Die Alternative hieße OPEC

Die Ölpest vom Golf von Mexiko und die Suche nach der Energie

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Die Katastrophe im Golf von Mexiko wird zunehmend zu einem Politikum. Der Untergang der BP-Plattform Deepwater Horizon zeigt, wie hoch das Risiko bei solchen technisch anspruchsvollen Bohrungen ist. Die Frage, ob Tiefseebohrungen überhaupt technisch beherrschbar sind, liegt neu auf dem Tisch. Doch woher soll das Öl denn sonst kommen?

Der Golf von Mexiko verwandelt sich derzeit in eine tote Brühe aus Öl und Wasser. An den Stränden von Louisiana, Mississippi, Alabama und Florida werden täglich verendete Seevögel, Delfine und Fische angeschwemmt. Tourismus und Fischfang sind die beiden größten Wirtschaftsfaktoren neben der Ölförderung in der Region. Ihnen ist auf absehbare Zeit der Boden entzogen.

Die geschätzten Verluste in der Fischerei in Louisiana und dem Fremdenverkehr in Florida belaufen sich auf etwa 5,5 Milliarden Dollar. Angesichts dieser Zahl scheint eine Verschärfung der Sicherheitsstandards auf den Plattformen nur noch eine Frage der Zeit. US-Präsident Obama kämpft weiter um ein Moraturium von Tiefseebohrungen, das Gerichte nicht stoppen. Ein endgültiges Aus scheint jedoch kaum durchsetzbar zu sein.

Die Internationale-Energie-Agentur (IEA), in der sich die 30 größten Verbraucherstaaten zusammengeschlossen haben, warnt eindringlich davor, dass der Untergang der Deepwater Horizon zu einer beträchtlichen Erhöhung der Rohölpreise führen könnte. So sagte ihr Chefvolkswirt, Fatih Birol, gegenüber der SZ: „Die Ära des billigen Öls geht zu Ende.“

Der Stopp sämtlicher Tiefseebohrungen in den USA besorgt die Mitarbeiter der IEA ganz besonders. Sollten sich weltweit alle Bohrungen im Meer verzögern, könnte mittelfristig pro Tag eine Million Barrel Öl zu wenig gefördert werden, warnt die Organisation. Birol schätzt, dass „die Durchschnittspreise für ein Barrel von 30 bis 40 Dollar, wie zuletzt über viele Jahre, für immer der Vergangenheit angehören werden“. Denn eine Erhöhung der Sicherheitsstandards sorgt dafür, dass eine ganze Reihe von Ölfeldern nicht mehr wirtschaftlich ausgebeutet werden könnten.

Die OPEC könnte in die Bresche springen

In dieser Situation gibt es auf den ersten Blick einen lachenden Gewinner. Die OPEC, die Organisation erdölexportierender Staaten in Wien, könnte bei einem Ausfall der Tiefseebohrungen durchaus in die Bresche springen. Laut verschiedener Medienberichte plant die Organisation derzeit jedoch keine Erhöhung der eigenen Fördermenge.

OPEC-Generalsekretär Abdallah el Badri ließ kürzlich verlauten, dass die Ölpreise derzeit akzeptabel seien und eine Veränderung der Ölfördermenge nicht diskutiert würde. Hilmar Rempel, Diplom-Geologe und stellvertretender Leiter des Referats Energierohstoffe bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), sagt gegenüber Telepolis:

Von der OPEC gibt es verschiedene Stimmen, die die Frage stellen, warum sie die Förderung ausbauen sollten, wenn die Industriestaaten kein zusätzliches Öl brauchen?

Rempel meinte weiter, dass in den OPEC-Staaten die Bemühungen um eine Weiterentwicklung der Regenerativen Energien durchaus ernst genommen würde. Ganz offensichtlich sehen die Regierungen in London, Berlin und Washington eine verstärkte Abhängigkeit von den OPEC-Staaten als keine gangbare Alternative an. Die Auswirkungen der zwei Ölkrisen scheinen immer noch präsent zu sein. Bei der ersten Ölkrise von 1973 senkte die OPEC ihre Fördermenge um 5%. In der Folge schnellte der Ölpreis um 70% nach oben. Das Ziel dieser Politik war es, die USA und Europa davon abzubringen, Israel beim Jom-Kippur-Krieg zu unterstützen.

