Deutschland droht den USA

Seite 3: Energieversorgung und Geopolitik

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Denn selbstverständlich wollte Trump bei seiner Visite in Warschau vor allem etwas verkaufen, um das im industriellen Niedergang befindliche Amerika "wieder groß zu machen". Dabei handelte es sich um das Flüssiggas, das in den USA - in Ermangelung konkurrenzfähiger Industrieprodukte - seit dem schon unter Obama forcierten Frackingboom als ein künftiger amerikanischer Exportschlager gehandelt wird. Die geopolitische Konzeption der USA sieht gerade vor, mittels zunehmender Energieexporte die alten Verbündeten in Europa und Asien an sich zu binden.

In Polen rennt Trump damit offene Türen ein. In Reaktion auf Nordstream hat Polen einen Hafen für Flüssiggas in Świnoujście gebaut, das amerikanisches Flüsiggas nach Mittelosteuropa transportieren soll. Im Vorfeld der Trump-Visite in Warschau wurde publik, dass hierbei "langfristige Verträge" über entsprechende Lieferungen ins Auge gefasst wurden.

Energieversorgung und Geopolitik, auf diesen beiden Bereichen fallen die Interessen der USA und vieler mittelosteuropäischer Staaten zusammen. Der Versuch der USA, Nordstream2 zu blockieren, kommt somit auch einer geopolitischen verkaufsfördernden Maßnahme für amerikanisches Flüssiggas gleich. Die Sanktionen Washingtons, die in Warschau für Jubel sogen dürften, richten sich somit gegen Russland und gegen Berlin.

Doch Trump wird es in erster Linie darum gehen, Verbündete gegen eine Vormachtstellung von Deutschland in Europa zu finden. Aber auch gegen Russland richtet sich der Besuch von Trump bei der Intermarium-Konferenz, denn die osteuropäischen Länder suchen Schutz vor Putins Streitkräften.Business Insider

Es ist offensichtlich, dass dies sich ein Donald Trump nicht einfach mal so "ausgedacht" hat. Dies ist eine geopolitische Strategie, wie sie in Washingtons Denkfabriken ausgebrütet werden, die hier von einem dilettantischen US-Präsidenten mehr schlecht als recht implementiert wird. Planungen, den ökologisch desaströsen Fracking-Boom in den USA als geopolitischen Hebel zu benutzen, gab es schon seit Jahren Ähnlich verhält es sich mit der Kritik an den deutschen Handelsüberschüssen, die schon unter Obama - wenngleich in diplomatischer Form - artikuliert wurden.

Und auch die Spaltungsstrategie der USA gegenüber europäischen Mächte ist nun wirklich nicht neu - siehe Rusmfeld. Europa sei "wie üblich" gespalten angesichts der neuen US-Sanktionen, bemerkte süffisant die New York Times, da viele zentraleuropäische Staaten eher bereit seien, die Abhängigkeit des Blocks vom russischen Erdgas zu limitieren. Und diese Konstellation, in der Mittelosteuropa als ein antideutscher Spalthebel benutzt wird, erklärt auch, wieso deutsche Justizminister ein hartes Vorgehen der EU gegenüber Polens autoritärer Regierung anordneten.

Die Tatsache, dass dieses massive Vorgehen Washingtons gegen deutsche Interessen mitten im Wahlkampf stattfindet, kann auch als eine Retourkutsche gedeutet werden für die vielen Provokationen, die sich im Machtrausch befindliche deutsche Politeliten gegenüber der abgetakelten - aber immer noch mächtigen - Hegemonialmacht USA erlaubten.

In ihrer letzten Regierungserklärung griff Merkel Ende Juni Amerikas regierenden Rechtspopulisten - ein dankbares Ziel jeglicher geopolitischen Konkurrenz der USA - scharf an, indem sie eindringlich vor dem Trumpschen Protektionismus und den Folgen des Klimawandels warnte. Wer immer noch denke, "er könne die Probleme der Welt mit Protektionismus lösen", der leide an einer Fehleinschätzung, so Merkel. Der Klimawandel wiederum sei eine "existenzielle Herausforderung", die bewältigt werden müsse, ehe die "letzte Person auf der Welt" von dessen Existenz überzeugt sei, erklärte die Kanzlerin des Autolandes und Exportüberschussweltmeisters Deutschland.

Zuvor gönnte sich die CDU während einer Sitzung ihres Wirtschaftsrats endlich mal den Spaß, einem hochrangigen US-Politiker das Wort abzuschneiden. Als US-Handelsminister Wilbur Ross per Video der Konferenz zugeschaltet wurde und sich erdreistete, die extremen deutschen Handelsüberschüsse zu lange zu kritisieren, hat die CDU einfach die Verbindung gekappt - unter "Applaus und Gelächter" der Anwesenden, wie Welt-Online berichtete. Dieser Vorfall unterstreiche, wie "Deutschlands Geduld gegenüber Attacken auf den Handelsüberschuss des Landes" sich abnutze, stellte Bloomberg fest.

Nun scheint auch Washingtons Geduld erschöpft zu sein. In diesen zunehmenden nationalen Auseinandersetzungen in den USA wie in Europa zeichnet sich letztendlich die drohende Ära der von der europäischen wie amerikanischen Rechten angestrebten nationalistischen Wende ab. Die Rückkehr zum nationalen Mief ("America first", "deutsche Interessen zuerst", etc.) wird selbstverständlich nicht die geopolitischen Spannungen vermindern - die von rechten Querschlägern zumeist auf eine Verschwörung von "Globalisten" zurückgeführt werden -, sondern diese ungemein verstärken.

Interessant in diesem Zusammenhang ist aber auch ein ideologiekritischer Aspekt: Wie werden die deutschen Trump- und Putinfans diese Entwicklung verkraften, bei denen es sich ja im zumeist - sehr vorsichtig formuliert - auch um Deutschlandfans handelt? Das Idol einer ganzen Generation rechter deutscher Internettrolls geht rabiat gegen essentielle deutsche Machtinteressen in der EU vor. Auf die weltanschauliche Verwurstung dieser Realität dürfen wie alle gespannt sein.