Die Mehrklassengesellschaft des Flüchtlingslebens

Seite 3: Woher bekommen die Flüchtlinge das Geld?

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Die hohen Preise für die Flucht lassen bei vielen Beobachtern und interessierten Lesern die Frage aufkommen, wie die Flüchtlinge so viel Geld für die beschwerliche und risikoreiche Reise aufbringen können.

Im Fall der Afghanen kostet die Reise aus dem Heimatland in den Iran mindestens 1.000 Dollar. Für die Weitereise in die Türkei nach Istanbul sind wenigstens weitere 1.600 Dollar nötig. Die Passage vom Iran in die Türkei wird überwiegend per Pedes organisiert. "I saw a lot of dead bodies in the mountains" - "Ich sah viele Leichen in den Bergen" war ein Teil der typischen Wegbeschreibung eines jungen Afghanen.

Bild: Wassilis Aswestopoulos

Von Istanbul aus zur Mittelmeerküste der Türkei sind erneut knapp 1.000 Dollar fällig. Und schließlich muss auch noch die Passage nach Kos, Lesbos oder eine der anderen griechischen Inseln bezahlt werden. Falls das Schlauchboot, mit dem die Flüchtenden die Türkei verlassen möchten, die Überfahrt aus welchen Gründen auch immer nicht schafft, dann müssen die Betroffenen erneut für eine Passage zahlen. Ermäßigungen gibt es nicht.

Summa summarum kommen viele Flüchtlinge und Immigranten auf Kosten von 6.000 Dollar, um in die ersehnte EU zu gelangen. Bei den meisten Syrern ist die Frage der Geldquelle leicht zu klären. Die Mittelschicht des umkämpften Landes verkauft all ihr Hab und Gut und macht sich dann auf den Weg. Das mitgebrachte Tablet oder das iPhone ist dann meist die einzige Erinnerung an ein früheres, unbeschwertes Leben. Zudem dient es für den Kontakt in die Heimat.

Dieser Kontakt wiederum ist auch Schleppern wichtig. Denn so gelangen sie über die Mundpropaganda an neue Kunden. Die Schlepper tun im Übrigen alles, um die gesamte Fahrt und Passage gefährlich erscheinen zu lassen. Das gilt auch für die Weiterreise ins übrige Europa. Die Schlepper lassen sich alle ihrer Dienste teuer bezahlen.

Die Mehrklassengesellschaft des Flüchtlingslebens (18 Bilder)

Bild: Wassilis Aswestopoulos

Für Flüchtlinge aus Afghanistan oder Pakistan bedeutet dies, dass sie auf ihren Zwischenstationen nach Arbeit suchen. Sie dienen im Iran oder in der Türkei als willkommene Arbeitssklaven, die klaglos und bis zur Erschöpfung oft gesundheitsgefährdende Arbeiten ausführen. Rechtlos und sparsam versuchen sie, dabei so viel wie möglich zur Seite zu schaffen. Kommt es dennoch zu einem finanziellen Engpass, so bitten sie die Verwandtschaft in der Heimat um ein Darlehen, welches dann per Überweisung via Western Union gewährt wird. Somit ist das Mobiltelefon, welches vor Ort mit der jeweils passenden SIM-Karte ausgestattet wird, für die Reisenden wortwörtlich überlebenswichtig.

Das weitere Schicksal

Hilfe erhalten die Gestrandeten auf den griechischen Inseln meist vor allem von den Bürgern, aber auch von Touristen. Der griechische Staat ist vollkommen überfordert und kann vor allem in seiner jetzigen finanziellen Lage kaum etwas bewegen.

So sind auf Kos die Glücklicheren der Afghanen, Pakistani und Afrikaner im vollkommen desolaten Hotel Captain Elias untergebracht. Sie vegetieren dort ohne sanitäre Anlagen und elektrischen Strom buchstäblich Körper an Körper schlafend.

Für die Syrer wurde die Fähre Eleftherios Venizelos gechartert. Diese fährt am Donnerstag zum ersten Mal 2500 Syrer und Palästinenser nach Athen. Für die Überfahrt müssen die Flüchtlinge ungefähr 65 Euro bezahlen. Tickets, die sie für andere Linienschiffe erworben hatten werden nicht erstattet.

Schließlich kommen trotz Ticket nur diejenigen auf ein Schiff, die einen echten oder perfekt gefälschten Passierschein vorweisen können. Mehrere Tausend Flüchtlinge und Immigranten sitzen somit auf Kos für unbestimmte Zeit fest.

Täglich kommen nach Angaben, die Staatsminister Alekos Flabouraris bei der Eröffnung des Flüchtlingscamps Eleonas bei Athen machte, 5.000 neue Bootsflüchtlinge auf den griechischen Inseln an. Das Camp Eleonas bietet jedoch nur wenigen hundert Menschen Platz. Somit ist mitten im politischen Chaos in Athen ein humanitäres Drama vorprogrammiert.