Die Geheimnisse der Mailbox von Saddam Hussein
Die E-Mails an den irakischen Präsidenten blieben unbeobachtet, der Irak hat sich erst zögerlich und seit kurzem dem Internet etwas geöffnet
Saddam Hussein hat seit dem neuen Jahrtausend auch eine Website. Gehostet wird sie von dem einzigen, natürlich staatlichen Provider im Irak. Auf der Website findet man eine Biographie und einige Reden des irakischen Präsidenten. Aber es gibt auch eine E-Mail-Adresse, die allerdings nicht Saddam.Hussein@uruklink.net lautet, sondern nur press@uruklink.net. Ein Mitarbeiter von Wired hat Einblick in die angesammelten Schätze der Mailbox nehmen können und einige interessante Dinge erfahren.
Ob Saddam Hussein überhaupt jemals aktiv an einem Computer gesessen ist, weiß man nicht. Lieber sitzt er zumindest auf offiziellen Bildern auf einem seiner Thronsesseln. Offenbar aber wurde auch die von fleißigen Systemadministratoren eingerichtete Mailbox kaum abgefragt. Und gesichert hatten sie die Mailbox auch nicht weiter. Zumindest war der Wired-Autor in der Lage, über einen Link auf der Homepage des staatlichen Providers die Mail abzufragen, die an den Präsidenten gegangen ist. Nötig war nur die Eingabe eines Benutzernamens und eines Passwords, beides dasselbe Wort aus fünf Buchstaben, das uns aber nicht verraten wird. Auch die für die bekannten Sicherheitslöcher der Mail-Software existierenden Patches sind nicht eingebaut worden. Bislang hat es auch niemand interessiert. Das aber könnte jetzt doch anders werden.
Doch zunächst einmal ist der Wired-Autor auf Hunderte von E-Mails gestoßen, die sich in Husseins Mailbox angesammelt hatten – als ungelesen gekennzeichnet. Da gab es den üblichen Spam, vor dem auch Präsidenten nicht verschont werden, manche E-Mails, die Viren offerierten, aber nicht in Aktion treten konnten. Und es gab neben E-Mails, die Saddam beschimpften auch manche aufmunternden Worte und Hilfsangebote.
Eine E-Mail aus China etwa empfahl dem Präsidenten, doch Methylbromid gegen die amerikanischen Soldaten einzusetzen, das ansonsten in der Landwirtschaft als Pestizid benutzt wird. Es empfehle sich als Waffe, weil es keine Farne besitzt, nicht riecht und jeden Menschen innerhalb von Sekunden tötet. Der gute Mann gab auch gleich eine Adresse in Riad an, wo man das Gift erwerben könne. Ein Österreicher bot am 27. Juli gleich seine Dienste an gegen die "arroganten“ Amerikaner an. Wenn die USA angreifen, dann "brauchen Sie mir nur ein Ticket schicken und ich werde in den Irak kommen, um gegen die Amerikaner zu kämpfen“.
Weil Geschäftsleute sich halt immer nach neuen Möglichkeiten umsehen, dachten sich manche offenbar, doch über E-Mail direkt an den Präsidenten herantreten zu können, dessen Land seit vielen Jahren schweren Sanktionen unterworfen wurde. Ein kalifornischer Geschäftsführer bot den Export von Technologie an, der Leiter einer englischen Firma wollte bei der Vermittlung aller möglichen Güter aus dem Westen behilflich sein – unter strenger Verschwiegenheit natürlich -, eine kanadische Firma würde gerne bei Finanzgeschäften behilflich sein. Nicht alles muss freilich stimmen, denn E-Mails mit beliebigem Absender kann jeder schicken. Zumindest stritt ein Geschäftsmann aus Las Vegas ab, eine Mail geschickt zu haben, in der er ein Feuerlöschmittel für irakische Armee anpries. Angeblich sei die Mail zwar von seiner Adresse geschickt worden, aber da habe sich ein Freund einen Scherz gemacht. Aber das kann man ja auch immer sagen.
Ob nun Saddam Hussein, wenn die Meldung über seinen verwaisten Mail-Account durch die Medien geht, dann doch mal gelegentlich nachschauen lässt, ob etwas Interessantes eingetroffen ist? Den nachlässigen Systemadminstratoren wird wohl ein schärferer Wind entgegen blasen. Und vielleicht wird man sich im Irak auch überhaupt eine neue Internetstrategie azsdenken. Immerhin sind mittlerweile nicht nur die irakische Nachrichtenagentur (Ein Fenster zur Welt), die irakische UN-Vertretung in New York, einige Zeitschriften (Erste irakische Zeitung im Web) oder der Präsident online, sondern seit zwei Jahren wurden nach der Eröffnung des ersten Internetcafes in Bagdad noch viele weitere eingerichtet, die den irakischen Menschen einen Blick in die Online-Welt werfen lassen. Seit einiger Zeit haben auch Universitäten Internetzugang, den Angestellte und Studenten nutzen können. Alles ein erheblicher Fortschritt in einem Land, das die Presse- und Meinungsfreiheit nicht gerade schätzt, um es milde auszudrücken. Vor ein paar Jahren noch durften nur in einigen Ministerien manche Angestellten ins Netz, doch selbst hochrangigen Beamten war E-Mail noch verwehrt.
Frei ist natürlich die Internetbenutzung jetzt auch nicht. Instant Messaging, Chats oder anonyme Mail-Accounts etwa bei Hotmail sind den irakischen Internetbenutzern verwehrt. Die einzige Verbindung geht über den staatlichen Provider Uruklink – und hier wird der Internetverkehr natürlich überwacht und blockiert. Zwar können offenbar westliche Medien besucht werden, aber wer weiß, ob dann nicht die Mitarbeiter des Großen Bruders aufmerksam werden.
Beim ersten Golfkrieg war der Irak noch von der Außenwelt abgeschlossen. CNN hatte seine große Stunde und berichtete mitten aus aus Bagdad. Auch während der Operation Desert Fox war das Internet noch nicht in den Irak eingezogen (Der Irak - ein Schwarzes Loch im Cyberspace). Das macht, wie man im Verlauf des Kosovo-Krieges gesehen hat (Die Stärke des Internet), den Kampf um die Informationshoheit einfacher. Wenn nun ein Krieg stattfinden sollte und die Internetverbindung nicht von irakischer oder amerikanischer unterbrochen würde, dann gäbe es womöglich nicht nur al-Dschasira, der aus dem Irak berichtet, sondern dann könnten auch die Menschen im Irak Informationen an die Außenwelt schicken oder Informationen zu ihnen gelangen.