Deutschland rutscht in längste Wirtschaftsflaute seit 1945
Die deutsche Wirtschaft schrumpft das zweite Jahr in Folge. Experten sehen das Land in der längsten Stagnationsphase seit dem Zweiten Weltkrieg.
Deutschland ist in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Das zweite Mal seit Bestehen der Bundesrepublik schrumpft die Wirtschaft zwei Jahre infolge.
Das Bruttoinlandsprodukt sank 2024 um 0,2 Prozent, nachdem es bereits 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft war, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Ökonomen sehen vorerst keine Trendwende.
Deutschland durchlaufe die mit Abstand längste Stagnationsphase der Nachkriegsgeschichte, erklärte etwa Timo Wollmershäuser, Leiter der Prognoseabteilung des Ifo-Instituts. "Auch im internationalen Vergleich fällt Deutschland deutlich zurück."
Auch die Bundesbank warnte laut Bloomberg, dass 2025 ein weiterer wirtschaftlicher Rückgang möglich ist, wenn Donald Trump seine Zolldrohungen wahr machen sollte. Trump hatte Ende vergangenen Jahres erklärt, Europa müsse mehr Erdöl und -gas in den USA einkaufen, um das Bilanzdefizit zu verkleinern. Anderenfalls würden Strafzölle erhoben.
Industrie schwächelt, Fachkräfte fehlen
Gründe für die Misere gibt es viele: Die globale Nachfrage ist schwach, hauptsächlich die Automobilindustrie steckt in der Krise. Noch immer wirken die Folgen der Energiekrise nach, die mit Beginn des Kriegs in der Ukraine und den westlichen Sanktionen gegen Russland begann. Erdrückende Bürokratie und Fachkräftemangel bremsen die Wirtschaft zusätzlich.
Die wirtschaftliche Schieflage sei allerdings auch auf Probleme zurückzuführen, die sich über Jahre hinweg aufgebaut hätten, heißt es bei Bloomberg. Gemeint ist eine zunehmende Alterung der Gesellschaft, eine fehlende moderne Infrastruktur und eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit.
"Um die Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen, brauchen wir überzeugende Antworten von Politikern und Unternehmen auf die großen Herausforderungen des Wandels", forderte Klaus Borger, Ökonom bei KfW Research, den Berichten zufolge.
Wahlkampf zwischen Steuersenkungen und Investitionen
Die Probleme bestimmen auch den Wahlkampf vor den vorgezogenen Neuwahlen am 23. Februar. Viele hoffen auf eine stärker wachstumsorientierte Politik. Friedrich Merz, Kanzlerkandidat des konservativen CDU/CSU-Blocks, verspricht weniger Vorschriften und niedrigere Steuern. Die Sozialdemokraten von Kanzler Olaf Scholz und die Grünen wollen dagegen mehr investieren, etwa in Infrastruktur, Energie und Verteidigung.
Entscheidend könnte der Umgang mit der Schuldenbremse werden, die der Neuverschuldung enge Grenzen setzt. SPD und Grüne wollen sie reformieren, um Investitionen zu erleichtern. Sie fordern Zuschüsse für Investitionen, Kaufprämien für E-Autos und einen 100-Milliarden-Fonds für öffentliche Projekte. Die Union will an der Schuldenbremse festhalten, signalisiert aber Gesprächsbereitschaft.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, das letzte Mal, als die deutsche Wirtschaft zwei Jahre infolge geschrumpft ist, sei in den 1950er-Jahren gewesen. Das war falsch. Richtig ist: In den Jahren 2002/03 schrumpfte die deutsche Wirtschaft das erste Mal zwei Jahre infolge. Das Münchner ifo-Institut spricht dennoch davon, dass die aktuelle Situation die längste Stagnationsphase der Nachkriegszeit ist.