Die Neue Rechte und Marx?

Seite 3: "Die Rechten hatten einen Punktsieg gelandet"

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Zuletzt noch einmal zum Verhältnis der "Neuen Rechten" zu 1968. Lassen sich zwischen "Neuen Rechten" und "Neuen Linken" auch Parallelen entdecken?

Konrad Lotter: Die These von Thomas Wagners Buch Die Angstmacher. 1968 und die Neuen Rechten7 lautet ja: Die Studentenrevolte ist die Geburtsstunde der "Neuen Rechten" und nur als Spätfolge von 1968 lasse sich die AfD oder die "identitäre Bewegung" richtig begreifen. In dieser Form erscheint mir die These zumindest übertrieben, wenn nicht falsch. Auf der Oberfläche gibt es natürlich Parallelen, wie etwa das Interesse an der Marxschen Theorie, wobei das rechte Interesse an Breite und Tiefe doch Lichtjahre hinter dem linken Interesse zurückbleibt. Genauso steht es mit den Formen des Protests.

Die sogenannten "subversiven Aktionen" wurden im "Münchner Untergrund" von Dieter Kunzelmann und Frank Böckelmann entwickelt, die sich dabei auf den Situationisten Guy Debord, auf Sigmund Freud und Adorno beriefen und deshalb als Linke wahrgenommen wurden.

Tatsächlich waren es "Antiautoritäre", die mit ihren Provokationen nur gegen gesellschaftliche und staatliche Autoritäten protestierten, ohne zugleich auch gesellschaftliche Alternativen aufzuzeigen. Die Formalität des Protests war die Bedingung dafür, dass diese Formen unmittelbar von den Rechten in Form der "konservativen subversiven Aktion" (Götz Kubitschek) übernommen werden konnten.

Das "Antiautoritäre" von Böckelmann oder Bernd Rabehl, die sich als bloße "Angstmacher" betätigten, war offenbar auch die Bedingung für ihren reibungslosen Wechsel ins rechte Lager. Mit ihrem Versuch, die "kulturelle Hegemonie" zu erringen, war die "Neue Rechte" zumindest in ihrer Polemik gegen die "Lügenpresse" nicht erfolglos.

Peter Sloterdijk sprach noch vornehm vom "dominanten linksliberalen Feuilleton"; bei den Anhängern von AfD, Pegida und andere wurde daraus der Aufschrei gegen den "grün-linksliberal versifften Mainstream", der rechte Ansichten unterdrücke oder sie verzerre. Nahezu alle großen bürgerlichen Zeitungen haben das Thema aufgenommen.

Plötzlich hatte, wie eine Umfrage ergeben hat, die Mehrheit der Deutschen den Eindruck, ihre Meinung nicht mehr frei äußern zu können (und unter linker Vormundschaft zu stehen).Wenn dieser Eindruck auch unbegründet und völlig falsch war, so hatten die Rechten damit doch einen Punktsieg gelandet.

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