Der letzte ukrainische Friedensstifter: In Erinnerung an Sergej Siwocho
Seite 2: Einige Nationalisten werden sich über sein Ableben freuen
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Diese Politik, so argumentierte er, begann lange vor 2014. Seine Worte erregten den Zorn ukrainischer Nationalisten, die sich über seine Behauptung empörten, es sei "an der Zeit, Fehler zu korrigieren, zu vergeben und um Vergebung zu bitten ..., mit den Menschen zu sprechen, die in den nicht kontrollierten Gebieten leben."
Nach seiner Entlassung und trotz Morddrohungen hielt Siwocho bis zuletzt an seinen Friedensbemühungen fest. Mit der Zeit wurde er immer kritischer gegenüber der Regierungspolitik, jedoch nie gegenüber seinem langjährigen Freund Selenskyj.
Er forderte eine Änderung der ukrainischen Sprachgesetze, die den öffentlichen Gebrauch des Russischen stark einschränken. Er sagte, die Weigerung der Regierung, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen, habe die Ukraine in eine dunkle und isolierte Ecke geführt.
Er gab sogar öffentlich bekannt, dass die Rebellen einen förmlichen Vorschlag zur Rückgabe verstaatlichter Unternehmen an ihre ukrainischen Eigentümer und zur Beendigung des umstrittenen "Sonderstatus" für den Donbass im Jahr 2050 unterbreitet hatten. Er rügte die ukrainische Regierung dafür, dass sie sich weigert, auch nur mit den Rebellen zu sprechen.
Anstatt Kommunikation zwischen lokalen Beamten jenseits der Kontaktlinie zu verbieten, forderte Siwocho sie auf, miteinander zu reden. "Stellen Sie sich vor", sagt er, "wie sie sich gemeinsam freuen und trauern könnten. Wenn es ihnen nur erlaubt wäre, dorthin zurückzukehren, würden sie ihre Dörfer aus eigener Kraft wieder aufbauen, und zwar auf beiden Seiten. Was für ein fantastisches Beispiel wäre das!"
Sein letzter öffentlicher Kampf bestand darin, die Verabschiedung des drakonischen Gesetzes "Über die Grundlagen der Staatspolitik in der Übergangszeit" zu verhindern, das vom damaligen Minister für die Wiedereingliederung der besetzten Gebiete (später Verteidigungsminister), Oleksij Resnikow, eingebracht wurde. Siwocho beklagte sich bitterlich darüber, dass der Resnikow-Plan, der im August 2021 vom Ministerkabinett gebilligt wurde, die Ukrainer im Donbass und auf der Krim wie ein besiegtes Volk behandelte.
Anstatt die Feindseligkeiten abklingen zu lassen, würden sie so an die nächsten Generationen weitergegeben. Die Rebellen selbst wären schon lange tot, aber wie Banquos Geist [Hauptfigur in William Shakespeares Drama Macbeth] würde ihr Geist noch immer die Zukunft der Ukraine heimsuchen, eine unnachgiebige Erinnerung an die andere, die russischsprachige Ukraine, die die ukrainischen Nationalisten weiter umtriebig zu löschen versuchten.
Einige ukrainische Nationalisten werden sich über das Ableben dieses unbequemen ukrainischen Patrioten freuen, der unermüdlich dafür kämpfte, die Spaltung des Landes zu überwinden, indem er gegenseitige Vergebung predigte. Sein persönliches Streben nach Frieden mag nun vorbei sein, aber wir alle sollten um der Ukraine willen hoffen, dass seine Mission von anderen aufgegriffen wird.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit Responsible Statecraft. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.
Nicolai N. Petro ist Professor für Politikwissenschaft an der University of Rhode Island und Autor von "The Tragedy of Ukraine: What Classical Greek Tragedy Can Teach Us About Conflict Resolution".