Deutschland und die Steueroasen in der EU

Nur die anderen sind böse, obgleich die Abwärtsbewegung der Unternehmensbesteuerung in der EU Steuerparadiese überflüssig machen könnte

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Die Europäische Gemeinschaft ist ja bekanntlich an Recht und Gerechtigkeit interessiert und deshalb engagiert sie sich auch mit aller Vehemenz im weltweiten Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Die EU-Finanzminister haben eine sogenannte Schwarze Liste mit 17 Steueroasen beschlossen. Nach Angaben aus EU-Kreisen handelt es sich bei den betroffenen Gebieten um Bahrain, Barbados, Grenada und Guam, Macau, die Marschall-Inseln, die Mongolei, Namibia, Palau, Panama sowie Samoa und Amerikanisch-Samoa, St. Lucia, Südkorea, Trinidad und Tobago, Tunesien und die Vereinigten Arabischen Emirate. All diese Länder sollen so zu mehr Steuertransparenz und Datenaustausch bewegt werden.

Die Steueroasen innerhalb der EU werden dabei gar nicht erst erwähnt. Dabei sind doch einige britische Inseln und insbesondere auch Luxemburg geradezu Markenbegriffe für Schwarzgeldverstecker und Intensivtäter in Sachen Steuerhinterziehung. Kaum ein groß angelegter Steuerbetrug ohne Involvierung Luxemburger Banken. Wie hätte etwa die Geldwäsche für Gewinne aus Drogenhandel, Menschenhandel und großangelegten Betrügereien all die Jahre ohne die Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg funktionieren sollen? Aber auch Deutschland holt auf, ist zunehmend beliebt bei Geldwäschern.

Jean-Claude Juncker, der über Jahre hin als Luxemburger Finanzminister so eine Art Finanz-Dienstleister für diese Halbwelt war, steht heute der EU-Kommission vor. Immer wieder gab es Ermittlungen gegen einzelne Personen, aber vor allem auch gegen Banken wegen ihrer steuersparenden Transaktionen von und nach Luxemburg.

Etliche der involvierten deutschen Banken mussten vor ein paar Jahren von den in Deutschland Steuer zahlenden Menschen "gerettet" werden. Sie waren "systemrelevant". Welches System war denn in Gefahr? Wenn es sich um das derzeit herrschende System der Reichenförderung, bei gleichzeitig zunehmender Verarmung großer Teile der Bevölkerung handelt, hätte man gut daran getan, diese Banken untergehen zu lassen. Zu den Stützen des Systems, die nach Auffassung der jeweiligen Bundesregierung unbedingt gerettet werden mussten, gehörte auch die HSH Nordbank.

Dieses zeitweise ziemlich marode Institut befindet sich überwiegend im Besitz der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Deren Vertreter in den entsprechenden Gremien, die ihr Geld eigentlich dafür bekommen, dass sie Aufsicht führen, kümmerten sich aber nicht um die Niederungen der mehr oder weniger seriösen Geschäftspolitik der Bank. Die Staatsanwaltschaft Köln "verständigte" sich mit der HSH Nordbank 2015 auf eine Strafzahlung in Höhe von 22 Millionen Euro, weil sie über ihre Tochtergesellschaft in Luxemburg zahlreiche Deutsche dabei unterstützt hat, Gelder in Steueroasen zu verschieben.

Wie der NDR schrieb, sei die HSH Nordbank die erste Landesbank, die eingesteht, systematisch Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben. Im gleichen Jahr musste die ebenfalls mit Steuergeldern am Leben erhaltene Commerzbank wegen ihrer Tochter in Luxemburg und ebenfalls im Rahmen einer Verständigung mit der Staatsanwaltschaft Köln 17 Mio. Euro Strafe zahlen.

Die bösen Steuerparadiese

Diese EU, in deren Leitungsgremien Vertreter des "Finanzzentrums" Luxemburg stets eine führende Rolle spielen, verteilt Noten für andere Staaten und erstellt eine "EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke". Die Liste der Vorhaltungen ist lang.

Ein Auszug aus der Mängelrüge der EU: Amerikanisch-Samoa wende "keinen automatischen Austausch finanzieller Informationen an" und habe das multilaterale OECD-Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in seiner geänderten Fassung weder unterzeichnet noch ratifiziert.

