Der beste Ort für astronomische Studien liegt am Südpol

Australischen Forschern ist nach eigenen Angaben der bislang dramatischste Durchbruch in der bisherigen bodengestützten optischen Astronomie seit der Erfindung des Teleskops gelungen

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Nach dem Testlauf des ersten weltweit vollautomatisierten Observatoriums kommen australische Forscher zu dem Ergebnis, dass ein speziell an die Bedingungen der Antarktis angepasstes Erd-Teleskop mit einem Spiegel von mindestens 16 Meter Durchmesser sogar dem legendären und leistungsstarken Hubble-Weltraumteleskop den Rang ablaufen könnte, sofern ein solches in der Dome-C-Region des Südpols installiert wird. Wie die Forscher in "Nature" berichten, hat sich im Rahmen der Messungs- und Observations-Studie herauskristallisiert, dass dieser Punkt der Erde der ideale und weltweit beste ist, um nicht nur astronomische Studien im Allgemeinen zu betreiben, sondern auch nach Exoplaneten im Besonderen zu jagen.

Wenn Astronomen bis ans Ende der Welt reisen, um unter anderem Kenntnisse über den Anfang derselbigen zu gewinnen, hat dies in erster Linie nichts mit Abenteuerlust zu tun. Sternforscher, die 3000 Meter über den Meeresspiegel bei einer Höchsttemperatur von minus dreißig Grad jegliche Strapazen auf sich nehmen, treibt keine Fernweh oder irgendwelche Abenteuerlust in die Kälte und Öde der Antarktis. Wen es als Astronom dorthin verschlägt, sucht nach einem Ort mit optimalen Beobachtungsbedingungen. Am Südpol herrschen diese vor. Hier, in frostigen Gefilden, ist es gleich ein halbes Jahr lang dunkel und die Luft noch sauber und kristallklar.

Extrem kalt und trocken und keine Lichtverschmutzung

Seit Arne Wyller 1970 der National Science Foundation in einem Brief den Vorschlag unterbreitete, die hervorragenden Sichtbedingungen am Südpol für astronomische Zwecke zu nutzen, sind einige der insgesamt 82 Forschungsstationen am Südpol mit Teleskopen bestückt. Auch wenn auf dem sechsten Kontinent das Seeing, bedingt durch die unterschiedlichen Höhen und Temperaturen und den daraus resultierenden Luftverhältnissen, von Region zur Region variiert, gilt der Südkontinent immer noch als einer der besten "irdischen" Plätze, um Astronomie zu betreiben. Nunmehr haben australische Forscher im Rahmen einer Mess- und Observationsstudie herausgefunden, dass in einer bestimmten Region der Antarktis sogar die mit Abstand weltweit besten Sichtbedingungen für astronomische Analysen herrschen.

Die Lage von Dome C in der Antarktis (Bild: University of New South Wales)

Bei dem arrivierten Ort handelt es sich um die Dome C-Ebene. Dieser Bereich am Südpol, der zum Australian Antarctic Territory gehört, zählt zu den trockensten Gebieten der Erde. Dome C ist ein zentral gelegenes antarktisches Plateau, das 3260 Meter über dem Meeresspiegel liegt – 400 Meter über den mittleren Wert des Südpols. Leben ist hier nur unter großem logistischen Aufwand möglich.

Dass bis auf dem heutigen Tag noch kein Mensch einen Sonnenaufgang auf Dome C gesehen hat, liegt daran, dass die dortige französisch-italienische Forschungsstation Concordia ab Anfang Winter (Anfang Februar) stets unbesetzt ist. Schließlich ist ein antarktischer Winter nicht von schlechten Eltern. Temperaturen von bis zu minus 40-50 Grad Celsius sind in dieser abgelegenen Region keine Seltenheit. Dennoch eignet sich diese Lokalität aufgrund der extrem kalten und trockenen Bedingungen, des meist wolkenfreien Himmels, des geringen Staubs sowie der Abwesenheit störenden Treibgases besonders gut für Infrarot-Astronomie. Hinzu kommt, dass in diesen Gefilden seismische Aktivitäten und starke Winde sowie Lichtverschmutzung jeglicher Art zu höchst seltenen Phänomenen zählen.

