Der tiefe Staat des George H. W. Bush

Seite 2: Cover Up

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Während über geheimdienstliche Operationen diversen Gremien Rechenschaft abzulegen war, deklarierten die Bush-Männer ihre Anfragen und Operationen stets als Militärangelegenheiten. In die Existenz der Gruppe waren weder der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs (Moreaus direkter Vorgesetzter) noch der Verteidigungsminister eingeweiht. Im Gegenteil unterdrückte Moreau seinem Chef gegenüber offizielle Geheimberichte, um das Team abzuschirmen.

Eine wichtige Rolle spielte insbesondere der Bush-Vertraute Richard "Dick" Cheney, der bereits für Nixon und die CIA vertuschte. Der erfahrene Stratege fand Schlupflöcher und Verfahrenstricks, wie man Gremien umgehen und austricksen konnte. In einem geheimen Tresor lagerte man formal bei Involvierung von CIA-Leuten erforderliche Geheimberichte, mit denen man im Fall einer Untersuchung korrekte Vorgänge hätte vortäuschen können. Eine offizielle Buchführung jedoch war nach Einführung des Freedom of Information Acts, demzufolge auch Geheimakten nach Sperrfristen freizugeben sind, nicht attraktiv.

Die Gruppe bediente sich durchaus auch des CIA-Personals, das über Fremdsprachenkompetenz und Kontakte verfügte, jeweils formal nur zur Unterstützung militärischer Aufgaben. Unauffällig schöpfte man CIA-Informationen über die Chefetage von Pentagon und Weißem Haus ab. Insbesondere Murphys Kontaktnetz in die CIA erwies sich als hilfreich, um Direktor Casey zu umgehen. Die Bush-Männer mussten insbesondere Understatement akzeptieren und eisern schweigen. Wenn schmutzige Aktionen erfolgreich waren, glaubte die CIA, dass es solche des Pentagon waren und umgekehrt, obwohl der Ruhm eigentlich Bushs Männern zugestanden hätte.

Desinformation

Auch auf dem Gebiet der Gegenspionage, für die eigentlich der Inlandsgeheimdienst FBI zuständig wäre, wurde die Gruppe aktiv. Ein ungenannter Informant behauptete gegenüber Hersh, Reagans "Star Wars"-Programm SDI sei in Wirklichkeit inszeniert worden, um im US-Apparat versteckte KGB-Spione in die Falle zu locken.

Jedem hochrangigen Mitarbeiter im Pentagon sei klar gewesen, dass die weltraumgestützte Raketenabwehr technisch nicht realisierbar gewesen sei, die Sowjets aber sollten glauben, dass die USA bald unverwundbar seien und damit das nukleare Gleichgewicht ausgehebelt wäre. Daher sei der Kreml gezwungen gewesen, seine "Schläfer" zu aktivieren. 1990 konnte Bush in einem für ihn angefertigten Bericht höchster Geheimhaltungsstufe nachlesen, dass dieses Spiels beinahe einen Nuklearkrieg aus Versehen provoziert hatte (Um Haaresbreite).

Von den Erfolgen dieser angeblich erfolgreichen Gegenspionage-Operation habe man aber Hershs Informant zufolge in der Öffentlichkeit deshalb nichts erfahren, weil Bush ein Klima der Hexenjagd wie in der McCarthy-Ära habe vermeiden wollen. Die enttarnten Spione habe man pragmatisch einfach an Positionen versetzt, an denen sie keinen Zugang mehr zu Staatsgeheimnissen hatten. Der insoweit effizienteste Doppelagent des Warschauer Pakts, Rainer Rupp, blieb allerdings verborgen (Der Krieg der Sterne).

Un-Intelligence

In der US-Sicherheitsgemeinde unterlag man bzgl. der vermeintlichen sowjetischen Übermacht einer grotesken Kollektivillusion. CIA-Analysten bewerteten Anzeichen für Unvermögen der Sowjetischen Armee häufig als Täuschungsoperation. Moreaus Leute jedoch stellten amüsiert fest, dass etliche Schwächen der Sowjets authentisch waren, vermeintliche Stärken sich im Gegenteil als Potemkinsche Dörfer erwiesen.

Insbesondere die vermutete Beliebtheit der Sowjets in der sogenannten Dritten Welt erkannte Moreau als gering. Beliebter als kommunistische Folklore waren vielmehr Gastgeschenke der US-Amerikaner wie Dollars, Waffen und Elektronik. Moreau vermutete, dass die Geheimdienstgemeinde die Fähigkeiten der Sowjets deshalb übertrieb, weil sie von der Furcht vor dem Hauptfeind profitierte. Bushs Männer staunten vor allem auch über die Inkompetenz der US-Presse, die das Spiel nicht durchschaute.

Action

Auf den Einsatz von paramilitärischen CIA-Geheimkommandos verzichteten die Militärs schon deshalb, weil sie die CIA-Krieger als zu dumm bewerteten. Stattdessen griff man für Kommandoaktionen auf eigene Spezialkräfte der Marines zurück, die keiner zivilen Kontrolle unterstanden. Für schmutzige Aufgaben war Hersh zufolge der Alfred Gray jr. (*1928) zuständig. Grays Leute sollen in Süd- und Mittelamerika diskret liquidiert haben, wer als Bösewicht auf Listen der CIA stand.

Killing Gaddafi

Neben den verschwiegenen Marine-Teams heuerte man im traditionellen CIA-Stil auch Einheimische für Staatsstreiche an, die offiziell nicht mit den USA in Verbindung gebracht werden konnten. Zu den geheimen Bush-Kriegern stieß der mit Covert Actions insbesondere in Nahost erfahrene Generalmajor Richard Secord (* 1936), der 1983 die Air Force im Zusammenhang mit krummen Geschäften verlassen hatte.

