hat dort nach jahrelangen Gefechten die oberste Instanz erreicht. Der Supreme Court wird nun in Kürze darüber entscheiden, ob Zeitungen – in diesem Fall die New York Times – die Texte freier Autoren ohne die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung über kommerzielle Datenbanken und Archive weiterverkaufen dürfen.

Gegen diese Praxis hatte der Times-Autor Jonathan Tasini zusammen mit einer Handvoll Kollegen erstmals 1993 geklagt. Für den Präsidenten der National Writers Union geht es nicht nur ums Geld und ums Urheberrecht, sondern auch um das Recht auf freie Meinungsäußerung. Seiner Meinung würden die Verleger bei einem Sieg allein den Zugang zu Informationen kontrollieren, was nicht verfassungsgemäß sei.

Besonders erstaunlich bei dem ganzen Zwist ist, dass die Verlagshäuser ihre Position weitgehend auf zukünftige Geschäftsmodelle wie die Content Syndication bauen. Es ist aber noch gar nicht klar, ob die sie damit jemals große Gewinne realisieren können. Den gesamten Markt für die Mehrfachverwertung von Verlagsinhalten schätzt die Boston Consulting Group fürs Jahr 2003 zwar auf eine Milliarde Mark in Deutschland. Doch davon sind zum einen die Summen abzuziehen, die die eigentlichen Vermittler der Inhalte – das sind die Verlage in der Regel gar nicht selbst – einbehalten. Zum anderen läuft das erwartete Geschäft angesichts der sinkenden Euphorie rund ums Internet deutlich langsamer an als geplant. Mehr als ein paar Mark pro zweitverkauftem Text lässt sich für die Verleger momentan nirgends verdienen.