Sichtverhältnisse so gut wie im Weltraum

Starrte von hier ein leistungsstarkes Fernrohr in den Himmel, wären Bilder von bislang unbekannter kristallklarer Qualität garantiert. Zu diesem vielversprechenden Ergebnis kommt ein australisches Forscherteam des Anglo-Australian-Observatory im englischen Fachmagazin "Nature" (Vol. 431, No. 7006, pp278-281). "Ein einfaches Teleskop in dieser Region könnte genauso viel leisten, wie ein woanders platziertes weitaus größeres Observatorium", schwärmt Astronom Sanders. "Hier sind die Sichtbedingungen fast so gut wie im Weltraum."

Um zu dem nötigen Datenmaterial zu gelangen, installierten die Forscher um Dr. Jon S. Lawrence im Januar 2004 am Dome C im Rahmen des AASTINO-Projekts (Automated Astronomical Site Testing International Observatory) das gleichnamige Roboter-Observatorium. Dieses ist in der Lage, unbemannt und völlig autonom zu operieren.

Das Roboter-Observatorium AASTINO. Beim Aufbau der Anlage halfen sechs Wissenschaftler. Während der tristen dunklen Wintermonate am Südpol war das Teleskop auf sich alleine gestellt. Sein Kontakt zur Außenwelt, sprich zu den Forschern, garantierte nur ein Iridium-Telefon. (Bild: University of New South Wales)

Der Zeitplan für die Forschercrew um Dr. Lawrence war allerdings sehr eng, da die französisch-italienische Forschungsstation Concordia bei Dome C nur zur Sommerzeit besetzt ist. Vorgesehen war, dass die kleine Anlage ihren Betrieb fristgerecht mit dem Beginn des antarktischen Winters aufnimmt, also dann, wenn kein Mensch mehr im Dome C ist. Wenigstens gelang es dem Team, das Teleskop mitsamt Anlage bis Ende Januar 2004 für das Experiment einsatzbereit zu machen. Nachdem die Concordia-Station Anfang Februar ihre Pforten dicht machte, begann im März 2004 eine knapp dreimonatige Observationssequenz. Hierbei musste das Equipment von AASTINO ganze Arbeit leisten.

Ausgestattet war die "Sternwarte" mit einer extern installierten eis-resistenten Webkamera (Webcam), mit der sich die Forscher jederzeit einen Überblick über das Geschehen außerhalb des zeltartigen Observatoriums machen konnten. Zum Instrumentarium gesellte sich auch der Sonic-Radar (SODAR), das COBBER-Instrument zur Messung der Infrarotemissionen und SUMMIT, ein Submillimeter Sky Monitor zum Abtasten des Luftraums. Ferner befanden sich in der kleinen Forschungsstation ein Experiment zur Messung der mittleren Infrarotemission des Himmels und ICECAM, das die Wolkenkonzentration am Nachthimmel von Dome C kontrollierte. Nicht zu vergessen die beiden Stirling-Motoren und Solar-Panele, die für Energieversorgung zuständig waren. Gesteuert wird AASTINO dabei von einem GNU/Linux Bordcomputer, mit dem die australischen Wissenschaftler via Internet über ein Iridium-Satellitentelefon "kommunizieren".

Entzückte Forscher

Auf diese Weise brachten die Astronomen in Erfahrung, dass ihr optisches Kleinteleskop ganze Arbeit geleistet hatte. Denn tatsächlich fixierte sich das 85-Millimeter-Fernrohr wunschgemäß auf vier ausgewählte Sterne. Dabei zeigte sich, dass deren Funkeln, die so genannte Szintillation, in der antarktischen Dome C-Region geringer war als etwa in Chile, Hawaii oder den Kanarischen Inseln, wo etliche Großteleskope in Betrieb sind. Der Wert, mit dem Forscher die Intensität des Flackern eines Sterns bestimmen und so etwas über die Stärke der atmosphärischen Turbulenzen erfahren, belief sich auf "nur" 0,27 Bogensekunden, fiel an einigen Tagen sogar auf fantastische 0,07 Bogensekunden. Zum Vergleich: Die besten erdgebundenen Teleskope legen einen Auflösungswert vor, der zwischen 0,5-1,0 Bogensekunden changiert – je höher der Wert, desto stärker flackerte der Stern.

