Die Klimakatastrophe wird zum Regierungsprogramm

Seite 2: Essen ist politisch

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Eine andere Rechnung kann man aufmachen, indem man die Agrarwirtschaft ein wenig genauer betrachtet. Noch mehr als das Fliegen sind wir damit täglich beschäftigt. Der Begriff der Lebensmittel beschreibt es ja auch treffend, ohne sie lässt es sich nicht existieren. Aber wie politisch Essen ist, haben viele nicht auf dem Schirm. Denn es geht nicht "nur" um Tierwohl, Landschaftspflege, Biodiversität, Schadstoffbelastungen, Lebensräume und Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung. Es geht auch um das Klimaabkommen von Paris.

Um wie vorgesehen ab Mitte des Jahrtausends praktisch keine neuen Emissionen mehr abzugeben, muss sich auch die Landwirtschaft grundlegend verändern. In ihrem Klimaschutzplan 2050 stellt die Bundesregierung fest, dass etwa die Hälfte der von der Landwirtschaft verursachten Treibhausgasemissionen direkt auf Tierhaltung zurückzuführen ist. Eine andere Zahl: Nahezu 70 Prozent der direkten Treibhausgasemissionen unserer Ernährung beruhen auf tierischen Produkten. Nicht mitgerechnet sind u.a. die Emissionen, die durch den Anbau importierter Futtermittel in anderen Ländern entstehen.

Weniger Tiere verursachen weniger Emissionen, aber auch klimaschädliche Importe von Futtermitteln können verringert werden. Boden ist nach den Ozeanen der größte Kohlenstoffspeicher der Welt. Eine Förderung von stickstoffbindenden Pflanzen wie Bohnen, Lupinen oder Klee würde den Einsatz von klimaschädlich erzeugten Mineraldüngern reduzieren. Eine Reduktion unseres Fleischkonsums ist unabdingbar. So würde ein Fünftel weniger Fleisch etwa so viel Klimagase wie die Stilllegung des Braunkohlekraftwerks Weisweiler, dem viertgrößten deutschen CO2-Emittenten, einsparen.

Und der Flächenbedarf wie auch die CO2-Belastung des Fleischkonsums sind immens. Für ihn nimmt Deutschland sogar Ackerflächen auf anderen Kontinenten in Beschlag. Zwischen 2008 und 2010 waren es fast sieben Millionen Hektar, das entspricht ungefähr der Größe Bayerns. Der CO2-Rucksack eines Kilogramms Weizenmehl liegt bei 1,7 kg CO2-Äquivalenten, bei Schweinefleisch beträgt er mit rund acht Kilogramm mehr als das Vierfache. Der Selbstversorgungsgrad Deutschlands bei Schweinen liegt momentan bei 122 %.

Wenn man bedenkt, dass in den reichen Regionen der Welt der Fleischverzehr am höchsten ist, dass muss man konstatieren, dass genau dort die größte Verantwortung für ein Umsteuern liegt. Denn wenn aus Wälder erst Weiden, Weiden zu Äckern und Äcker zu Städten gewandelt werden, dann geschehen Landnutzungsänderungen die kaum rückgängig zu machen sind. Diese Wälder fehlen uns wiederum als Kohlenstoffsenke. Praktischer Klimaschutz: Weniger Fleischkonsum und Agrarwende.

Fazit: Es besteht auf vielen Ebenen Handlungsbedarf.

Gastkommentar von Matthias Hüttmann, zuerst erschienen auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie.