Der erste Teleroboter auf dem Mars - und wir waren dabei

Entfacht die neue Faszination an der Raumfahrt einen nachhaltigen Wunsch, auf dem Mars oder anderswo in die Frontier des Weltalls aufzubrechen?

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Siehe auch den Beitrag von Herbert W. Franke über die bislang vernachlässigte Hypothese, daß es Leben in den Höhlen des Mars auch ohne Vorhandensein von Wasser oder Eis geben könne.

Jetzt haben wir den Mars also gesehen. Live war es zwar nicht so ganz, und auch ganz anders als damals bei der Mondlandung der Amerikaner, als viele gleichzeitig den Astronauten zusahen, wie sie die Flagge ihrer Nation in die unwirtliche Oberfläche steckten. Da gab es eine gemeinsame Erregung, die das Internet im Gegensatz zum Fernsehen nicht vermitteln kann.

Wer es versucht hatte, schnellstmöglich die ersten Bilder zu sehen, der mußte natürlich warten. Von Freitag bis Montag gab es mehr als 220 Millionen Hits auf die Internet Site der NASA, allein am Montag 80 Millionen. Am besten kam man noch in die Server der Firmen, die eine größere Kapazität hatten als die der NASA. Immerhin, es war ein großangelegtes Experiment, eine gemeinsame weltweite Öffentlichkeit im Cyberspace zu schaffen. Wer keinen Zugang zum Internet hat, ist ausgeschlossen und wird von anderen Medien abgespeist. Die offizielle Pathfinder Mission Site des Jet Propulsion Laboratory wurde immerhin auf mehr als 20 anderen Servern gespiegelt, um möglichst vielen Menschen gleichzeitig einen Zugang zu ermöglichen. Das war ein Test, schließlich würde man gerne das World Wide Web, das bislang den Nomaden und den Suchmaschinen gehörte, möglichst schnell von einem Pull-Medium zu einem fernsehähnlichen Push-Medium umbauen, das aber dann auch anderen Erwartungen ausgesetzt ist. Auf einigen Sites verschwanden bald selbst die Thumbnails der Aufnahmen, um die Ladezeit zu verkürzen. Wenn man Glück hatte, konnte man sich vielleicht ein Video herunterladen, auf dem der Mobilroboter Sojourner zu sehen war, wie er die Rampe zum Boden herunterruckte. Manchmal allerdings wartete man vergeblich einige Minuten, um ein versprochenes Video zu sehen, um dann mit einem grauen Kasten konfrontiert zu sein - und der Erklärung, daß manchmal nichts zu sehen ist, selbst wenn die entsprechende Software besitzt, oder daß die NASA keine Signale übertrage. Begehrt sind auch die VRML-Simulationen, die Silicon Graphics anbietet.

Das mysteriöse Marsgesicht

Gleichwohl, es war ein geschickt inszeniertes Medienspektakel der neuen Art, das die NASA für das Sommerloch organisiert hatte. Begonnen hatte es mit dem Stein im letzten Sommer, auf dem angeblich Lebensspuren zu erkennen sind In Umfragen steigt schon seit einiger Zeit die Bereitschaft, die Weltraumfahrt wieder mit mehr Geldern auszustatten. In den USA sind die Menschen sowieso dem Weltraum gegenüber "offener" und glauben an UFOs und extraterrestrisches intelligentes Leben. Die Strategie also, in die Öffentlichkeit zu gehen und diese teilhaben zu lassen, hat sich allemal bewährt, was sich wohl auch im Budget niederschlagen wird. Raumfahrt ist wieder in. Ungeduldig warten immer mehr Menschen auf die nächste bemannte Fahrt auf einen Planeten - und NASA-Chef Daniel Goldin nutzt die Stunde, um das vor einigen Jahren begrabene Programm bemannter Fahrten auf Planeten wieder aufzuwärmen. 2011 oder 2014 soll es auf den Mars gehen. Gerade wenn es um die Erforschung von Fossilien oder um noch existierendes Leben gehe, müssen Menschen eingesetzt werden und reichen Roboter nicht.

