Deutschland ist nun auch im All militärisch präsent
Erster Radar-Überwachungssatellit der Bundeswehr geht in Betrieb
Die Kuba-Krise brach 1963 in dem Moment aus, als die USA nach der Auswertung eines Aufklärungsfluges die auf der Insel heimlich aufgestellten Atomraketen entdeckten. So wurden Aufnahmen aus Spionageflugzeugen und später -satelliten im Kalten Krieg strategisch entscheidend, informierten die USA auch umgekehrt darüber, dass die UDSSR zunächst gar nicht so viele Interkontinental-Atomraketen hatte, wie sie vorgab. Nun ist Deutschland selbst imstande, dem Rest der Welt in den Rüstungs-Topf zu sehen.
Die Raumfahrt begann militärisch und hat bis heute trotz aller unschuldiger und berechtigter Begeisterung für das All diesen ihren Ursprung nicht ganz ablegen können, dem ja auch ursprünglich die heute vielgelobte Einführung des Astronomieunterrichts in der DDR zugrunde lag.
Dabei ging es nicht nur darum, den Weltraum als Schlachtfeld zu missbrauchen, dort Atombomben und Killersatelliten, die per Laser jedes Ziel im Weltraum und auf der Erde pulverisieren können, sowie den „Star-Wars“-Abwehrgürtel zu platzieren. Auch die Luftaufklärung war Ziel der Weltraumaktivitäten: Da auch das 20 Kilometer hoch fliegende US-Spionagefluzeug U2 bald entdeckt und von Bodenabwehrraketen erreicht und abgeschossen werden konnte, wollte man höher hinaus.
Stratosphären-Luftschiffe sind eine denkbare Lösung, Satelliten eine andere. Diese Spionagesatelliten bewegen sich dann auf niedrigen Umlaufbahnen nahe der theoretischen Grenze von 500 km, unterhalb derer die Reibung an der dichter werdenden Atmosphäre zu einem baldigen Absturz des Satelliten führt, um eine ausreichende Auflösung der Bilder zu erreichen.
Die ersten Satelliten des Kalten Krieges mussten ihre Filme noch per Fallschirm abwerfen, die Bergung der Filme war kompliziert und zeitkritisch, damit nicht der Gegner ihrer habhaft wurde. Der unvermeidliche Absturz derartiger, anfangs oft atombetriebener Militärsatelliten, war ein massives Problem – eine schmutzige Atombombe aus dem All, deren Zielgebiet der Zufall bestimmte. Heute hat auch hier die Solartechnik übernommen und die Bilder werden längst elektronisch aufgenommen und übertragen.
Allerdings ist die Beobachtung von Wüstengebieten aus dem Weltraum kein Problem, doch in anderen Gebieten der Erde versperren schon mal Wolken die Sicht. Für reine Kartierungsaufgaben wie bei Google Maps ist dies kein Problem – irgendwann ist schon mal freie Sicht. Für die akute Überwachung von Truppenbewegungen oder der Positionsbestimmung von Raketen ist es dagegen wenig hilfreich, wenn wochenlang Wolken das Zielgebiet verhüllen. Mikrowellen statt Lichtwellen heißt die Lösung und wenn diese wie beim Radar auch noch aktiv abgestrahlt werden, ist es unerheblich, ob im Beobachtungsgebiet Tag oder Nacht herrscht. Zudem kann durch technische Tricks die Auflösung der Aufnahmen bis auf einen Meter am Boden erhöht werden – das Funktionsprinzip der SAR-Satelliten (Augen durch Nacht und Wolken).
Deren zivile Variante TerraSAR-X mit im Endausbau ab 2009/2010 zwei Satelliten (TanDEM-X) hätte eigentlich Ende Oktober vom russischen Baikonur aus starten sollen. Wegen eines Fehlstarts der russisch- ukrainischen Trägerrakete DNEPR-1 am 26. Juli 2006 wurde dieser jedoch auf die nächsten Monate verschoben. Dafür wurde kurz vor Weihnachten ebenfalls aus Russland, vom Militärraketenstartplatz Plesetsk, der erste Satellit der ebenfalls bereits seit Jahren geplanten (Bundeswehr bekommt Augen im All), von dem Unternehmen OHB-Systems gebauten militärischen Variante SAR-Lupe gestartet, der ursprünglich schon Anfang 2005 ins All geschossen werden sollte. Die DLR in Oberpfaffenhofen übernimmt wie bei der zivilen Variante TerraSAR-X die Kontrolle, bis alle Systeme überprüft sind und Satellit sowie Kontrolle offiziell an die Bundeswehr übergehen.
Bislang verlaufen alle Tests nach Plan; sobald der zweite der im Halbjahresabstand geplanten fünf Radar-Überwachungssatelliten im All und betriebsbereit ist, wird das System offiziell von der Bundeswehr in Betrieb genommen, die damit nach den USA und Russland das dritte Land mit Radarsatelliten ist.
Grund für das je nach Quelle mit 300 bis 750 Millionen Euro Kosten angesetzte Projekt ist, dass die von den USA gelieferten Daten bei Aufnahmen von Krisengebieten an die befreundeten Nato-Staaten ebenso verzögert oder verschlechtert werden, wie die USA es auch beim Satellitennavigationssystem GPS praktizieren. Friedensforscher der Uni Kassel befürchten jedoch mit SAR-Lupe einen erneuten Einstieg in das Wettrüsten im All und monieren einen damit eingetretenen Verstoß gegen die UN-Resolution A 51/123: "Internationale Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung des Weltraums" vom 13. Dezember 1996.