Während die CIA gesetzlich daran gehindert war, fremde Staatschefs zu liquidieren, interessierte sich Bush nicht für solche Details. So plante man einen Mordanschlag auf Muammar al-Gaddafi, den Secord mit CIA-Partnern der Libyschen Befreiungsfront organisierte. Weil dies jedoch innerhalb der CIA diskutiert wurde und zur Politik durchsickerte, blies man die Aktion ab - allerdings nur zum Schein und ließ die CIA außen vor. Der dann 1984 versuchte Anschlag misslang jedoch, kostete ca. 100 Menschen das Leben und führte zu Exekutionen, Massenverhaftungen und Folter.

Iran Contra (Covert)

Während die schmutzigen Operationen die diskreten Bush-Leute in Eigenregie erledigten, wollte sich auch CIA-Chef Casey profilieren. Um die Sowjetunion zu schwächen, unterstützte Casey in Afghanistan die heute als Taliban bekannten Mudjaheddin mit Waffenlieferungen. Auch in Nicaragua wollte Casey die rechtsgerichteten Contras munitionieren, um die sandinistische Regierung zu stürzen, jedoch verbot ihm dies ein Gesetz. Um seine geheimen Operationen verdeckt zu finanzieren, bettelte Casey bei "besorgten Bürgern" und im Ausland, darunter Saudi-Arabien und Brunei.

Auch Bush wollte die Sandinisten bekämpfen, um den US-Einfluss in Mittelamerika zu wahren, die amateuerhaften Aktivitäten Caseys betrachtete man jedoch mit Skepsis. Daher beauftragte Moreau seinen V-Mann in Caseys Team, sich in die Operation einzubringen, um diese ggf. zu kontrollieren. Es handelte sich hierbei um Colonel Oliver North. In der CIA plante man, Waffen über israelische Mittelsmänner ausgerechnet an den Iran zu liefern.

Dem Iran, der sich Bush als loyaler Wahlhelfer erwiesen hatte, waren die Waffenlieferungen als Lösegeld für die US-Geiseln versprochen worden. Die Erträge sollten zur Finanzierung der Contras verwendet werden, obwohl der Kongress genau das verboten hatte. North involvierte für die Operation den umtriebigen Secord, iranische Dissidenten und "texanische Geldleute".

Agenten sterben einsam

Im Oktober 1985 bekam Moreau einen neuen Vorgesetzten. Der neue oberste Soldat der USA, Admiral William Crowe (1925-2007), kam dem eigenmächtigen Moreau und seinen Vertrauten auf die Schliche. Im Interesse der Staatsraison versetzte Crowe die Beteiligten auf insoweit unschädliche Positionen in der Navy.

Moreau bekam auf Bushs Initiative seinen vierten Generalsstern und wurde nach Europa versetzt, wo er die US-Marine und die Nato-Streitkräfte im Süden befehligte. 1986 verstarb er in Italien.

Iran Contra (Overt)

Hersh verrät nun erstmals, warum die geheimen Verhandlungen überhaupt auffielen. Im November 1986 hatte ein nahezu unbekanntes libanesisches Magazin den geheimen Waffen-für-Geiseln-Vertrag enthüllt und dem Geschäft damit im embryonalen Stadium den Boden entzogen. Lange rätselten Historiker, woher das Blatt die Insider-Information hatte.

Hersh behauptet unter Berufung auf einen Informanten, dass es sich um eine Intrige aus dem Bush-Lager gehandelt haben soll. So betrachteten die Bush-Männer aus Moreaus inzwischen aufgelöster Gruppe Caseys Operation als Zeitbombe, die wegen der Beteiligung von North und Secord letztlich auch Aufmerksamkeit auf den Geheimdienst ohne Namen ziehen könnte. Zum eigenen Schutz, aber auch zum Abservieren von Casey leakte ein früheres Mitglied der Moreau-Organisation den Vertrag nach Beirut.

Der Plan, Casey zu schaden, war letztlich überflüssig, denn der umstrittene CIA-Direktor brach im Dezember 1986 mit einem Gehirntumor im Büro zusammen und verstarb alsbald. Doch statt ein kleines Problem zu lösen, bewirkte der Schachzug ein großes. Nach einem Bericht der Times eskalierte der enttarnte Plan zur Staatsaffäre, welche insbesondere Präsident Reagan in Verlegenheit brachte. Die verbliebenen Bush-Krieger wurden nervös, weil der eher im Lager der CIA stehende North zu viel wusste.

Der Vizepräsident erkannte die Lage und begann, ein Tagebuch zu schreiben, mit dem er sich künftig zu entlasten hoffte. Bushs politische Zukunft lag nun in der Hand von North, Secord und dem in das Projekt verwickelten Admiral John Poindexter. Die Männer erwiesen sich jedoch als loyal, nahmen die Eigenmächtigkeiten auf sich und belogen den US-Kongress. Eine Untersuchungskommission biss auf Granit. Reagan bestritt in seiner berühmten Ansprache an die Nation zutreffend Kenntnis der Covert Operation und beanspruchte, als Commander in Chief umfassend über derartiges informiert zu werden. Reagan und Bush blieben im Amt.

Zwar flogen die Lügen der verschwiegenen Männer auf, doch Verurteilungen im Zusammenhang mit Iran Contra wurden entweder juristisch aufgehoben oder politisch durch das später Bush zustehende Begnadigungsrecht des US-Präsidenten sabotiert. Keiner der Bush-Männer musste seine Haft antreten.