Bahrain habe ebenfalls den automatischen Informationsaustauschmit allen EU-Mitgliedstaaten nicht eingerichtet, habe das multilaterale OECD-Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in seiner geänderten Fassung weder unterzeichnet noch ratifiziert, begünstige Offshore-Strukturen und Regelungen, die Gewinne ohne reale wirtschaftliche Substanz anziehen, wende die BEPS-Mindeststandards nicht an und hat sich auch nicht verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2018 auf diese Fragen einzugehen.

Barbados - sonst eine wirklich schöne Insel - habe, so ist zu lesen, "eine schädliche Steuervergünstigungsregelung" und sich nicht klar und deutlich verpflichtet, diese wie gefordert bis zum 31. Dezember 2018 zu ändern oder abzuschaffen. Wahrscheinlich werden die undurchsichtigen Strukturen noch gebraucht. Vielleicht auch von einigen, in der EU ansässigen Banken, Firmen und wichtigen Personen. Auch Südkorea, Panama, St. Lucia, Samoa und Tunesien hätten allesamt "eine schädliche Steuervergünstigungsregelung", so heißt im EU-Report.

Immerhin bringt die EU, die ja auch noch für eine Fischfangpolitik verantwortlich ist, deren Auswirkungen für viele arme Küstenländer schlicht existenzbedrohend ist, etwas Mitgefühl für die Länder und Gebiete im Karibischen Raum zum Ausdruck, die im September 2017 von verheerenden Stürmen schwer getroffen wurden, wobei Tote zu beklagen waren und wichtige Infrastrukturen stark beschädigt wurden. Die EU vertritt die Auffassung, dass das Evaluierungsverfahren für diese Länder und Gebiete ausgesetzt werden sollte (Anguilla, Antigua und Barbuda, Bahamas, Britische Jungferninseln, Dominica, St. Kitts und Nevis, Turks- und Caicosinseln sowie Amerikanische Jungferninseln). Die Gruppe "Verhaltenskodex" sollte nichtsdestoweniger bis Februar 2018 weiter Kontakte mit diesen Ländern und Gebieten pflegen, damit diese Bedenken bis Ende 2018 ausgeräumt werden können. Immerhin, die EU sieht auch Fortschritte: So hätten sich Curaçao, Hongkong SVR, Neukaledonien, Oman, Katar und Taiwan verpflichtet, bis 2018 den automatischen Informationsaustausch umzusetzen. Die Türkei wolle dies "bis 2019" tun.

Die guten Steuerparadiese

Nicht erfasst in dieser Liste sind die Steuerparadiese innerhalb der EU. Dazu erklärt Fabio De Masi, der sich in den vorherigen Jahren als Europaabgeordneter der Linken mit Steueroasen befasst hat, nun als Linker Bundestagsabgeordneter die Rhetorik aus Brüssel.

Die schwarze Liste war von Beginn an ein Papiertiger. Die Kriterien wurden so geschliffen, dass sowohl die USA, die den weltweiten Informationsaustausch blockieren, als auch die britischen Überseegebiete nichts mehr zu befürchten hatten. Andere Schattenfinanzplätze wurden auf Basis unverbindlicher Zusagen verschont. Nun sollen 8 von 17 verbliebenen Staaten - darunter Panama - nach Lippenbekenntnissen wieder gestrichen werden. EU-Steueroasen wie die Niederlande, Malta, Luxemburg und Irland waren aus Prinzip ausgenommen. Und echte Sanktionen gegen Länder auf der Liste sind ohnehin nicht vorgesehen.

Fabio De Masi

Die Bundesregierung müsse, so Fabio De Masi weiter, "endlich auf nationaler Ebene bzw. mit EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich Quellensteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen erheben. Wirkliche Fortschritte im Kampf gegen die Steuertricks der Reichen und Konzerne sind mit 28 EU-Staaten ein Kampf gegen Windmühlen."

Aber auch Deutschland selbst verfügt - nicht zuletzt Dank des früheren Finanzministers Wolfgang Schäuble - über einen guten Ruf bei allen multinationalen Konzern und anderen Reichen, die nur ungern Steuern zahlen. Schäuble hat Erfahrung mit dem Verstecken von Geld. Im Zusammenhang mit "Schwarzen Kassen" der CDU - u.a. in Liechtenstein - musste er im Jahr 2000 von seinem Vorsitz als Partei- und Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag zurücktreten.

