Dezentrale Stromspeicher für Privathaushalte

Die bayerische Energiewendeministerin Ilse Aigner im Telepolis-Interview

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In der Regierungserklärung zu Beginn der laufenden Legislaturperiode erklärte Ministerpräsident Seehofer, dass er ein Programm zur autarken Stromversorgung bayerischer Haushalte auflegen wolle. Bundesweit wurden im Photovoltaikspeicherprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bislang 2300 Förderanträge gestellt. Bayern beabsichtigt nun offensichtlich, ein Mehrfaches an Batteriespeichern allein im Freistaat zu realisieren.

Telepolis befragte Ilse Aigner, die bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, zu den Details der Idee, die in der Regierungserklärung nur kurz angerissen wurde.

Ilse Aigner. Foto: Sascha Rahn. Lizenz: CC BY-SA 3.0.
Frau Aigner, sollen die dezentralen Speicher eine Alternative zu den in Teilen der Bevölkerung unbeliebten Pumpspeichern sein?
Ilse Aigner: Wir brauchen beides. Mit der Förderung von Energiespeichern in Privathäusern wollen wir tausende Familien dabei unterstützen, ihren Energiebedarf sicher und zuverlässig überwiegend selbst decken zu können. Photovoltaikstrom, der nicht in das Stromnetz eingespeist wird, belastet das Netz auch nicht. Für die Speicherung von erneuerbarem Strom in großem Maßstab und für die Stabilität des Stromnetzes benötigen wir trotzdem zusätzliche Pumpspeicherwerke. Jedes einzelne der diskutierten Projekte am Jochberg, am Poschberg und in Riedl kann mehr als 30-mal soviel Energie speichern wie die 10.000 geplanten Haushalts-Batteriespeicher.
Inwiefern ist das Ziel kompatibel mit den bundesweiten Zielen, wie sie im PV-Speicherprogramm der KfW formuliert sind?
Ilse Aigner: Der Bund hat im Mai dieses Jahres ein Förderprogramm für Batteriespeicher eingeführt. Das ist eine Ergänzung zu PV-Anlagen für die Abfederung von Erzeugungsspitzen. So kann das Stromnetz entlastet werden. Mit einem bayerischen Programm werden diese Ziele zusätzlich unterstützt. Ferner soll insbesondere auch der Selbstversorgungsgrad der Haushalte durch die Photovoltaik gesteigert werden.
Soll es ein spezifisch bayerisches Förderprogramm für energieautarke Eigenheime geben?
Ilse Aigner: Mit dem Zehntausend-Häuser-Programm wird es ein spezifisch bayerisches Förderprogramm geben, das Investitionen in innovative Lösungen für die Erzeugung, Speicherung und das intelligente Management von Energie unterstützt. Erklärtes Ziel ist dabei die Erhöhung des Selbstversorgungsgrades der Häuser in Bayern.
Wenn die Eigenheime zunehmend energieautark werden, reduziert sich nicht nur die Netzbelastung, sondern auch die Netzauslastung. Auf wen sollen die verbleibenden Kosten für den Netzunterhalt umgelegt werden?
Ilse Aigner: Wir brauchen eine gerechtere Lastenverteilung bei der Finanzierung der Netze mit zunehmendem Eigenverbrauch. Auch im Hinblick auf die Neugestaltung des EEG wird das eine wichtige Rolle spielen.
Der Automobilhersteller BMW hat im Zusammenhang mit der Einführung seiner E-Mobile in der internationalen Diskussion die Idee propagiert, die Traktionsbatterien aus den Fahrzeugen nach Ablauf der Nutzungsdauer im Fahrzeug den Fahrzeugeigentümern als heimischen Energiespeicher zu installieren. Besteht zwischen diesem Ansatz und der bayerischen Idee der energieautarken Eigenheime ein Zusammenhang?

