Deutsche Bahn: Wann wird es endlich besser?

Bild: Yannes Kiefer / Unsplash

Konjunkturprogramm Wissing: Ab dem kommenden Jahr will die Bahn ganze Strecken für Monate sperren, um sie zu sanieren. Auf Fahrgäste warten Abenteuer und olympische Herausforderungen.

Irgendwo zwischen Frankfurt und Mannheim, vielleicht in der Nähe des Frankfurter Flughafens, oder in einem Ort namens Goddelau, entscheidet sich wahrscheinlich gerade, ob Menschen in Hamburg, in Berlin ihren Termin verpassen oder in Wabern verzweifelt nach einem Taxi suchen.

Nur 74,3 Kilometer ist die Riedbahn lang, jenes Stück Infrastruktur, auf dem nicht wenige Verspätungen im Schienennetz ihren Ursprung haben. Jeder siebte Fernzug pro Tag muss hier durch. Und wird viel zu oft von maroder Technik aufgehalten.

Dramatische Statistiken

Die Riedbahn ist eines von vielen Nadelöhren in Deutschland, die sich in immer dramatischeren Statistiken niederschlagen: Im August kamen nur 63,4 Prozent aller Fernzüge mit maximal fünf Minuten Verspätung an.

Weitere 18 Prozent hatten mehr als fünf, aber weniger als 16 Minuten Verspätung. Und 18,6 Prozent aller Fernverkehrszüge kamen erst nach 16 Minuten an.

Timing ist ein Risiko

Wer eine Fahrkarte zum (Super-)Sparpreis kauft, kann sich ziemlich sicher sein, dass der Zug irgendwo auf der Strecke hält. Aber auch: Es ist ein Risiko, so loszufahren, dass man den letzten Regionalzug ins flache Land erwischt.

Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass man sich mitten in der Nacht überlegen muss, wie man von dort wegkommt, wo man nicht sein will.

Das System Bahn ist mit den Jahren immer unzuverlässiger geworden. Und es wird wohl noch schlimmer werden, bevor es besser wird. Denn die Bahn hat zusammen mit dem Bundesverkehrsministerium eine Idee: die "Korridorsanierung", auch "Generalsanierung" genannt.

Die Umsetzung einer Idee

Sie war in der vergangenen Woche erneut Thema bei einem "Schienengipfel", dem mittlerweile fünften: Bundesverkehrsminister Volker Wissing erinnerte daran, dass der Bund bis 2027 insgesamt 40 Milliarden Euro in die Infrastruktur investieren will und schwor die anwesenden Vertreter von Bahn und Bauwirtschaft auf einen effizienten Mitteleinsatz ein.

"Die Schieneninfrastruktur wurde jahrzehntelang vernachlässigt und an ihre absoluten Grenzen gebracht. Das ist nicht mehr hinnehmbar und einer fortschrittlichen Wirtschaftsnation unwürdig," sagte Wissing (FDP) zum Schienengipfel ("Die Bahn wird zum Konjunkturprogramm", Bundesministerium für Digitales und Verkehr).

Seit 2009 stellen übrigens ausschließlich die Union und jetzt die FDP den Verkehrsminister, davor war es die SPD.

Als erstes soll im Sommer 2024 nach der Fußball-Europameisterschaft die Riedbahn komplett gesperrt und dann innerhalb von fünf Monaten, wo nötig, mit neuen Stellwerken, Signalen, Gleisen, Weichen ausgestattet werden.

Erneuerung der Bahnhöfe

Als "nice-to-have" werden auch die Bahnhöfe entlang der Strecke erneuert. 2025 folgen Hamburg-Berlin und Emmerich-Oberhausen, bis 2030 geht es mit vielen weiteren Streckensperrungen weiter. Die unmittelbare Folge: Auf vielen Strecken werden sich die Fahrzeiten verlängern.

Und wie der Verkehr auf einer viel befahrenen Strecke durch Umleitungen über ohnehin schon überlastete Strecken und Schienenersatzverkehr aufgefangen werden soll, scheint kaum vorstellbar. Die Bahn droht noch unpünktlicher zu werden.

Und das, obwohl sie nach Fahrplan fährt. Vor allem die für 2025 geplante Vollsperrung der Strecke Hamburg-Berlin wird zu einer enormen Verlängerung der Fahrzeiten führen. Über die ohnehin überlastete Strecke über Hannover dauert es rund 45 Minuten länger. Über Leipzig müssten 90 Minuten mehr eingeplant werden.

Aber auch die jetzige Situation ist nicht gerade attraktiv: Immer wieder muss die Strecke wegen einer Störung recht plötzlich gesperrt werden; die genannten Verspätungen sind für die Reisenden schon heute Realität. Nur weiß man nie, wann es passiert.

Ursachenforschung

Die heutige Situation hat viele Ursachen. Dazu gehört sicherlich, dass man in den 1990er-Jahren die Bahn für den Börsengang fit machen wollte. Es wurde gespart, wo es ging, Geld nur für schöne Dinge ausgegeben. Ein Trend, der bis vor kurzem anhielt: In den nächsten Jahren wird Stuttgart 21 fertiggestellt, und schon jetzt zeichnet sich ab, dass der neue Hauptbahnhof wirklich imposant wird.

Aber brauchte man ihn damals wirklich dringender als ein Schienennetz auf dem neuesten Stand der Technik? In Hamburg-Altona will man den alten Bahnhof verlegen, die Arbeiten haben vor einigen Jahren begonnen. Auch hier stellt sich die Frage der Prioritäten.

Vor allem aber setzten viele bei der Bahn und in der Politik auf Neubaustrecken. In die alten Strecken brauche man nicht mehr viel zu investieren, bald habe man etwas Neues, so lautete jahrelang der Tenor in Hintergrundgesprächen. Nur ist "bald" in der Zeitrechnung der Bahn immer noch "viele Jahre in der Zukunft und vielleicht nie".

Die Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim ist seit den 1990er-Jahren in Planung. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke Hannover-Hamburg wurde erst vor wenigen Tagen zugunsten eines Ausbaus der Bestandsstrecke zu den Akten gelegt, für immer? Auch das weiß man im System Bahn nie.

Aber auch die Politik spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Verspätungsstatistik: Verkehrs- und Umweltpolitiker in Bund und Ländern haben die Verkehrswende ausgerufen, wollen, dass die Menschen vom Auto auf die Schiene umsteigen.