"Der Teufel ist ein kristallklarer Theologe"

Seite 2: Der "Fallensteller-Gott" hat Prediger, aber keine Gläubigen

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"Wege und Umwege der Liebe"

Mit Blick auf jene Erdregionen, in denen homosexuelle Frauen und Männer noch immer Opfer systematischer Gewalt werden, hat eine Weltkirche mit mehr als einer Milliarden Mitglieder selbstredend auch einen befreiungstheologischen Auftrag. In Westeuropa oder Amerika benötigen Lesben und Schwule indessen in der Regel nur noch dort eine Solidarität der Kirche, wo ihnen nach einem Outing der Verlust eines kirchlichen Arbeitsplatzes droht.

Ansonsten konnte sich das Gottesvolk im Kontext offener Gesellschaften weithin schon selbst von der Homophobie befreien. Gläubige und Gemeinden haben die Frage für sich geklärt, indem sie z.B. auch den zahlreichen homosexuellen Seelsorgern ihre Wertschätzung entgegenbringen. Eine hinzutretende kirchenamtliche Befreiung von der Homophobie ist unter solchen Vorzeichen vor allem deshalb noch nötig, weil nur durch sie zentrale Blockaden im reinen Männerbund der Kirchenleitung aufgelöst werden können.

Auch beim zweiten prominenten Tagesordnungspunkt der letzten Bischofssynode, der Teilnahme von sogenannten wiederverheirateten Geschiedenen am Abendmahl, erweisen sich in einem breit bezeugten Glaubenssinn der Kirchenmitglieder (sensus fidelium) die nunmehr von einigen unverheirateten Bischöfen und Kardinälen behaupteten Probleme schon lange als lösbare Fragen.

Die einfachen Gläubigen halten sich nämlich an Jesus, der mit seiner Botschaft zu bedenken gab, dass die wiederverheirateten Geschiedenen mehr Aussicht auf eine Teilhabe am Reich Gottes haben als jene Religionsbeamte, die den Menschen schwere Lasten auferlegen und ansonsten keinen Finger krümmen, damit die Mühsal von Lebenswegen voller Widersprüche und Abgründe ein wenig leichter wird.

Nun kommen aber doch die kirchlichen Gesetzeslehrer und bieten an, man könne eine erste Ehe über ein bestimmtes Verfahren für null und nichtig erklären. Dann sei mit der zweiten Eheschließung alles in Ordnung. Doch die Getauften, die von diesem potentiellen "Schmutzige-Wäsche-waschen" schon einmal etwas gehört haben, sagen da auf einmal:

Wir sollen unsere erste Liebe rückwirkend vernichten und für wertlos erklären? Wir sollen Verrat üben an einem Partner und einer für uns so bedeutungsvollen Zeit der Lebensschule, damit euer System stimmig bleibt? Wir denken gar nicht daran, ein solches unmoralisches Angebot anzunehmen!

Gleichwohl gibt es tatsächlich "Wege und Umwege der Liebe", auf denen Menschen unter unbewussten Voraussetzungen in die Falle einer Partnerschaft geraten, die im Sinne des kirchlichen Sprachgebrauchs von Anfang an auf "Täuschungen" (Fehlwahrnehmungen) und somit auf einem "ungültigen Ja-Wort" beruht. Da man vor Jahrzehnten die Vision Eugen Drewermanns von einem therapeutischen Christentum selbstherrlich abgetan hat, sind heute die Voraussetzungen dafür, dass ein Seelsorger in solchen Fällen die psychologischen Untergründe überhaupt wahrnimmt, noch immer äußerst bescheiden. Wohl am allerwenigsten lässt sich ein tieferes Verständnis, das für den weiteren Lebensweg der Partner sehr bedeutsam sein kann, durch Experten der Kirchenrechtswissenschaft gewinnen.

Dass das Liebes- und Lebensbündnis von zwei Menschen ein Sakrament sein kann, ist im "sensus fidelium" verankert. Indessen vermag kaum jemand in seinem Herzen zu glauben, dass eine nach Maßgabe von sehr spät konstruierten Konzilsdefinitionen nur noch virtuell verbuchte Ehe ein "wirksames Zeichen der Nähe Gottes" (Sakrament) sein soll, auch wenn eben keiner der beiden Partner dies irgendwie noch als Geschenk empfindet.

Wie wäre es nun aber, wenn sich "Sakramentales" nach einer Scheidung gerade auf ganz andere Weise zeigt? Es kommt etwa wider Erwarten zu keiner Kriegsführung. Ein Partner freut sich vielmehr später an einer aufblühenden neuen Liebe der ehemaligen Gattin oder des ehemaligen Gatten. Nicht nur die Enkelkinder bleiben Enkelkinder, sondern auch die früheren Schwiegertöchter oder Schwiegersöhne gehören als Töchter und Söhne weiterhin zum Kreis einer größeren Familie ... Eine gute "Theologie der Liebe" im Geiste Jesu würde doch wohl an erster Stelle staunend auf die Wunder solcher Mahlgemeinschaften schauen und diese unter keinen Umständen mit dem Abbruch einer Mahlgemeinschaft beantworten.

Gottlob kommt auch unter römisch-katholischen Christen kaum jemand auf die Idee, eine Teilnahme am gemeinsamen Abendmahl sei eine Belohnung für Leistungserbringungen nach dem kirchlichen Gesetzbuch. Bei einigen Kardinälen ist man sich aber nicht so sicher, ob sie derlei häretischen Anschauungen wirklich widersagen.

Außenstehenden kann man nur schwer vermitteln, zu welchen Verstandes- und Herzlosigkeiten klerikale Moralfundamentalisten mitunter fähig sind. In diesem Sommer bin ich einem sehr frommen Vater von drei Mädchen im Gespräch näher gekommen. Seine ebenfalls sehr fromme Frau, die Mutter der drei Kinder, war schon einmal verheiratet gewesen, und deshalb hatte er ihr "nur" am Standesamt das Ja gesagt.

Eine Taufe der ersten Tochter wollte ein Vertreter der besonders rechtgläubigen jüngeren Priestergeneration verweigern, da die Eltern in schwerster Sünde (!) leben würden. Über die Jahrzehnte der letzten beiden Pontifikate, die Seelsorger von einer solchen "Güte" hervorgebracht haben, kann man nur weinen. - Im Übrigen ist aber eben zu betonen, dass die amtliche reine Lehre zumindest hierzulande von den allermeisten Gemeinden und Seelsorgern nur mit einem Kopfschütteln bedacht wird.