Die "Nose-to-Tail"-Bewegung hat die Vegetarier erreicht

Seite 3: Ist das Abfall oder essen wir das heute?

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Obwohl viele die Wildkräuter und den Spaß auch an alten Sorten (wieder)entdeckt haben, gibt es erst in jüngster Zeit eine sogenannte "Essbewegung", die sich an der Idee des "Nose to Tail" orientiert. "Nose to Tail" ist ein Titel eines Rezeptebuches, das aufzeigt, wie ein Tier (in dem Fall ein Schwein), wenn es schon geschlachtet wird, fast gänzlich verwertet wird - samt Blut, Innereien, Schwanz, Rüssel und Klauen. Das planzliche Gegenstück heißt "Leaf to Root" und findet momentan etliche begeisterte Gastronomen, die sich dieser Idee verschreiben.

Für die zuliefernden Bauern eine günstige Situation, da sie nunmehr auf das bisherige Vorputzen des Gemüses verzichten können, Radieschen, Karotten, Rüben oder Zwiebeln wandern mit Grün und Wurzel in die Lieferboxen und werden auch entsprechend verwertet. Dabei experimentierten die Köche, so dass auch für den Privathaushalt interessante Ideen herauskommen. Ein Beispiel hierfür ist ein Johannisbeereis, das mit den gerösteten Johannisbeerhölzern, die sowieso beim Schnitt anfallen, aromatisiert wird.

Auch wenn wir keinen Gemüseabfall im herkömmlichen Sinne haben, da alles zu Enten- und Gänsefutter avanciert, so ist es doch auch ein Erlebnis herauszufinden, was wie verwertet werden kann, ohne dass dies in eine Menge Arbeit mündet. Vielen ist ja die Idee des Gärtnerns eher suspekt weil sie befürchten, dass sie dann gar keine Freizeit mehr haben und es wäre gelogen zu sagen, dass ein Garten keinerlei Arbeit bedeutet, aber neben Sinnstiftung ist es gerade auch die Vielfalt, die mich erfreut. Und die Möglichkeiten, die es gibt, möglichst vieles, was beim Kochen oder Backen … normalerweise als "Abfall" in die Biotonne oder in den Enteneimer wandern würde, noch einem praktischen Zweck zuzuführen. Der beim Entsaften entstandene Trester kann so z.B. gleich als Suppe, Sauce oder, eingesalzen und ggf. getrocknet, als Brühenextrakt dienen, je nach Entsaftetem ist er auch als Brotzusatz geeignet, z.B. wenn Fenchel entsaftet wird.

Die "Leaf to Root"-Köche verwerten fast alles, Wurzeln, Blätter, Zweige werden geschreddert, erhitzt, feingemahlen, in Traubenkernöl ziehen gelassen oder als Salat genutzt. Das eröffnet nicht zuletzt auch neue geschmackliche Horizonte und lässt mich den Blick auf manches, was im Garten wächst, verändern.

War früher somit noch das Holz vom Johannisbeerstrauch schlichtweg etwas, was entweder im Müll oder, gehäckselt, auf den Wegen landete, ist es jetzt Eiszutat. Schweift der Blick nun über Bäume, Sträucher und Pflanzen, so entstehen schon gedanklich neue Küchenwelten - Topinamburchips mit Brennesselsalz, Lachs mit Zitronenmelisse und Rosenblütenessig, samt Stengeln süßsauer eingelegte Kirschen, in Meerettichblättern eingewickelte Salzgurken, Radieschenblättersalat mit Sojasauce und Sesamöl, dazu frischer Pfefferminztee und vielleicht noch ein Huhn, mariniert in einer Beize aus Rotwein, Traubenblättern, Holunderblüten, mit Holunderbeerholz geräuchertes Lamm…

Etwas Salbei für den Hals

Den Bereich der Heilkräuter anzusprechen ist oft etwas heikel, zu schnell wird er in die gleiche Schublade gesteckt wie die Homöopathie. Doch mir geht es nicht um irgendwelche Globuli, vielmehr sind etliche der "Heilkräuter" bzw. die Wirkungen von Gewürzen ja mehr als nur ein Mythos - die Wirkung des Salbeis bei Halsschmerzen wird genauso anerkannt wie die schweißtreibende von Cayenne oder Chili. Daher bietet der Naturgarten natürlich auch diesbezüglich eine reiche Palette und, ggf. in Alkohol, Öl oder mit Fett konserviert, entstehen so Salben, Tees und Tinkturen für die Behandlung von kleinen Wehwehchen.

Für mich steht allerdings die kulinarische Vielfalt im Vordergrund, wobei sich manche Idee bezüglich Müllvermeidung bzw. "Abfall"vermeidung, Sortenvielfalt … von selbst ergibt.