Aber nicht nur kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Staaten der Region sorgten für eine unsichere Versorgung des Westens mit dem Rohstoff. Auch innerstaatliche Konflikte führten zu teils drastischen Preisanstiegen. Während der zweiten Ölkrise von 1979/80 sorgte die islamische Revolution im Iran dafür, dass sich Rohöl von 15,50 Dollar auf bis zu 41 Dollar pro Barrel (159 Liter) verteuerte. Bis heute hat sich an den komplizierten politischen Verhältnissen in der Region nichts geändert. Der Einmarsch der US-Armee in den Irak hat die Region im Gegenteil noch weiter destabilisiert.

Die Antwort der westlichen Staaten auf die immer wiederkehrenden Krisen bei der Versorgung in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war ein Ausbau technischer Alternativen zum Erdöl. So wurden verstärkt Maßnahmen zur Energieeinsparung, Möglichkeiten zur Energieerzeugung durch Müllverbrennung oder der Anbau nachwachsender Rohstoffe, wie Rapsöl, voran getrieben. Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt wurden Offshore-Bohranlagen gebaut, um damit das tief unter der See liegende Rohöl im Golf von Mexiko oder in der Nordsee fördern zu können.

Die Öl-Pest im Golf ist nur das eine Problem bei der Versorgung mit dem schwarzen Gold

Für die Energieversorgung des Westens stellt sich mittlerweile nicht mehr nur die Frage, aus welcher Region das Öl kommen soll. Auch das grundsätzliche Ende der Förderung von Öl treibt die Politik immer mehr um. Rempel geht davon aus, dass „zwischen 2030 und 2035 Peak-Oil erreicht ist“. Er warnt zwar davor, diesen Zeitpunkt überzubewerten. „Nach Peak-Oil bricht die Versorgung nicht plötzlich zusammen, aber die Fördermenge wird sich danach langsam verringern,“ erklärt er die Situation. Angesichts des steigenden Verbrauchs ist dies jedoch keine wirkliche Beruhigung.

Erneut treten damit also alternative Energiequellen in den Fokus der Diskussion. Das Bundesministerium für Umwelt (BMU) hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, in der davon ausgegangen wird, dass bis etwa 2050 sämtliche in der Bundesrepublik benötigte Energie auf erneuerbarer Grundlage erzeugt werden kann. Die Verfasser der Studie, der ForschungsVerbund Erneuerbare Energien (FVEE), gehen davon aus, dass eine solche Energieversorgung keine höheren Kosten erzeugen würde im Verhältnis zu fossilen Brennstoffen.

Eine solche Energieerzeugung wird politisch kaum erfolgreich sein

Da der Westen nicht über genügend eigene Ölvorräte verfügt, muss sich die Politik nach Alternativen umsehen. Das bedeutet: Entweder die industrialisierten Staaten liefern sich den Erzeugerländern aus oder sie entwickeln neue technische Erzeugungsmethoden. Regenerative Stromerzeugung hat hierbei jedoch einen großen Nachteil. Bei dieser Form der Energieerzeugung würde eine große Anzahl kleiner und mittlerer Produzenten auf den Markt drängen. Die Zeit der großen Monopole in der Stromversorgung wäre damit vorbei.

Nicht ohne Grund versuchen die AKW-Betreiber ihre Kraftwerke länger am Netz zu halten. Bei diesem Kampf geht es nicht nur um die damit einhergehenden Gewinne aus dem Betrieb der Kraftwerke. Es geht auch darum, sich als einzig mögliche Alternative präsentieren zu können. Wenn sich in der Zukunft die Ölförderung verringert, wären zumindest einige AKWs bereits vorhanden und diese würden einen guten Grund bilden, den Bau weiterer zu fördern. Denn mit diesen alten AKWs fiele es den Betreibern leicht, ihren Beitrag zur Energiesicherheit des Landes darzustellen. Ein politisches Umsteuern auf alternative Energiequellen wird definitiv kommen. Ob diese alternativen Energiequellen jedoch auch regenerativ sein werden, ist allerdings fraglich.