Gott sei Dank zeigen die Bilder von der Umgebung des Landeplatzes offenbar, daß es vielleicht vor einer Milliarde Jahren hier ungeheuer viel Wasser gegeben haben muß, das Steine weggedrückt und Flußbetten gegraben hat: eine Sintflut auf dem Mars. Der Mars muß also warm genug gewesen sein, damit das Wasser nicht gefriert. Also könnte es auch Leben gegeben haben. Jetzt allerdings rostet er vor sich hin, wodurch er seine Farbe erhält. Wohin das Wasser verschwunden ist, weiß man nicht. Einiges befindet sich vielleicht gefroren an den Polen des Mars, anderes ist vielleicht unter der Oberfläche in einer kilometerdicken Schicht gefroren. Manche glauben auch, daß es weiter unten noch ein Meer mit flüssigen Wasser geben könne, das von radioaktiven Prozessen im Kern des Planeten gewärmt wird. Vielleicht gibt es ja da zumindest primitive Lebensformen, denn auch auf der Erde existieren Bakterien unter ungewöhnlichen Bedingungen und tief unter der Erdoberfläche. Noch allerdings beschäftigt sich Sojourner, der kleine Roboter, von dem die Wissenschaftler als eine "Sie" sprechen, mit den Steinen ringsumher. Und weil alles so aufregend und persönlich ist, bekommen sie auch gleich Namen. "Barnacle Bill" wurde bereits von Sojourner "geküßt", um eine chemische Analyse zu gewinnen. Und dann ist "Yogi" an der Reihe, vom Fernling der Menschen liebkost zu werden.

Private Organisationen gibt es zuhauf, die auf bemannte Raumfahrt und Weltraumsiedlungen setzen. Die Industrie rüstet auf, um auch wohlhabende Touristen etwa auf den Mond zu bringen - trotz allem Pech, das gerade der Weltraumstation MIR geschieht, auf der die östlichen Kollegen in guter Do-it-yourself Manier die Pannen beheben. Die vom NASA-Forscher Zubrin vorgeschlagene Idee, den Mars mit angeblich vorhandenen technischen Mitteln wohnlich zu machen, indem man erst einmal eine Atmosphäre durch künstliche Erwärmung schafft, um Bedingungen für Leben zu ermöglichen - "terraforming" nennt man diesen hybriden Plan -, könnte damit ein Stück näherrücken. Zubrin sieht die bemannte Weltraumfahrt und die Kolonialisierung des Mars wie andere auch als gemeinschaftserzeugende Tat, die Amerika (und der NASA) wieder eine Pionierrolle zuweist, schließlich seien die Amerikaner ein Volk der Avantgarde, das ohne neue Frontier verkümmert. Jedenfalls läßt die NASA auch ihren zweiten mobilen Roboter Nomad, der gerade seine Testfahrt in einer Wüste Chiles unternimmt, der Öffentlichkeit mit Bildern und Informationen präsentieren.

Natürlich ist die technische Leistung der Pathfinder Mission beeindruckend gewesen. Und selbst der sorgsam gewählte symbolische Landungstermin am amerikanischen Independence Day ist eingehalten worden. Nun aber grüßen, stellvertreten durch den Roboter, die telepräsenten Erdlinge den Mars, ohne Schrecken wie im Film hervorzurufen. Bis auf einige kleine Pannen passiert jedoch nichts weiter. Wir waren zwar irgendwie dabei, wartend und dann jubelnd, als wir auf irgendeiner Site plötzlich die Bilder herunterladen konnten. Erlebnisse wie im Film Independence Day aber gibt es nicht, und selbst wenn das technische Meisterwerk Sojourner kaputtgehen sollte, wird uns das nicht weiter berühren, soviel er auch gekostet haben mag. Nach den ersten Tagen des Internet-Ereignisses wird es vielleicht still um Pathfinder werden und Sojourner einsam im unwirtlichen Gelände seine Bahnen ziehen.