Der direkte Vergleich spricht eine deutliche Sprache. Mit diesen drei simulierten Bildern wollen die Forscher den Qualitätsunterschied der verschiedenen "Observationsorte" veranschaulichen. Auf der linken Seite ist ein fiktiver Sternen-Cluster zu sehen, wie ihn die zurzeit besten optischen erdgebundenen Teleskope auflösten. In der Mitte dann der Ausschnitt, wie ihn ein Teleskop auf dem Dome-C-Plateau sähe. Wollte eines der großen optischen Teleskope mit Dome-C gleichziehen, müsste es um das 2,5-fache vergrößert werden. Dies würde aber (Bild rechts) auf Kosten der Bildschärfe gehen. (Bild: University of New South Wales)

Dass die Forscher von diesen Zahlen geradezu entzückt waren, verraten deren Kommentare. "Die Bildschärfe der astronomischen Fotos von Dome C ist zwei- bis dreimal besser als die der bislang bekannten besten Plätze auf der Erde, wie etwa Chile, Hawaii oder die Kanarischen Inseln", schwärmt Team-Mitglied und Nature-Co-Autor Michael C. B. Ashley von der University of New South Wales (UNSW) in Sydney/Australien. "Dies bedeutet, dass die Sensibilität um den Faktor zehn steigt." Auch James Lloyd, der als Professor für Astronomie an der Cornell-Universität (Ithaca, New York) lehrt und forscht, sieht keinen Anlass, seine Begeisterung zu zügeln:

Die Resultate sind extrem aufregend. Bereits ein Teleskop mit einem Durchmesser von zwei Metern würde in der Lage sein, Bilder von vergleichbarer Qualität wie Hubble aufzunehmen.

Von Dome C aus Exoplaneten fotografieren

Mit einem solchen Teleskop beliefen sich die Baukosten gerade einmal auf ein Fünftel dessen, was eines der großen Observatorien "verschlingen" würde. Während solche Giganten um die 700 Millionen Dollar kosten, ist der Betrieb eines Südpol-Observatoriums weitaus preisgünstiger. "Mit einem solch einfachen Teleskop können sie zu einem Bruchteil der Kosten regelmäßig die Bilder machen, die große Teleskope nur im Optimalfall aufnehmen können", so Dr. Will Saunders vom Anglo-Australian Observatory. "Aber anders als diese würde sich ein solches Fernrohr auch hervorragend für ein großflächiges Abtasten und Vermessen des gesamten Himmels eignen, und das sogar mit einer Klarheit, die wir sonst nur von Hubble kennen." Jedes auf diesem antarktischen Plateau aufgestellte 8-Meter-Infrarot-Teleskop wäre in punkto Leistungsstärke und Sensibilität, so die Forscher in dem Nature-Artikel, jedem anderen wo auch immer auf der Erde platzierten Teleskop weit überlegen.

Michael Ashley im Außendienst. Die Messungen markieren den Worten des Australiers zufolge den wohl dramatischsten Durchbruch in der bisherigen bodengestützten optischen Astronomie seit der Erfindung des Teleskops. (Bild: University of New South Wales)

Geradezu enthusiasmiert von der aktuellen Entdeckung, bei der nebenher bemerkt erstmals in der Geschichte der Astronomie eine völlig autark operierenden Observation die Messungen durchführte, ist Michael Ashley, der scheinbar keinen historischen Vergleich scheut: "Es stellt wohl den dramatischsten Durchbruch in der bisherigen bodengestützten optischen Astronomie seit der Erfindung des Teleskops dar". Dieser Ort sei für einige Projekte eine attraktive Alternative zur weltraumgestützten Astronomie. Jetzt werde man alsbald das 2-Meter-Teleskop PILOT auf Dome C aufstellen. Aber das sei erst der Anfang. Eines Tages könnten leistungsstarke Teleskope auf Dome-C sogar erstmals erdnahe extrasolare Planeten direkt ins Visier nehmen, beobachten und fotografieren, so der Forscher gegenüber dem Online-Ableger des englischen Wissenschaftsblatts "New Scientist". Ein schönes Fotoalbum von der Expedition ist auf den Seiten der University of New South Wales zu finden.