Die Minister bitten zur Kasse

Wolfgang Schäuble sieht zusammen mit Ursula von der Leyen "erheblichen Spielraum" für Einsparungen bei den sozialen Sicherungssystemen, aber wenig Hoffnung für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf internationaler Ebene

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Finanzminister Wolfgang Schäuble findet angeblich, dass eine Rendite von 25 Prozent für Banken zu hoch ist. Aber es ist nicht der reine Neid, der ihn zu dieser Aussage treibt, sondern eine Besorgnis um die volkswirtschaftlichen Folgen solch einer Rendite. In der Realwirtschaft wird sie nämlich nur äußerst selten erwirtschaftet. Zudem finden sich solche Quasi-Monopolrenditen häufig in Bereichen, in denen der Ordnungsrahmen zu wenig wettbewerbsorientiert gestaltet wurde - etwa bei Pharmaunternehmen oder Wissenschaftsverlagen. Aus diesem Grunde, so Schäubles Vorwurf, "dreht sich der Finanzmarkt nur noch um sich selbst".

Verständlicher wird diese Aussage, wenn man ein Renditeziel in einer Branche mit einer Wohnungsmiete vergleicht: Liegt sie bei 500 Euro, dann kann der Mieter sie dadurch verdienen, dass er Güter produziert oder Dienstleistungen anbietet. Liegt sie dagegen so hoch, dass sie mit dem Verdienst aus einem Arbeitsverhältnis nicht mehr bezahlt werden kann, dann ist der Mieter versucht, sie über andere Wege zu erwirtschaften. Zum Beispiel über Betrug oder über Glücksspiel. Letzteres wird vor allem dann ein Problem, wenn der Staat respektive die Steuerzahler für die Glücksspielschulden einspringt und sich der gerade Entlastete sofort wieder an den Roulettetisch setzt.

Wolfgang Schäuble 1989 (mitte). Foto: Bundesarchiv, B 422 Bild-0035 / Kurt Hilberath / CC-BY-SA.

Beim glücksspielenden oder betrügenden Mieter lässt sich Abhilfe schaffen, indem man Mietobergrenzen einführt. Für die Renditeziele von Unternehmen ist solch eine Obergrenze nur bedingt sinnvoll. Aber wenn man als Finanzminister findet, dass 25 Prozent Rendite für Banken volkswirtschaftlich schädlich sind, dann kann man entsprechend progressiv besteuern und den Spitzensteuersatz für Geldinstitute danach gestalten: Zum Beispiel 40 Prozent Steuern auf fünf Prozent Rendite und 80 Prozent auf alles über acht.

Man wird vielleicht einwenden, dass von dieser Maßnahme nur deutsche Banken betroffen wären. Doch solch eine Besteuerung muss keineswegs auf den Hauptsitz begrenzt sein, sondern lässt sich durchaus auch auf solche Geldinstitute ausweiten, die ihre Zentrale im Ausland haben, aber wirtschaftlich in Deutschland tätig sein wollen. Auf zahlungsunwillige Akteure könnte mit dem Ausschluss aus deutschen Märkten zumindest ein gewisser Druck ausgeübt werden: Wenn Geschäfte mit al Qaida und der IRA unterbunden werden können, warum sollte dies mit Goldman Sachs nicht gelingen? Zudem ist der Hauptzweck solch einer progressiven Besteuerung auch dann erfüllt, wenn es nur deutsche Banken trifft: Denn ausländische Geldinstitute müssen nicht durch deutsches Steuergeld gerettet werden. Und deutsche verspekulieren sich zukünftig weniger leicht, wenn sie sich nicht im Rennen um eine 25-Prozent-Rendite beteiligen.

Ursula von der Leyen. Foto: Michael von Aichberger. Lizenz: CC-BY 3.0.

Schäuble allerdings denkt nicht an solch eine progressive Bankensteuer, sondern plädiert stattdessen öffentlich für eine Finanztransaktionssteuer, die seine Partei eigentlich lange ablehnte. Zur Erinnerung: Der Finanzminister war lange Jahre führendes Mitglied im Kabinett Kohl und galt dort aufgrund seiner Ausbildung nicht nur als Steuerexperte, sondern auch als "Kronprinz". Genau diese Kohl-Administration schaffte 1991 mit Artikel 4 des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der Finanzmärkte die Börsenumsatzsteuer ab - ein bewährtes Ordnungsinstrument, das den Effekt hatte, kurzfristige Spekulationen potenziell etwas einzudämmen, weil es bei jeder Transaktion wirksam wird.

Weil der Link auf die Finanztransaktionssteuer mittels einer G20-Vereinbarung oder einer EU-Regelung einführen will, spricht einiges dafür, dass er in Wirklichkeit immer noch dagegen ist, es aber für klüger hält, dies gegenüber dem Wahlvolk anders darzustellen. Dass er in ein und demselben Interview zwar davon spricht, dass man zuerst national "anpacken" müsse, was global nicht klappt, aber Oskar Lafontaine für genau dieses Vorhaben einen Demagogen schilt, lässt sich sonst nur mit einem sehr angeschlagenen Gesundheitszustand erklären, der sich auch geistig auswirkt.

Auf Nachfrage muss schließlich auch Schäuble zugeben, dass er "fürchtet", eine internationale Finanztransaktionssteuer werde an der US-Regierung scheitern. Das Geld, dass sie oder eine progressive Bankensteuer in die Kassen spülen würde, will er sich stattdessen woanders holen: Er sei sich, so der Finanzminister gegenüber der FAZ, mit Arbeitsministerin Ursula von der Leyen einig, dass es bei den sozialen Sicherungssystemen noch "erheblichen Spielraum" für Einsparungen gebe.