Möglicherweise also könnte der anfängliche Erfolg auch daneben gehen. Die Menschen waren bereits auf dem Mond und haben die Weihe, das erste Mal eine extraterrestrische Wüste zu betreten, schon hinter sich. Jetzt sehen sie durch das Kameraauge des Teleroboters erneut einen langweiligen Haufen Steine, auch wenn er 90 Millionen Kilometer weit entfernt ist. Das ist nicht aufregender, als die Bilder des Nomad in der chilenischen Wüste zu betrachten. Wir sind schließlich verwöhnt, sofort woandershin zappen oder klicken zu können, wenn nur eine Spur von Langeweile aufkommt. Wofür gibt es all die Simulationen und Freizeitparks, die uns bequem und für verhältnismäßig wenig Geld mal schnell in der Freizeit in den Weltraum oder in eine andere Umgebung katapultieren, aber wenigstens Ereignisse versprechen? Und wer will schon 10 oder 20 Jahre warten, damit möglicherweise die ersten Menschen - anvisierte Kosten etwa 50 Milliarden Dollar, aber wie soll man solchen Zahlen glauben, wenn es sich um derartig lange Zeitspanne handelt - nach einer Fahrt von sechs oder neun Monaten auf dem roten Planeten landen, um vielleicht der nächsten Generation ein paar enge Biosphären als den Aufenthaltsorten der auswandersüchtigen Pioniere aufzubauen, während gleichzeitig die Erde möglicherweise Schritt für Schritt den Wüsten im Weltall gleicht?

Mars Space Settlement?

Wir Irdischen ziehen da doch vor, daß uns die ETs aus fernen Welten mit ihren superschnellen UFOs besuchen. Das verspricht mehr Spannung. Wie gut, daß man fast gleichzeitig auch den 50. Jahrestag der ersten vermeintliche Sichtung von diesen Flugkörpern in Roswell feiern konnte, wo 1947 ein UFO abgestürzt sein soll und man angeblich sogar die Leichen von ETs gefunden haben will. Ein ehemaliger Militärangehöriger, Colonel Corso, gab bekannt, damals fünf dieser ETs mit graubrauner Haut, vier Fingern an den Händen und übergroßen, glatzköpfigen Schädeln gesehen zu haben. Zwei seien sogar noch lebendig gewesen. Einer lag im Sterben, der andere wollte flüchten und sein von nervösen Soldaten erschossen worden. Wie gut daß, daß es immer gleich Verschwörungstheorien gibt. In einer Umfrage habe sich herausgestellt, daß von den 1024 befragten amerikanischen Bürgern 65 Prozent an den Absturz eines UFOs in Roswell glauben und sogar 80 Prozent der Meinung sind, daß die Regierung Fakten über die Existenz von Aliens der Öffentlichkeit vorenthalte. Immerhin haben angeblich 8 Prozent angeblich selbst ein UFO gesehen. Die Hälfte ist der Überzeugung, daß es intelligentes Leben im Weltraum gibt. 64 Prozent glauben, daß ETs die Erde bereits besucht haben, und 37 Prozent, daß Menschen von ihnen entführt worden seien. Das ist also die Informationsgesellschaft. Wenigstens ist etwas los.

Sehen sie so aus, die erwünschten Engel?

44 Prozent der Befragten sind jedenfalls guter Hoffnung und glauben, daß die fremden Wesen uns wohlgesonnen seien. Das ist auch die Überzeugung der ET-Sekte Raelian Movement, die kürzlich bekanntgegeben hat, daß sie für das Klonen von Menschen sorgen werde, da schließlich die Menschen auch von einer technisch fortgeschrittenen extraterrestrischen Gattung gentechnisch erzeugt worden seien. Die neuen technisch ausgerüsteten Engel aus dem All sind allemal, trotz aller Dementis, rationalen Erklärungen, bekannten Fälschungen und extraterrestrischen Wüsten, interessanter als ein telegesteuertes, sechsrädriges Vehikel. Und da uns die wirkliche Weltraumfahrt sowieso zu langsam ist, beschleunigen manche wie die Anhänger der Sekte Heaven's Gate die Auffahrt, indem sie sich gleich in den Himmel beamen, auch wenn sie das mit dem Tod ihrer irdischen "Behälter" bezahlen. Die auserwählte Crew sei bei ihrer Himmelfahrt, wovon man durch angebliche Emails auf einer befreundeten Site einer anderen religiösen UFO-Sekte Kenntnis erhält, jedenfalls gut angekommen und grüßen uns.