"Deutschland agiert in Teilen selbst wie eine Steueroase", erklärte Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, 2016 in einem Interview der Wochenzeitung "Das Parlament" über die "Panama Papers". Mit etwa der Hälfte der Staaten der Welt gebe es keinen automatischen Informationsaustausch, sagte Paus. Anlegern aus diesen Ländern biete Deutschland, "was eine gut funktionierende Steueroase braucht: Einen sicheren Finanzplatz, gute Investitionsmöglichkeiten, Steuerfreiheit und Diskretion."

Daran hat sich seitdem nichts wesentliches geändert. Auch das im April 2017 als Reaktion auf die "Panama Papers" erlassene sogenannte Steuerumgehungs-Bekämpfungs-Gesetz war so halbherzig, dass die Bundesregierung selbst als Folge dieses Gesetzes keine Steuermehreinnahmen erwartete. Die Steuerfahnder bekamen zwar ein paar mehr Befugnisse, aber die internationalen Finanzberater dürfen sich weiter hinter ihrer Schweigepflicht verstecken. Und zu allem Überfluss gilt das Gesetz nur außerhalb der Europäischen Union.

Es ist also ein Fördergesetz für Steuersümpfe innerhalb der EU - wie Malta und Luxemburg. Damit hat Wolfgang Schäuble - der furchtlose Kämpfer gegen den Steuerbetrug - neue Steuerschlupflöcher geschaffen.

Lisa Paus

Steuerlich abwärts

Eurodad, ein Netzwerk von 46 europäischen NGOs aus 19 Ländern, das sich für ein gerechtes Wirtschafts- und Finanzsystem einsetzt, kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass - sollte die Abwärtsbewegung der Unternehmensbesteuerung in der EU so weitergehen - zumindest multinationale Firmen in absehbarer Zeit gar keine Steuerparadiese außerhalb der EU mehr brauchen.

Eurodad zufolge führen die europäischen Regierungen einen Abwärtstrend an, dem zufolge die durchschnittlichen Steuersätze für Unternehmen weltweit bis 2052 auf Null fallen werden. Die Analyse der EU und Norwegens zeige, dass 12 Regierungen entweder ihre Körperschaftssteuer gesenkt haben oder dies in naher Zukunft planen.

Die Senkung des Körperschaftsteuereinkommens bedeute, "dass die Verbraucher mehr zahlen müssen, um die Lücke zu schließen". Der am 4. Dezember 2017 veröffentlichte Bericht weist darauf hin, dass dies unverhältnismäßig die Ärmsten trifft und dass damit die Ungleichheit verschärft wird.

Tax Games - der Wettlauf nach unten: Europas Rolle bei der Unterstützung eines ungerechten globalen Steuersystems 2017 beinhaltet auch eine eingehende Analyse von 17 EU-Ländern und Norwegen, die aufzeigt, dass die Hälfte der Länder eine alarmierende Anzahl schädlicher Steuerpraktiken hat, die genutzt werden können von multinationalen Unternehmen, um Steuern zu vermeiden. Der Bericht der Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen kam heraus, kurz bevor die EU ihre eigene offizielle "schwarze Liste" von Steuerparadiesen veröffentlichte. Tove Maria Ryding, Steuerkoordinatorin bei Eurodad erklärte: "Die Regierungen haben versprochen, multinationale Unternehmen dazu zu bringen, Steuern zu zahlen, aber stattdessen senken sie den Körperschaftssteuersatz in einem sehr kostspieligen und destruktiven Rennen nach unten."

Seit den Panama Papers und den jüngsten Skandalen von Paradise Papers hat sich die EU sehr darauf konzentriert, andere Länder als "Steueroasen " in die schwarzen Listen aufzunehmen. Dieser Bericht zeigt jedoch, dass die europäischen Regierungen es versäumt haben, ihr eigenes Haus zu bereinigen.

Tove Maria Ryding

Besonders verheerend sei diese steuerliche Abwärtsentwicklung für Entwicklungsländer:

Die Kosten der Steuerhinterziehung für Unternehmen sind nicht nur in Europa spürbar. Entwicklungsländer zahlen weiterhin einen hohen Preis für ein weltweites Steuersystem, das sie nicht geschaffen haben. Das Einkommen der Körperschaftsteuer ist eine wichtige Einkommensquelle für Entwicklungsländer, die Geld benötigen, um Schulen und Krankenhäuser zu finanzieren.

Tove Maria Ryding