Wusste die italienische Regierung von der CIA-Entführung?

Update: "Wir wussten von nichts", sagt die Regierung, nach US-Informationen soll zumindest der italienische Geheimdienst eingeweiht gewesen sein

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Letzte Woche hat die Staatsanwaltschaft Mailand einen EU-Haftbefehl für 13 CIA-Agenten ausgegeben, die 2003 den aus Ägypten stammenden Imam Abu Omar in Mailand in ihre Gewalt gebracht und nach Ägypten entführt haben. Die italienische Polizei war auch deswegen sauer, weil sie Informationen über den Imam, der angeblich ein Netzwerk zur Rekrutierung von Kämpfern für den Irak aufbauen wollte, geliefert hatten, aber nicht über die Entführung unterrichtet worden seien. Wie es nun aus inoffiziellen Quellen aus den USA heißt, sei der italienische Geheimdienst aber über die Aktion informiert gewesen.

Ob der Geheimdienst tatsächlich über die Entführung in Kenntnis gesetzt wurde und dieser zugestimmt hat, was ohne Genehmigung von oben, etwa von Ministerpräsident Berlusconi, kaum möglich sein dürfte, wird vielleicht nie herauskommen. Der US-Geheimdienst nimmt, wenn irgend möglich, niemals Stellung zu verdeckten Operationen.

Die italienische Regierung hat es hingegen schwer. Nach der öffentlichen Aufregung über die Entführung eines Menschen aus Italien durch amerikanische Geheimagenten einzuräumen, nicht nur davon gewusst, sondern dies womöglich auch gebilligt oder dabei mitgewirkt haben, dürfte ebenso politischen Schaden verursachen wie umgekehrt, der CIA die Verantwortung dafür zuzuschieben und damit womöglich auch die US-Regierung zu brüskieren. Heute wird die Regierung darüber aufklären oder auch nicht, ob italienische Behörden von der Aktion gewusst haben. Es wird interessant zu sehen, wie man sich diplomatisch durchmogeln wird. Die Staatsanwaltschaft Mailand wirft den CIA-Agenten eine "evidente Verletzung unserer nationalen Souveränität" vor und geht offenbar davon aus, dass italienische Behörden nicht daran beteiligt waren.

Zudem soll der Regierungsvertreter vor den Abgeordneten auch Stellung zu einem weiteren Skandal beziehen, nämlich zu den gefälschten Dokumenten, die eine italienische Journalistin von einem der Berlusconi-Sender 2001 der US-Botschaft in Rom übergeben hat. Sie dienten unter anderem dann der Blair-Regierung im Waffen-Dossier als "Beweis", dass das Hussein-Regime in Niger Uran für sein Atomwaffenprogramm kaufen wollte (Niger als Projektionsfläche der Weltpolitik). Auch die US-Regierung übernahm diese "Informationen" zunächst, obgleich sie bereits von einem US-Gesandten (Schwierige Suche nach Sündenböcken) und den UN-Inspektoren darüber informiert worden war, dass sie gefälscht waren ("Macbeth" und die gefälschten Niger-Dokumente).

Nach Informationen der Washington Post hätten drei ehemalige CIA-Mitarbeiter, die Kenntnis von der Operation haben sollen, sowie ein weiterer, der die Operation überprüft hatte, gesagt, dass die CIA vor der Operation sich mit dem italienischen Geheimdienst über diese verständigt habe. Dabei habe es sich nur um eine "winzige" Zahl von Menschen gehandelt. Ganz sicher habe man nicht die Polizei oder die Staatsanwaltschaft von Mailand informiert. Wer auf Regierungsebene davon Kenntnis gehabt haben soll, scheint den Informanten aber nicht bekannt zu sein. Ein US-Regierungsmitarbeiter soll sogar gesagt haben, dass die Operation auf hoher Ebene der italienischen Regierung gebilligt worden sei.

Für diese Version spricht, dass auch bei der CIA-Entführung in Schweden und der Entführung eines kanadischen Staatsbürgers die jeweiligen Regierungen bzw. Geheimdienste eingeweiht waren. Normalerweise werden Verdächtige von den nationalen Sicherheitskräften festgenommen und dann der CIA übergeben.

Da sich die CIA-Agenten nicht besonders unauffällig verhalten hatten, sie waren in Luxushotels abgestiegen, hatten sich mit Ausweisen Autos geliehen und benutzten italienische Handys, konnte die italienische Polizei ihnen auf die Spur kommen. Von zwei der Agenten sind sogar die wirklichen Namen bekannt. So heißt "Bob" in Wirklichkeit Robert Seldon Lady und war wahrscheinlich der Leiter der Operation und der damalige Konsul in Mailand. Zudem gibt es auch Bilder von den Fotokopien der Pässe, die die Agenten in den Luxusabsteigen hinterlassen mussten. Mit diesen wird Europol nach den CIA-Agenten fahnden. Die US-Regierung wird sie natürlich nicht ausliefern, daher dürfen sie einfach nicht mehr nach Europa kommen, wenn nicht doch die italienische Regierung die Operation gebilligt hat und die Staatsanwaltschaft dann den Haftbefehl zurückziehen würde.

Update:

Mittlerweile hat der Regierungssprecher Carlo Giovanardi dem Parlament versichert. "Wir wussten von nichts." Weder die Regierung noch Sicherheitsbehörden hätten von der Entführung und der Vorbereitung für sie Kenntnis gehabt und daher habe es auch auf keiner Ebene eine Absprache oder gar Genehmigung gegeben. Untersuchen werde man, wie Agenten nach Italien und aus dem Land herausgekommen sind. Und man werde die Öffentlichkeit mit "rigoroser Transparenz" über alles informieren. Silvio Berlusconi hat für morgen den amerikanischen Botschafter Mel Semble zu sich bestellt, um Auskunft über den Vorfall zu erhalten.

Nicht alle sind freilich von dieser Aussage überzeugt. So ist etwa der Abgeordnete Luigi Malabarba (Partito della Rifondazione Comunista)davon überzeugt, dass die Regierung die Operation unterstützt hat, die aber nicht zugeben kann, weil dadurch die Verfassung, italienische Gesetze und internationale Abkommen verletzt wurden.