Alte Elektroautobatterien als Stromspeicher

Ilse Aigner: BMW hat im August 2013 zusammen mit Vattenfall ein Forschungsprojekt zur Zweitverwendung von gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien aus den MINI-E- und Active-E-Feldversuchen gestartet. Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts sollen zeigen, ob die Nutzung von gebrauchten Fahrzeugbatterien als stationäre Speicher einen wesentlichen und kosteneffizienten Beitrag zur Erhöhung des Selbstversorgungsgrades der Häuser leisten kann.
Die Lithium-Ionen-Batterien werden zum Zeitpunkt der Entnahme aus den Fahrzeugen noch über eine Restkapazität von 80% verfügen. Nach Rücksprache mit Stakeholdern aus dem Bereich der Speichertechnik ergibt sich die Frage, welche Bedeutung eine Batterie zur Stromspeicherung im Eigenheim haben kann, die mit einer Restkapazität von 80% faktisch am Ende ihrer Nutzungsdauer angekommen ist.
Ilse Aigner: Wenn die Kapazität sinkt, steigt das spezifische Gewicht pro nutzbarer kWh der Batterie. Das spezifische Gewicht bei reduzierter Ladekapazität spielt aber hauptsächlich bei mobilen und nicht bei stationären Batterien eine Rolle. Ein Einsatz solcher "Restkapazitäten" im Haushalt wäre aber sehr sinnvoll. Im Übrigen werden bisher vor allem Bleibatterien eingesetzt, die wesentlich mehr Gewicht pro kWh Speicherkapazität aufweisen.
Lithium-Ionen-Batterien verfügen über eine hohe Energiedichte, was sie für den Einsatz in Fahrzeugen prädestiniert. Leider äußert sich die hohe Energiedichte im Schadensfall als brandbeschleunigend. Wird in Bayern an spezifischen Lösungsansätzen zur Bewältigung dieser Gefahr gearbeitet?
Ilse Aigner: Mit der Innovationsallianz Lithium-Ionen-Batterie LIB 2015 werden diese Batterien insbesondere im Rahmen des Förderschwerpunktprogramms Energiespeicher des Bundes untersucht. Ferner fördert Bayern mit fast 30 Millionen Euro unter anderem ein Projekt an der TU München mit Firmenbeteiligung, bei dem Lithium-Ionen-Batterien optimiert werden sollen. Gleichzeitig wird dort intensiv an alternativen Zellchemien geforscht, die über effizientere Eigenschaften verfügen. Darüber hinaus werden auch Batteriemanagementsysteme (BMS) untersucht.

Teure Entsorgung

Im Gegensatz zu Bleibatterien, deren Recycling aufgrund der hohen Nachfrage nach sekundärem Blei, kostendeckend ist, kostet das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien etwa 1.000 Euro pro Tonne und lässt nur eine Wiederaufbereitung von 53% des verwendeten Materials zu. 47% müssen thermisch recycelt, also verbrannt werden. Wird Bayern in diesem Zusammenhang den Aufbau eines Batterierecycling im Freistaat fördern?
Ilse Aigner: Die ist Sache der beteiligten Firmen. Es ist davon auszugehen, dass bei wertvollen Materialien wie Lithium auch möglichst hohe Recyclingquoten angestrebt werden und die Industrie auch im Eigeninteresse hier ihre F&E-Anstrengungen weiter verstärkt.
Als Voraussetzung zum Batterierecycling müssen auch Lithium-Batterien nach ihrer Nutzung wieder eingesammelt werden. Batteriepakete, wie sie für die heimische Energiespeicherung benötigt werden, übersteigen die 30-kg-Gewichtsgrenze für eine Rücksendung per Kurierdienst. Speditionen verfügen meist nicht über die Zulassung von Lithium-Ionen-Batterien. Gibt es dafür einen Lösungsansatz?
Ilse Aigner: Lithium-Ionen-Batterien müssen auch geliefert und gegebenenfalls wieder ausgetauscht werden, sodass hier Fachspeditionen zum Einsatz kommen und bei entsprechender Nachfrage das Angebot erweitert wird. Ein Vorteil der Lithium-Ionen-Technologie ist auch die längere Lebensdauer gegenüber der Blei-Technologie.
Welcher Zeithorizont ist derzeit für die Umsetzung des Zieles der energieautarken Eigenheime vorgesehen?
Ilse Aigner: Das Zehntausend-Häuser-Programm wird zeitnah starten und läuft über die gesamte Legislaturperiode.

Zu den Einzelheiten des für Bayern geplanten Programms zur Installierung von Stromspeichern wollte man sich bislang noch nicht äußern, da die Abstimmungen sich noch in den Anfang des kommenden Jahres hineinzögen. So scheint noch nicht geklärt zu sein, ob geförderte PV-Speicher wie beim KfW-Programm im Netzverbund arbeiten müssen oder ob es sich auch um sogenannte Inselanlagen handeln darf, die ohne Netzanbindung auch physikalisch autark betrieben werden. Ob die Betreiber autarker Anlagen dennoch zu den Kosten für den Netzunterhalt und seine Erweiterung herangezogen werden sollen, ist nicht entschieden.

Hinsichtlich der Möglichkeiten zum stofflichen Recycling von Lithium-Ionen-Akkus hofft man in Bayern offensichtlich auf einen Durchbruch in der universitären Forschung. Im industriellen Maßstab zeichnet sich bislang noch keine Lösung ab, die beispielsweise Lithium, das nur in geringen Mengen in den nach ihm benannten Akkus zu finden ist, stofflich wieder gewonnen werden kann. Die Maxime lautet hier: Thermisches Recycling und für die Statistik werden die verbrannten Anteile zur Stromgewinnung eingesetzt.

Spätesten Ende Januar sollten weitere Details zur bayerischen Speicherpolitik vorliegen. Und dies betrifft nicht nur die Akkuspeicher, sondern weitere denkbare Standorte für Pumpspeicherkraftwerke. Bayern verfügt unter allen Bundesländern aufgrund der hohen Reliefenergie über das größte Standortpotenzial für solche Kraftwerke.

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