Die Machenschaften des italienischen Geheimdienstes Sismi

Nach ersten Zeugenaussagen hat der Geheimdienst zusammen mit der CIA Abu Omar aus Mailand nach Ägypten verschleppt, zur Verschleierung wurden Journalisten bestochen und andere überwacht

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Mit der neuen Regierung in Italien schreitet nun doch offenbar auch die Aufklärung voran. In Deutschland sind die Verwicklungen der deutschen Geheimdienste und der Regierung etwa in den Fällen Khaled El Masri und Muhammad Haydar Zammar noch immer unklar. Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat nicht nur Haftbefehle für 22 CIA-Mitarbeiter erlassen, die verdächtigt werden, den ägyptischen Imam Abu Omar bzw. Osama Mustafa Hassan im Februar 2003 aus Mailand verschleppt zu haben (Haftbefehl für CIA-Agenten). Inzwischen wurden zwei hohe Mitarbeiter des italienischen Militärgeheimdienstes Sismi unter dem Verdacht der Kooperation an der Entführung und des Missbrauchs der Amtsgewalt festgenommen. Gegen vier Amerikaner wurden Haftbefehle erlassen, drei von ihnen sind CIA-Mitarbeiter, Jeff Castelli ist der ehemalige Chef der CIA in Italien. Damit werden bereits 26 US-Bürger von der Staatsanwaltschaft gesucht.

Solange Berlusconi an der Macht, wurden die Machenschaften des Geheimdienstes gedeckt, von dem man schon lange vermutete, dass er an der Verschleppung des Ägypters beteiligt gewesen sein muss. Vermutlich wussten auch die italienische Regierung und auch Berlusconi Bescheid, schließlich war man ein enger Alliierter der Amerikaner. CIA-Mitarbeiter hatten versichert, dass die italienische Regierung unterrichtet gewesen sei. Noch im Juni letzten Jahres stritt diese das vehement ab (Wusste die italienische Regierung von der CIA-Entführung?). Der Imam war auf offener Straße entführt, zum amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in Aviano gebracht und schließlich mit einer der bekannten CIA-Gulfstream-Maschinen über einen Zwischenstopp in Deutschland nach Ägypten gebracht, wo er vermutlich gefoltert wurde.

Die Mailänder Staatsanwaltschaft konnte die Beteiligung der amerikanischen Botschaft und einzelner CIA-Angehöriger über die Zurückverfolgung der Handy-Kommunikation, die zum Mieten von Fahrzeugen und für die Hotels verwendeten Ausweise (mitsamt Bildern) und die benutzten Kreditkarten belegen. Bekannt ist auch, dass den Imam auf der Straße ein italienischer Carabinieri aufgehalten und zu einem Lieferwagen gebracht hat, in dem die Amerikaner diesen schließlich überwältigten. Die Berlusconi-Regierung weigerte sich nicht nur, internationale Haftbefehle wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, zu erlassen, sie ließ vom Geheimdienst auch Journalisten der Tageszeitung La Repubblica überwachen und illegal ihre Telefone abhören. Sie hatten sich mit der Verschleppung beschäftigt und versuchten, die Verwicklung der italienischen Regierung in den Fall zu klären. Überdies wurden vom Geheimdienst zwei Redakteure der rechtsgerichteten Zeitung Libero mit dem Auftrag in Dienst genommen, den Stand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft herauszubekommen. Bei dem Libero-Redakteur Renato Farina wurden Nachweise über zwei Geldbeträge in Höhe von 2.000 und 5.000 Euro gefunden, die von Sismi kommen sollen und von Farina mit seinem Codenamen als Informant „Betulla“ unterzeichnet wurden. Farina hatte auch vom Geheimdienst fabrizierte Artikel veröffentlicht, die u.a. den damals noch als EU-Kommissionspräsidenten amtierenden Berlusconi-Konkurrenten Prodi in Misskredit bringen sollten.

Festgenommen wurden am Mittwoch Marco Mancini, der Leiter der Abteilung für Gegenspionage bei der Sismi, und Gustavo Pignero, dessen ehemaliger Chef zum Zeitpunkt der Verschleppung. Einige Geheimdienstagenten haben bereits gestanden, an der Verschleppung beteiligt gewesen zu sein. Sie berichteten über Einzelheiten der Operation und auch von Treffen nach der Tat, um eine gemeinsame Version über den Vorfall zu erstellen. Pignero hat die lokalen Sismi-Chefs in Mailand, Padua und Triest vor der Verschleppung durch treue Ergebene von Mancini ersetzt, um die gemeinsame Aktion mit der CIA nicht zu gefährden. In einem abgehörten Telefongespräch zwischen Mancini und Pignero, das die beiden im Juni führten, sprachen sie von der „illegalen Aktivität“, an der sie beteiligt waren. Pignero wollte nichts von der Verschleppung gewusst haben, Mancini beteuerte, er habe ihm die Mitwirkung befohlen.

Die Regierung Prodi hat zwar versichert, dass sie der Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung behilflich sein werden, geht aber noch davon aus, dass nur einige Personen aus dem Geheimdienst in die Verschleppung verwickelt waren, nicht aber dessen Chef Nicoló Polari. Allerdings soll dieser zusammen mit Pio Pompa versucht haben, Sismi aus den Nachforschungen der Staatsanwaltschaft herauszuhalten. Er soll auch von der Beschattung der Journalisten gewusst haben und an der Manipulation von Medienbereichten beteiligt gewesen sein. Pompa hatte in Rom extra ein Büro eingerichtet, um Desinformation zu betreiben und Journalisten zu beeinflussen. Man will also den Fall in seinen Auswirkungen eng begrenzen, kündigte aber auch an, dass die Geheimdienste reformiert und ihre Kompetenzen neu abgesteckt würden.

Die Frage ist, ob der Geheimdienst eigenmächtig mit der CIA bei der Verschleppung des Imam kooperiert oder doch in Kenntnis bzw. im Auftrag der italienischen Regierung gehandelt hat. Sollten die Staatsanwaltschaften in Mailand und Rom dies tatsächlich belegen können, wäre dies womöglich auch der erste Schritt, auch die Rolle der Geheimdienste und Regierungen der anderen EU-Länder an den Verschleppung und geheimen CIA-Flügen klären zu können.