Die Auflösung der traditionellen Zeitstrukturen

Arbeiten im virtuellen Raum bedeutet auch die Loslösung des Mitarbeiters von psychischer Präsenz im Unternehmen und die Umstellung auf Vertrauensarbeit - Zukunft der Arbeit Teil 3

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Die strikte Trennung von Arbeitszeit und Freizeit und der temporäre Rhythmus der Industriegesellschaft mit seinen Normalarbeitszeiten ist im Grunde nicht sehr viel älter als der Siegeszug dieser Industrie selbst - rund 200 Jahre. Zuvor war das Leben der Landbevölkerung eher von zirkulären denn von linearen Zeitstrukturen geprägt: Dem stetig wiederkehrenden Ablauf des Jahres mit seinen Jahreszeiten von Frühjahr bis Winter und dem entsprechenden Arbeitsanfall in der Landwirtschaft.

Die Dampfmaschine als eine der Grundlagen der Industrialisierung legte auch die Grundlage für ein Zeit- und Arbeitsregime, bei dem der Lohn der Arbeit nach Stundenzahlen gemessen wurde. Heute bildet das Internet die Grundlage, um diese industriellen Zeitstrukturen gleichsam wieder zu verdampfen. Die linear gemessene Zeit als Leistungsgrundlage granuliert oder löst sich auf in einzelne Zeiteinheiten, in denen ungemessen die Leistung erbracht wird. Mit der Auflösung des festen Arbeitsortes in flexible Strukturen löst sich auch die feste Struktur der Arbeitszeit auf, die sich dann um "Kreativ-Peaks" herum gruppiert. Und der Unterschied zwischen Freizeit und Arbeitszeit besteht dann nur mehr aus einer dünnen, von beiden Seiten durchlässigen Membrane.

Dass neue Formen der Arbeitszeit beziehungsweise der Leistungserbringung möglich werden, hat viel mit der Akzeptanz dieser neuen Formen durch die Mitarbeiter zu tun. Die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen, aber auch ein Wandel von Werten und unterschiedliche Ansprüche in unterschiedlichen Lebensphasen bringen eine hohe Akzeptanz von flexiblen Arbeitszeitmodellen mit sich. Neue Technologien, Internet und IT-Infrastrukturen machen es zunehmend möglich, verschiedene berufliche und familiäre Bereiche untereinander zu vertakten und den Tagesablauf flexibler zu gestalten. Vormittags die Tochter in den Kindergarten bringen und zuvor von zu Hause aus berufliche emails beantworten ist so ebenso möglich wie eine Auszeit für die Betreuung der kranken Mutter zu nehmen und dafür zuvor mit Mehrarbeit das aktuelle Projekt abzuschließen.

Flexibilität ist erwünscht

Wie auch immer die flexiblen Arbeitszeitmodelle im Einzelnen konkret aussehen, klar ist, dass sie gewünscht werden und mittlerweile auch als Standort- und Wettbewerbsvorteil gelten. Über die Einstellungen und Erwartungen hinsichtlich flexibler Arbeitszeiten der Arbeitnehmer gibt eine aktuelle Studie des Software-Firma Sage unter dem Titel "Die Arbeitswelt der Zukunft" Auskunft. Danach:

glaubt die Mehrheit (77 Prozent) der Befragten, dass die Trennung von Freizeit und Arbeitswelt sich in Zukunft weiter auflösen wird.

Der Ist-Zustand ist dabei schon von Flexibilisierung geprägt, allerdings deutlich abhängig vom Lebensalter:

So gaben 85 Prozent aller berufstätigen 18- bis 29-Jährigen an, heute gelegentlich außerhalb der regulären Arbeitszeiten zu arbeiten; bei den über 45-Jährigen sind es nur 74 Prozent, die außerhalb der Kernarbeitszeiten tätig sind. Jeder dritte Befragte arbeitet inzwischen auch an Feierabenden oder Wochenenden. Wochenendarbeit ist mit 41 Prozent besonders in der Gruppe der älteren Arbeitnehmer verbreitet, die aufgrund ihres Alters über verantwortungsvollere Jobs verfügen dürften. Jeder Fünfte arbeite sogar gelegentlich, wenn er krankgeschrieben ist.

Grundsätzlich schwindet damit die Bereitschaft gerade bei jüngeren Arbeitnehmern, eine strikte Trennung zwischen Freizeit und Beruf zu akzeptieren.

Flexible Arbeitszeiten werden künftig ein Merkmal von Attraktivität der Unternehmen und ein wichtiger Pluspunkt bei der Rekrutierung von gesuchten Mitarbeitern sein. Denn von einem attraktiven Arbeitgeber erwarten die Umfrage-Teilnehmer zukünftig vor allem eine deutlich höhere Flexibilität:

77 Prozent der Befragten möchten flexiblere Arbeitszeiten und 51 Prozent flexiblere Lebens- und Arbeitszeitmodelle, die sich an der jeweiligen Lebenssituation des Arbeitnehmers anpassen. Auch attraktive Weiterbildungsangebote (48 Prozent) und die Möglichkeit zum Home Office (45 Prozent) stehen ebenfalls ganz oben auf der Wunschliste.